Von Selbstmordanschlägen in Afghanistan hören und lesen wir regelmäßig. Doch Fernsehnachrichten und Zeitungsberichte vermögen oft nicht, was der Dokumentation "True Warriors" gelingt: Uns ein Gefühl dafür zu geben, was diese barbarischen Taten mit den Überlebenden und den Angehörigen der Opfer machen. Ein Film, so bedeutsam wie bedrückend.
Kabul, 11. Dezember 2014. Während einer Theatervorstellung im Französischen Kulturzentrum von Kabul sprengt sich ein Selbstmordattentäter in die Luft.
Auf den ohrenbetäubenden Knall der Detonation folgt Applaus. Zuschauer glauben an einen guten Effekt, schließlich sind sie zu einem Stück über ein Selbstmordattentat gekommen.
Die Realität liegt anders: Mehrere Menschen sind tot, Dutzende verletzt - in Afghanistan fast schon Alltag.
Zu behaupten, dass man die Tragweite dieser Tatsache im Kinosessel voll und ganz nachfühlen kann, wäre vermessen. Doch der Kinobesucher bekommt eine Ahnung davon, wie es ist, mit dieser permanenten Bedrohung zu leben, und schon die Ahnung bedrückt. Ins Kino gehen, ins Theater - was ist schon dabei? Hierzulande: nichts. In Afghanistan: die Gefahr, Opfer eines Anschlags zu werden.
Schonungslose Worte
"True Warriors" haben die jungen deutschen Regisseure Ronja von Wurmb-Seibel und Niklas Schenck ihre Dokumentation genannt, zu Deutsch: wahre Kämpfer.
Gemeint sind die Mitglieder der Theatergruppe, die während des Anschlags auf der Bühne standen, die Musiker und Zuschauer, aber auch die Angehörigen der Todesopfer. Denn sie alle haben einen Kampf auszufechten. Sie müssen die Bilder von Leichenteilen und Blut wieder loswerden, die sich eingebrannt haben. Sie müssen mit der Trauer zurechtkommen und gleichzeitig weiterarbeiten, weiterleben. Viele der Betroffenen legen dabei durchaus kämpferische Energie an den Tag.
Der Film ist wenig bildgewaltig. Dafür lässt er viel Raum für die teils sehr unterschiedlichen Reaktionen und Gedanken der Überlebenden. Und deren Erzählungen rühren an, wie nackte Opferzahlen es nicht können, mögen sie noch so hoch sein.
Da ist der Mann aus dem Publikum, dem erst bewusst wird, was er hätte verlieren können, als er seine Frau und seine Tochter wieder in die Arme schließt. Der Leiter der an der Aufführung beteiligten Musikschule beschließt noch am Krankenbett, auf Facebook ein Statement wider die Taliban zu veröffentlichen. Seine Mitarbeiterin wirkt angesichts dieser Entschlossenheit fast irritiert. Sie quält die Frage, warum sie nicht einfach nur in Frieden Klavier lehren kann in diesem Land.
Einer der Künstler berichtet, wie ein Soldat ihm den verkohlten Schädel des Attentäters vors Gesicht hielt, als er nach dem Anschlag noch einmal in das Kulturzentrum zurückkehrte, um nach einem Freund zu suchen. Ein anderer erzählt, wie ihm beim Geruch des verbrannten Fleisches des Attentäters der Gedanke an Kebab kam.
"Es gibt an Kabul nichts zu mögen, außer die Menschen"
Während die Berichte schonungslos sind, haben sich die Macher bei den Bildern in Zurückhaltung geübt: Kein Blut, keine Leichenteile - wenngleich Regisseurin Wurmb-Seibel zugeben muss, dass das, was zu sehen ist, einer gewissen Brutalität nicht entbehrt. Auch Originalaufnahmen von lokalen Fernsehsendern und Handyvideos wurden verarbeitet.
Details wie Namen und Alter der Interviewten, Ort und Datum, bleiben weitestgehend außen vor. Vielleicht, um zu zeigen: Es hätte jeden treffen können. Immer. Überall.
Dass er ohne externen Erzähler auskommt, erweist sich obendrein als Stärke des Films. Denn die Beteiligten übertreiben nicht in ihren Erzählungen, sie beschönigen aber auch nichts. So transportiert "True Warriors" Aussagen, wie sie ein Außenstehender nicht hätte treffen können. "Es gibt an Kabul nichts zu mögen, außer die Menschen", sagt eine Überlebende.
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