- Im neusten Fall aus Münster untersuchen Professor Boerne und Kommissar Thiel den Tod eines zwielichtigen Geschäftsmannes in Ritterrüstung.
- Hierbei unternimmt das Münsteraner Duo einen Ausflug ins Mittelalter.
- Ein Tatort unter schwierigen Bedinungen: "Es lebe der König!" war der erste "Tatort" des WDR, der nach der Corona-bedingten Pause produziert wurde.
Der neue Fall aus Münster musste unter den schwierigen Corona-Bedinungen gedreht werden. Trotzdem gelingt es dem Tatort uns in die Welt der Wiedertäufer zu entführen. Wir liefern Hintergründe zu dem Ausflug der Münsteraner Ermittler ins Mittelalter.
Wer waren die Wiedertäufer von Münster?
Bei der religiösen Gruppe handelt es sich um die Anhänger des gelernten Bäckers Jan Mathys. Er war überzeugt davon, dass Gott ihm prophetische Fähigkeiten verliehen hatte und schloss sich der radikalreformatischen Bewegung der Täufer an, die an den nahenden Weltuntergang, die Wiederkunft Christi und die Errichtung seines tausendjährigen Reiches glaubten.
Da die Täufer in den Niederlanden verfolgt wurden, reiste er im Februar 1534 nach Münster. Die Bewohner der Bischofsstadt waren mehrheitlich lutherisch und hatten mit der katholischen Kirche einen labilen Frieden geschlossen. Doch der rege Zuspruch, den Mathys' fand, artete in einer immer radikalere Bewegung aus Endzeitverkündern aus, es kam zu Bildersturm, Enteignungen und Zwangstaufen. Schließlich wurde die Stadt von katholischen und reformfreundlichen Landesherren gemeinsam belagert.
"Tatort: Es lebe der König!": Wer ist Jan Beuckelszoon?
Der Name "J. Beuckelszoon" bringt die Ermittler auf eine wichtige Spur. Hinter dem historischen Jan Beuckelszoon verbirgt sich Jan van Leiden, der Nachfolger von Jan Mathys. Beuckelszoon war gelernter Schneider, versuchte sich als Dichter und später Gastwirt und Bordellbesitzer und stammte aus dem niederländischen Leiden. Er hatte sich den Täufern angeschlossen und lernte 1533 Mathys kennen, der das sprachgewandte Charisma seines glühenden Anhängers zu nutzen wusste und ihn nach Münster vorausschickte. Als Mathys während der Kämpfe gegen die Belagerer Ostern 1534 ums Leben kam, wurde Beuckelszoon sein Nachfolger und ließ sich zum König ausrufen.
Als Jan van Leiden erweiterte er die machiavellistische Theokratie des Täuferreichs durch noch größere Grausamkeit, Folter und Vielehe; er selbst hatte 17 Frauen.
Leiden köpfte eine seiner Frauen
Eine von ihnen wandte sich von ihrem Mann ab, als während der Belagerung eine Hungersnot ausbrach. Sie könne nicht glauben, soll Elisabeth erklärt haben, dass Gott ihr Leben im Überfluss billige, während das Volk verhungere. Daraufhin soll Jan van Leiden sie selbst auf dem Marktplatz geköpft haben – diese Szene wird im "Tatort" nachgespielt.
Im Juni 1535 kam es im Kampf gegen die Belagerer zu einem Blutbad, bei dem Hunderte Täufer getötet und ihre Frauen aus der Stadt vertrieben wurden. Drei Anführer, darunter van Leiden, wurden zu Tode gefoltert und ihre Leichen in Eisenkörben am Turm der Münsteraner Lambertikirche aufgehängt. Die Käfige sind heute noch dort zu besichtigen.
Gibt es das Haus Lüdecke wirklich?
Im "Tatort" heißt das herrschaftliche neue Heim der Familie Radke "Haus Lüdecke". Zwar verfügt Münster über mehrere Schlösser und die Burg Vischering, die zu den best erhaltenen Burganlagen Deutschlands gehört, für den Dreh aber verwandelte sich das 150 Kilometer entfernt in Grevenbroich bei Düsseldorf gelegene Schloss Hülchrath in eine münsterländische Wasserburg.
Hülchrath wurde um 900 erbaut und hatte zahlreiche adlige Besitzer. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten nutzten NS-Organisationen das Schloss; unter anderem befand sich hier 1945 eine der größten Ausbildungsstätten der von Heinrich Himmler als Untergrundbewegung gedachten "Werwölfe". Seit 1957 befindet sich Schloss Hülchrath im Privatbesitz und kann für Veranstaltungen gemietet werden.
Welche Auswirkungen hatte das Coronavirus auf den Dreh?
"Es lebe der König!" war der erste "Tatort" des WDR, der nach der Corona-bedingten Pause produziert wurde. Das Buch musste während der Zeit des Lockdowns angepasst werden, gedreht wurde im Juni und Juli 2020 in Münster, Köln und Umgebung.
Es gibt keine Massenszenen – deshalb sieht man die Gäste, die gegen Ende das Burgfest besuchen, nur im Auto ankommen, und während der Theateraufführung gibt es keine Bilder vom Publikum. Stattdessen ist Jubel und Applaus vom Band aus dem Off zu hören.
Die "Westfälischen Nachrichten" berichteten, dass die Dreharbeiten quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfanden und nur Mechthild Großmann als Staatsanwältin Wilhelmine Klemm in der Stadt selbst drehte. Das Dachrestaurant, von dem aus Klemm und Kollege Lutz Söltenfuss (Christian Hockenbrink) über die Stadt sehen können, ist das Café "1648" in einem städtischen Verwaltungsgebäude. Normalerweise ist das Rauchen dort übrigens streng verboten.
Was ist Frontotemporale Demenz?
Bei der Autopsie stellt Professor Boerne fest, dass der tote Burgherr an Frontotemporaler Demenz (FTD) litt. Darunter versteht man laut der deutschen Alzheimer Gesellschaft eine Krankheit, bei der Nervenzellen vor allem im Stirn- und Schläfenbereich, also dem frontalen und temporalen Lappen des Gehirns absterben. Von hier aus werden unter anderem Emotionen und Sozialverhalten kontrolliert.
Deshalb kommt es bei Patienten anfangs zu "Teilnahmslosigkeit, aber auch Reizbarkeit, Taktlosigkeit und Enthemmung."
Erst im weiteren Verlauf tritt eine Beeinträchtigung des Gedächtnisses ein, die oft aber lange Zeit "nicht so stark ausgeprägt ist wie bei der Alzheimer-Krankheit". Das macht die Diagnose schwierig: "Weil zu Beginn der Erkrankung Veränderungen der Persönlichkeit und des Verhaltens im Vordergrund stehen, kommt es nicht selten zu Verwechslungen mit psychischen Störungen wie Depression, Burn-out-Syndrom, Schizophrenie oder Manie."
Von der häufigsten neurodegenerativen Gehirnerkrankung, der Alzheimer-Krankheit, unterscheidet sich die FTD auch dadurch, dass sie meist früher beginnt, nämlich zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr.
Verwendete Quellen:
- Welt: "Wiedertäufer in Münster. Unzeitige Liebe mit zarten kleinen Mädchen."
- Webseite wissenschaft.de: "Das Täuferreich in Münster."
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