Mit "Ein ganzes Leben" ist Regisseur Hans Steinbichler eine würdige Verfilmung des gleichnamigen Romans von Robert Seethaler gelungen. Der Film bringt das tragisch-schöne Leben von Andreas Egger schnörkellos und in beeindruckenden Bildern auf die Leinwand.

Eine Kritik
Diese Kritik stellt die Sicht von Leon Kottmann dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Mit einem "großen Staunen" blickt Andreas Egger am Ende des Films auf sein Leben in den österreichischen Alpen zurück. Auch der Zuschauer staunt über die Zähigkeit des Helden angesichts der Torturen, die ihm das frühe 20. Jahrhundert und sein Umfeld bereiten.

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So muss der schweigsame, aber oft zufrieden lächelnde Junge schon zu Beginn einiges ertragen. Der Bauer Hubert Kranzstocker (Andreas Lust) nimmt Egger bei sich auf, er behandelt ihn aber schlecht. Er darf nicht mit den anderen Kindern am Tisch sitzen und wird für jede kleine Verfehlung vom verbitterten Bauern mit der Rute verprügelt.

Dass Andreas seine Kindheit trotzdem zumindest ohne psychischen Knacks übersteht, ist nur der alten Ahnl (Marianne Sägebrecht) zu verdanken, die dem Jungen als einzige Liebe und Fürsorge entgegenbringt.

Marie bringt ihn zum Reden

Egger wirkt zu Beginn wie in diese Welt geworfen und treibt noch ohne Ziel durchs Leben. Die wichtigen Entscheidungen trifft der Bauer für ihn. Dieser rettet ihn vor der Einberufung und beutet ihn am Hof aus. Doch als er auch den mittlerweile erwachsenen Egger schlagen will, trifft dieser eine Entscheidung. Er verlässt den Hof des Bauern und versucht als Holzarbeiter im Wald sein Glück.

Über Eggers Innenleben weiß der Zuschauer zu diesem Zeitpunkt wenig. Denn Egger spricht kaum bis gar nicht. Erst Marie, eine Bedienung im Wirtshaus, in die Egger sich verliebt, bringt ihn wirklich zum Reden.

Zuerst bricht es eher unbeholfen aus dem jungen Mann heraus. Doch je länger Egger redet, desto mehr erfährt der Zuschauer, was dem jungen Mann wichtig ist - und welche emotionale Tiefe in ihm trotz des primitiven Lebens schlummert.

Der Fortschritt hat seinen Preis

Das Leben von Egger scheint nun auf der richtigen Bahn. Er ist glücklich mit Marie und hat eine erfüllende Aufgabe. Er baut mit anderen Arbeitern die erste Seilbahn der Region – ein Meilenstein für das Dorf, auf die Egger und die Bewohner mit großem Stolz blicken.

Doch der Fortschritt hat auch seinen Preis. Kleinere und größere Katastrophen begleiten den Ausbau der Seilbahn und des Skigebiets. Bis es eines Tages Egger selbst trifft und eine große Lücke in sein Leben gerissen wird.

Egger trauert, aber er klagt nicht. Auch nicht, als er wieder zum Spielball größerer Mächte wird und in den Zweiten Weltkrieg ziehen muss. Egger nimmt es hin und bewahrt sich trotz aller Strapazen auch an der Ostfront einen gesunden Teil im Innern. Zitternd vor Kälte schreibt er kleine Briefe an Marie, zu der er bis zu seinem Ende in rührender Weise loyal ist.

Der neue Film von und mit Til Schweiger

Arthur (Michael Maertens) und Felix (Til Schweiger) sind beste Freunde. Ein Missverständnis führt dazu, dass beide denken, der jeweils andere hätte nur noch wenige Monate zu leben. Also starten sie in ein Abenteuer, um das Leben und ihre Freundschaft ein letztes Mal zu feiern. "Das Beste kommt noch!" läuft ab dem 7. Dezember in den Kinos. Mit dabei sind auch Neda Rahmanian, Franziska Machens, Heino Ferch, Caro Cult, Emma Schweiger, Tim Oliver Schultz, Luna Schweiger und Peter Simonischek in seiner letzten Filmrolle.

Wir sehen durch Egger

Durch diese Briefe blickt der Zuschauer ins Seelenleben des schweigsamen Egger. Die Nähe zur Figur wird auch dadurch erzeugt, dass die Kamera Egger oft aus der Verfolger-Perspektive begleitet. Diese Perspektive ist jüngeren Zuschauern aus diversen Computerspielen bekannt und lässt uns nahe an den Helden heran. So sind wir bei ihm, wenn er schuftet, wandert, schleppt und trauert.

Durch die Perspektive sehen wir nicht nur ihn, sondern auch, worauf er blickt. Das ist häufig die beeindruckende Landschaft der Alpen, an denen sich weder Held noch Zuschauer sattsehen können. Die warmen Farben, die auch die positive Grundstimmung des Films prägen, kommen beim Blick in die Natur am deutlichsten zur Geltung.

Die Jahreszeiten verändern zwar immer wieder das Kleid der Natur, doch die Berge, auf die Egger blickt, bleiben dieselben. Anders verhält es sich mit dem Dorf, das sich über die Jahrzehnte in einen Touristenort verwandelt. Und mit Egger, dem der Zuschauer beim Altern zusieht und dabei nicht umhinkommt, an das eigene Altern zu denken.

Zurücklehnen und staunen

Egger wird im Film von drei Schauspielern dargestellt. Ivan Gustafik (heranwachsender Egger), Stefan Gorski (erwachsener Egger) und August Zirner (alter Egger) schaffen es, keinen Bruch entstehen zu lassen und den Charakter in seinen verschiedenen Lebensphasen immer glaubwürdig zu verkörpern.

Vor allem August Zirner trifft die melancholische Zufriedenheit des Andreas Egger perfekt. Am Ende blickt dieser erfüllt auf das, was er erleben durfte, und wehmütig auf das, was hätte sein können. Dem Zuschauer bleibt nichts anderes übrig, als zu staunen.

Der Film kommt am Donnerstag, 9. November, in die deutschen Kinos.

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