Gleich sein erster Film war ein riesiger Erfolg: Für "The Father" erhielt Regisseur und Autor Florian Zeller einen Oscar für das Beste adaptierte Drehbuch, und auch Hauptdarsteller Anthony Hopkins wurde zum zweiten Mal in seiner Karriere ein Goldjunge überreicht.

Ein Interview

Nun hat Zeller erneut ein eigenes Theaterstück für die Kinoleinwand adaptiert. Auch "The Son" zeigt Menschen in einer Krise: Ein Anwalt (Hugh Jackman) und seine Ex-Frau (Laura Dern) versuchen verzweifelt, ihren gemeinsamen Sohn, der an einer tiefen Depression leidet, zurück ins Leben zu holen.

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Im Gespräch erzählt Zeller, warum er Hugh Jackman die Hauptrolle gab und wie viel persönliches Schicksal in seinem Film steckt.

Herr Zeller, für "The Father" stand Antony Hopkins früh als Wunschbesetzung fest. Gilt das auch für Hugh Jackman in ihrem neuen Film "The Son"?

Nein. Ich schrieb das Drehbuch für "The Son", ohne jemanden für diese Rolle im Kopf zu haben. Und das war tatsächlich das erste Mal, denn bisher hatte ich für jedes meiner Stücke die Schauspieler im Kopf. Diesmal war es nicht so, und als ich gerade anfing, darüber nachzudenken, wer die Rolle übernehmen könnte, erhielt ich einen Brief von Hugh Jackman.

Er kannte das Theaterstück, er wusste, dass ich an einer Film-Adaption arbeitete und er hatte "The Father" gesehen, meinen ersten Film. Er schrieb mir, dass, falls ich schon in Kontakt mit einem anderen Schauspieler sei, ich diesen Brief vergessen sollte. Falls dem aber nicht so sei, bat er um 10 Minuten meiner Zeit und die Möglichkeit, mich von sich zu überzeugen. Ich war natürlich sowohl überrascht als auch gerührt von dem Brief. Ich meine, es war immerhin Hugh Jackman!

Also hatten wir ein Zoom-Meeting. Eigentlich sollte es ein lockeres Kennenlernen werden und ich wollte keine Entscheidung treffen. Aber nach wenigen Minuten des Gespräches habe ich ihm die Rolle angeboten. Es war gar nicht mal so sehr wegen dem, was er sagte, sondern vor allem wegen dem, was ich dabei fühlte!

Ich sprach nicht mit einem Schauspieler, der eine Rolle ergattern wollte, sondern mit einem Mann, der sich als Vater und auch als Sohn mit dem Stück verbunden fühlte. Und es war die beste Entscheidung! Denn es war so ein intensiver, erfreulicher und ehrlicher Prozess, mit ihm zu arbeiten. Er ist ein außergewöhnlicher Schauspieler, aber auch ein außergewöhnlicher Mensch. Und ich bin mehr als dankbar, dass wir die Gelegenheit hatten, miteinander zu arbeiten.

Der Erfolg des ersten Films ermöglichte erst "The Son"

Gleich Ihr erster Film war unglaublich erfolgreich. Ist das auch eine Last, oder vor allem ein "Türöffner"? Können Sie mit jedem Hollywood-Star arbeiten, den Sie möchten?

"The Father" hat zwei Oscars gewonnen, und in erster Linie hat es mir ermöglicht, "The Son" zu finanzieren. Anderenfalls hätte ich Probleme gehabt. Und für die Schauspieler muss es meiner Meinung nach in erster Linie Sinn ergeben, bei einem Projekt dabei zu sein. So war es nicht nur für Hugh Jackman, sondern auch für Laura Dern. Sie ist nicht nur eine großartige Schauspielerin, sondern auch Mutter. Sie weiß um die Krise der psychischen Gesundheit, durch die wir uns bewegen. So wollte auch sie ein Teil des Ganzen sein und etwas Wichtiges beitragen. Also hat sie ja gesagt.

Anthony Hopkins, der damals einen Oscar für die Hauptrolle gewann, ist auch diesmal, wenn auch nur in einem kleinen Part, dabei.

Wir haben zusammen "The Father" gedreht und es war eine sehr emotionale Reise, die uns verbunden hat. Wegen der Corona-Pandemie hatten wir nach Ende der Dreharbeiten keine Chance, uns wiederzutreffen. Deshalb schrieb ich diesen kleinen Part wirklich nur für ihn - und er war auch der Erste, der das Drehbuch zu lesen bekam. Es war toll, dass wir so die Chance hatten, uns bei den Dreharbeiten wiederzusehen.

Und außerdem kamen nach "The Father" viele Leute auf mich zu und fragten, ob er ok sei; ob er mit Demenz zu kämpfen hätte. Natürlich war er ok, er ist einfach ein fantastischer Schauspieler! Daher war es schön, diesmal das Gegenteil von "The Father" zu tun und ihn als geradezu grausamen Mann darzustellen, der die absolute Kontrolle über die Situation hat.

"Es gibt einfach zu viel Scham und Ignoranz um diese Themen"

Ihr erster Film war sehr persönlich, Sie mussten mit Demenz in der Familie umgehen. Gilt das auch für "The Son"? Gewidmet ist der Film Ihrem Sohn. Das berührt natürlich.

Das ist eine schwierige Frage. Einerseits ja, denn in Bezug auf Gefühle ist es eine Sache, die mir vertraut ist und es ist kein unbekanntes Terrain für mich. Das heißt aber natürlich nicht, dass es meine persönliche Geschichte ist. Aber leider doch etwas, das mir vertraut ist. Ich habe wirklich lange überlegt, ob es fair ist, den Film jemandem zu widmen. Aber es gibt einfach zu viel Scham und Ignoranz um diese Themen. Und das ist ja auch der Grund, warum ich überhaupt diesen Film gemacht habe. Also warum nicht der erste sein, der sich nicht schämt und der einfach versucht, so ehrlich zu sein wie möglich.

Nach Demenz widmen Sie sich mit Depression wieder einem schweren Thema. Der große Erfolg Ihrer Theaterstücke zeigt, dass das Publikum dafür sehr offen ist. Was sollen die Menschen aus "The Son" mitnehmen?

Schon während der Theater-Aufführungen wurde mir bewusst, dass so viele Menschen mit dieser Art von Schmerz und Angst umgehen müssen. So viele sind als Eltern in einer Situation, in der sie einfach nicht mehr wissen, was sie machen sollen. Man hat die besten Absichten, muss sich dennoch der harten Realität stellen, die mentale Probleme mit sich bringt. Es gibt so viel Ignoranz, aber auch Scham und Schuldgefühle.

Der Film soll die Möglichkeit schaffen, sich dem zu öffnen. Denn auch wenn er von einer großen Tragödie handelt, ist es doch eine Tragödie, die vielleicht zu verhindern wäre, wenn wir die richtigen Worte hätten. Wenn wir akzeptieren können, dass wir manchmal anderen nicht helfen können und dass dies trotzdem kein Scheitern ist. Dass wir manchmal um Hilfe bitten müssen. Je mehr wir darüber sprechen, umso mehr Menschen kann geholfen werden.

Außerdem soll der Film zeigen, dass man auch mit schweren Zeiten im Leben nicht allein ist. Es fühlt sich oft so an, als wäre man der einzige Mensch, der harte Zeiten erlebt. Ich glaube, das ist wirklich etwas, das Kunst leisten kann. Sie hilft, dass man sich daran erinnert, nicht allein zu sein; dass wir alle im selben Boot sitzen und wir als Menschen alle mit Schwierigkeiten zu kämpfen haben.

Gibt es Pläne für eine Verfilmung ihres Theaterstücks "The Mother"?

Das weiß ich noch nicht. Es ist natürlich verlockend, auch die Filme als eine Art Trilogie zu veröffentlichen. Aber ich weiß es wirklich noch nicht.

Vielen Dank für das Gespräch!

Zur Person: Florian Zeller ist ein französischer Schriftsteller und Filmregisseur. Sein Theaterstück "The Father" adaptierte er für die Kinoleinwand und führte auch Regie. Der Film wurde mit zwei Oscars und zahlreichen anderen Preisen ausgezeichnet. Auch seine zweite Regiearbeit, "The Son", ist nach einem eigenen Theaterstück entstanden.
"The Son" mit Hugh Jackman, Laura Dern, Vanessa Kirby, Zen McGrath, Anthony Hopkins startet am 26. Januar 2023 in den Kinos.

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