Es gibt Themen, an denen scheiden sich auf ewig die Geister. Wenn beispielsweise Mütter mit kinderlosen Frauen diskutieren, prallen Welten aufeinander. Wir haben die Nase voll von Pro und Kontra und versuchen einen anderen Weg.
Liebe Mutter,
als Frau mit Kindern hast du einen ganz anderen Lebensentwurf als ich. Du hast ganz andere Prioritäten gesetzt und dich für eine radikale Veränderung entschieden: für volle Windeln, Geschrei, ständige Kinderkrankheiten, schlaflose Nächte und jahrelange Aufopferung. Da kann ich nur sagen: Hut ab!
Ich finde es gut, dass du den Stammbaum deiner Familie erweiterst und deine Eltern mit Enkeln glücklich machst. Schließlich gebt ihr alle nicht nur viel Liebe, sondern auch eure Werte an die nächste Generation weiter. Außerdem sorgst du dafür, dass in diesem Land irgendwann nicht nur alte Menschen leben – und auch meine Rente noch finanziert werden kann.
Mit der Geburt deiner Kinder hast du Verantwortung übernommen, zum einen gegenüber der Gesellschaft und zum anderen für das neue Leben, das in dir gewachsen ist. Natürlich kenne ich von Freundinnen und Familie die ganzen Regeln, die bereits die Schwangerschaft begleiten: Reg' dich nicht auf, iss' die Salami nicht ... Also wird dir schon früh bewusst geworden sein, dass es ab jetzt neue Spielregeln für dein Leben gibt. Der erste Gedanke bei vielen Entscheidungen gilt nicht mehr dir, sondern dem Kind. Das nenne ich selbstlos! Die ganzen Überstunden als Mama kriegst du nie ausbezahlt und einen Preis kannst du damit auch nicht gewinnen. Doch du weißt genau, warum du den ganzen Stress in Kauf nimmst. Davor habe ich großen Respekt.
Manchmal beneide ich dich, wenn du mit anderen Müttern redest. Bei Gesprächen über Pastinaken-Brei (noch nie von diesem Gemüse gehört!), die besten Einschlafmethoden oder die empfehlenswerten Schulen in der Stadt bin ich außen vor. In diese Welt habe ich keinen Zugang. Trotzdem freue ich mich, dass euch Mütter dieses besondere Band verbindet.
Es ist schön zu sehen, wie du strahlst, wenn du mit deinem Nachwuchs spielst und von den neuesten Fortschritten erzählst. Als würden dir die körperlichen Strapazen, der Schulstress oder die Sorgen um die Zukunft eigentlich gar nichts anhaben können. Irgendwie bist du durch die Kinder nachsichtiger mit dir selbst und der ganzen Welt geworden. Du weißt: Perfektion gibt es nicht im wahren Leben – dafür echtes (Familien-)Glück. Das strahlst du aus und das macht auch mich glücklich.
Viele liebe Grüße
von einer Frau ohne Kinder
Liebe kinderlose Frau,
es gibt viele Tage, an denen ich dich gut verstehen kann und dich sehr beneide. Wie gern würde ich wenigstens einen Morgen ausschlafen oder zumindest selbst bestimmen, um welche Uhrzeit ich aufstehe. Deshalb freue ich mich für dich, dass du dir deinen Rhythmus selbst einteilen kannst und Spontaneität bei dir nicht zu kurz kommt.
Dein beruflicher Weg weist keine Elternzeit-Lücken auf, er ist geradlinig und führt dich zu neuen Herausforderungen. Du musst dich nach einem Wiedereinstieg nicht erst mühsam erneut im Job behaupten. Deine Kollegen schätzen dich als zuverlässig und kompetent. Es kommen keine Anrufe aus dem Kindergarten, weil die Kleine hingefallen ist. Du musst nicht früher nach Hause oder den ein oder anderen Tag der Arbeit ganz fernbleiben. Im Gegenteil: Den Eltern im Büro nimmst du sogar noch Aufgaben ab, wenn sie sie nicht schaffen. Stellvertretend danke ich dir dafür!
Statt Topfschlagen oder mit Bauklötzen zu spielen, bildest du dich weiter. Statt nach überteuerten Familienhotels in der Hauptsaison zu suchen, kannst du jederzeit ans Urlaubsziel deiner Wahl verreisen oder deine Freunde besuchen – auch wenn sie noch so weit verstreut wohnen. Du kannst dich immer wieder neu erfinden, in eine andere Stadt oder sogar ein anderes Land umziehen.
Es gefällt mir, dass du so selbstbestimmt und frei lebst und dazu stehst. Du beugst dich nicht dem Druck der Gesellschaft, dem Ticken der biologischen Uhr oder diffusen Zukunftsängsten ("Wer wird sich später nur um dich sorgen?"). Du zeigst der Welt, dass Frauen aus sich selbst heraus wertvoll sind, nicht erst, wenn sie Kinder, Mann, Hund und Haus haben.
Ich weiß, dass du auch ohne Kinder kein einsames Leben führst. Du bist eine super Patentante, eine prima große Schwester und ehrenamtliche Helferin. Dein Freundeskreis ist groß und du bist überall gern gesehen, weil du dir Zeit nimmst für die Menschen um dich herum. Manchmal denke ich sogar, du investierst noch mehr, um Gutes zu tun und wertvoll für die Gesellschaft zu sein, als ich – eben auf eine andere Weise.
Alles Liebe wünscht dir
eine Mutter von drei Kindern
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