Berlin - Sie gehören zur ersten Riege der deutschsprachigen Autoren und bezeichnen sich als Freunde. Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre besuchen sich hin und wieder. Daraus machen sie Literatur. Nach rund vier Jahren legen sie am Mittwoch zum zweiten Mal ein Buch mit Gesprächen vor. Wer genau liest, erfährt sehr Persönliches über die Star-Schriftsteller.
Im Kern ist es ein Buch über Sprache. Warum heißt Vergissmeinnicht nicht Vergissmichnicht? - darüber denken die beiden nach. Und ob die Sagenfigur Sisyphos den Stein bis ganz oben auf den Berg rollt und dieser dann auf der anderen Seite runterkippt, oder ob er erst gar nicht oben ankommt. Es wirkt wie ein Nebenbei-Geplauder, aber auf sehr hohem Niveau. Eingestreute Gedanken und alles irgendwie im Fluss. Der "Spiegel" charakterisierte das Werk als "seicht, unterhaltend und rührend zugleich".
Es ist viel passiert in den vergangenen Jahren. Der 76 Jahre alte Schweizer Autor
Von Stuckrad-Barre publizierte den Roman "Noch wach?", der in der Medienbranche sehr viel Staub aufwirbelte. Das Buch, obgleich konkrete Namen nicht auftauchen, wurde von vielen Medien als Sittenbild des Konzerns Axel Springer mit seinem Boulevardtitel "Bild" interpretiert. Stuckrad-Barre war früher für den Medienkonzern als Autor tätig gewesen.
In den 19 Kapiteln des Gesprächsbuches "Kein Grund, gleich so rumzuschreien" sprechen beide Autoren über Gott und die Welt. Im ersten Dialogband "Alle sind so ernst geworden" aus dem Jahr 2020 hatten sie über Badehosen, Glitzer oder saures Fleisch gesprochen. Jetzt sind es Schnittblumen (Suter: "Tulpen sind ja richtige Säufer. Die wachsen auch noch, wenn sie tot im Wasser stehen."). Die Kapitel tragen Namen wie "Rasenmähroboter", "Eitelkeit", "Rauschmittel".
Der rote Faden: der Tod
Immer wieder führt das Gespräch der beiden zum Tod. Und vielleicht ist das hier die größte Stärke des Buches, weil beide in eine Tabu-Zone vordringen und sie ausleuchten. Das passiert zum Beispiel so: Die Autoren machen sich Gedanken über den Begriff "jemanden zu verlieren". Suter: "Man bedauert damit den Überlebenden statt den Gestorbenen. Deswegen stört mich diese Formulierung." Stuckard-Barre fragt Suter immer wieder nach der Zeit, als seine Frau Margrith starb. Der Schweizer Bestseller-Autor gibt sehr viel Persönliches preis. Er spricht über "hysterisches Trauerlachen".
Alkohol vor die Hotelzimmertür
Stuckrad-Barre verrät, dass er in Hotelzimmern den Alkohol aus den Minibars ausräumt und vor die Tür "knallt". Der Autor mag keine Rosen ("Eine unfassbar dumme Blume", "ein Klischee für die Vase"), dafür Sonnenblumen. Er besitzt nach eigenen Angaben kein Haus und keine Wohnung: "für immer der Typ Girokonto". Der Autor ist bekannt für Werke wie "Panikherz" oder "Soloalbum". Er schnappt die Sprache von bestimmten Gruppen, Zeitgeist und Milieus auf. Auch Rausch, Sucht und Extreme spielen in seinen Werken immer wieder eine Rolle. Er schrieb auch mal ein Anti-Rauschmittel-Buch und beschrieb, wie es ist, unter Partyleuten nichts zu trinken.
Von Stuckrad-Barre spricht im Kapitel Eitelkeit über sein Unbehagen, wenn von ihm Fotos gemacht werden. Er sagt zu Suter: "Du kennst ja das stundenlange Körpertheater, das ich jedes Mal aufführe schon für ein ganz einfaches Foto." Er schreibt von einem "Krankheitsbild, Körperschemastörung". Dass er schon unfassbar viel Zeit damit vergeudet habe, sich dick zu fühlen. Er spricht an einer anderen Stelle in dem Kapitel auch von einem "Unterlegenheitsgefühlsknast".
Wie die Gespräche im Buch entstehen
Die Methodik hinter dem Gesprächsbuch: Die beiden Autoren treffen sich, zeichnen Gespräche auf, verschriftlichen und überarbeiten sie. Es sind also keine 1:1 Transkripte ihrer Treffen. Ab dem 14. Dezember gehen beide auf eine Lesereise. Sie starten in Berlin. Weitere Städte sind zum Beispiel München, Frankfurt, Stuttgart, Leipzig, Zürich und Wien.
In einem Interview der Deutschen Presse-Agentur im April hatte Suter auf die Frage, ob beide Freunde seien, gesagt: "Ja." Und von Stuckrad-Barre ergänzte: "Unbedingt." Suter: "Wir nennen einander auch "Lieber Freund", und das nicht ironisch. In schwierigen Zeiten war
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