Origineller Krimi-Spaß aus Münster: Boerne und Thiel ermitteln im Schrebergarten, aber zum Glück geht es um mehr als platte Witze. Nur die Altersdiskriminierung stört.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Iris Alanyali dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Professor Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne unter Schrebergärtnern! Köstlich! Da will man sich doch gleich schon mal auf die Schenkel klopfen und in herzhaftes Gelächter ausbrechen.

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Aber dann kommt zum Glück alles ganz anders.

Konflikte tiefer verwurzelt als nur im Kleingarten

Zwar liegt Sabine Schmidt (Sibylle Canonica) tot vor ihrem Münsteraner Gartenhäuschen. Zuvor haben wir sie allerdings dabei beobachtet, wie sie im holländischen Scheveningen so gekonnt wie unauffällig einen Fremden von der Pier in die Nordsee geschubst hat. Es ist also ziemlich klar, dass Frau Schmidt nicht, oder nicht nur, die nette Parzellennachbarin war, die für die Kinder in der Kleingartenanlage Kekse gebacken hat.

Und es sind vor allem Hauptkommissar Frank Thiel (Axel Prahl) und Kollege Mirko Schrader (Björn Meyer), die die Schreber, Streber und Angeber der Gartenanlage befragen. Von denen einige tatsächlich ein Motiv gehabt haben könnten. Wenn unterschiedliche Menschen auf begrenztem Raum zusammenleben, gibt es schließlich immer Spannungen. Egal, ob das der soziale Wohnungsbau ist oder die Kleingartenanlage, wo die Veganerfamilie neben dem freikörperkulturellen Würstchenbräter ihre Bioholzmöbel poliert. Ironischerweise ist es nicht Professor Boerne (Jan Josef Liefers), sondern Frank Thiel, der über die Kleingärtner die Nase rümpft.

"Unter Gärtnern" umarmt die Komik, die sich anbietet, mit Enthusiasmus, aber bevor es platt und abgestanden werden kann, wendet sich der "Tatort" viel weitreichenderen Konflikten zu. Konflikten von internationaler Tragweite, in denen der Kalte Krieg eine viel größere Rolle spielt als ein kalter Grill.

Originelle Krimi-Unterhaltung

Davon ahnen allerdings auch Karl-Friedrich Boerne und Kollegin Silke Haller (Christine Urspruch) erst einmal nichts, als sie in Eichhörnchenmägen wühlen. Zwei Nager nämlich lagen ebenso tot wie Sabine Schmidt neben der Leiche. Und im Schrebergarten der Toten wachsen Schwarze Tollkirsche, Herbstzeitlose, Engelstrompete: Sabine Schmidt hat offenbar nichts angepflanzt, was nicht zumindest in Überdosis tödlich wäre. Hobbybotanikerin Haller wird misstrauisch und fängt an zu graben, beziehungsweise lässt den Professor graben.

Und dann tauchen plötzlich lang verschollen geglaubte Polizisten auf. Der Westfälische Frieden spielt eine Nebenrolle. Mikrofilme und Mikrowellen scheinen direkt einem James-Bond-Film entlehnt zu werden. Und das Ganze ist mit derart leichter Hand und guter Laune verknüpft, dass sich hier nur prinzipielle Feinde des Münsteraner "Klamauk-Tatort" aufregen dürften. Für den Rest des Publikums ist "Unter Gärtnern" von Drehbuchautorin Regine Bielefeldt und Regisseurin Brigitte Maria Bertele ein sehr origineller Krimi-Spaß.

Misslungene Gesellschaftskritik

Wenn man diesem "Tatort" irgendetwas vorwerfen will, dann ist es höchstens genau die Altersdiskriminierung, die er nebenbei zu kritisieren vorgibt. Denn wie penetrant uns Hauptfigur Sabine Schmidt als "Alte" verkauft werden soll, das erinnert ein bisschen an Modezeitschriften, die für die Präsentation von "Mode für die gereifte Frau" den Altersdurchschnitt ihrer Models auf 30 anheben.

Sabine Schmidt wird ständig als "die Alte" bezeichnet, die "für ihr Alter" noch ganz schön "in Schuss" oder "krass" war. Oder jemand wirft Boerne "Ageism" vor, weil er doch nur wegen Sabine Schmidts Alter eine natürliche Todesursache vermute. Und als Zuschauerin schaut man sich Sabine Schmidt und Darstellerin Sibylle Canonica an und wundert sich. Denn man sieht nichts als eine aparte erwachsene Frau, die genau wusste, was sie wollte, und ihr Leben voll im Griff hatte.

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