Österreich hat am letzten Tag der Ski-WM noch einmal seine Vormachtstellung in St. Moritz unterstrichen. Felix Neureuther verhinderte das komplette Debakel für den Deutschen Ski-Verband mit einem grandiosen zweiten Lauf.
Als alles vorbei war, die Sieger gekürt und die Fans auf den Rängen glückselig nach einem wieder einmal fulminanten Wettbewerb bei dieser sehr fulminanten Weltmeisterschaft, ergriff
Neureuther war der Überraschungsgast auf dem Podium, mit dem Deutschen hatte nach Platz zehn im ersten Lauf niemand mehr so richtig gerechnet. Neureuther war im Interview nach dem Rennen überwältigt von seinen Gefühlen und heulte wie ein Schlosshund im Gespräch mit der ARD.
Neureuther heult Glückstränen
"Es ist Wahnsinn. Es hätte nicht schlechter laufen können als vor dem Rennen. Ich wusste, dass ich sehr viel riskieren muss. Ich habe am Ende ein paar Schwünge nicht mehr so gut getroffen. Aber hey: Diese Medaille ist für die Miri (Gössner, Neureuthers Freundin, Anm. d. Red.), der es wirklich nicht so gut geht im Moment. Tut mir leid, normal bin ich nicht so ne Pussy und heul hier rum…"
Nun ist Neureuther gewiss keiner der kühlen Pragmatiker, sondern eher ein Bauchmensch. So einen emotionalen Ausbruch kennt man aber auch vom 32-Jährigen nicht. Es muss also einiges passiert sein in St. Moritz.
Da war die österreichische Dominanz, die vor den letzten drei Fahrern des zweiten Laufs sogar auf einen Vierfach-Triumph von Rot-Weiß-Rot hindeutete.
Ein ÖSV-Weltmeister stand also schon vor den letzten drei Fahrern fest. Dann verließ Matt und Schwarz aber die Courage. Beide fuhren zu sehr auf Sicherheit und schlitterten zurück auf die Plätze sechs und sieben. Angesichts der starken ersten Läufe der beiden eine Enttäuschung.
Für Hirscher ist das ganz normal
Besser machte es, wieder einmal, Hirscher. Der Salzburger fuhr wie auf Schienen seiner zweiten Goldmedaille entgegen und distanzierte Teamkollege Feller am Ende um 68 Hundertstel. "Das war perfekt! Ich habe mich sehr hart gespusht. Ich habe gewusst: WM, da schenkt dir keiner was. Dass sich das heute so ausgeht - Doppel-Weltmeister, Vize-Weltmeister um eine Hundertstel… Alles in allem war das eine grandiose Vorstellung", sagte Hirscher, der mit zwei Mal Gold und einer Silbermedaille auch der erfolgreichste Athlet der WM wurde.
Trotzdem nahm der Ausnahmefahrer den Triumph verhältnismäßig gelassen. "Es ist ein unvorstellbar schöner Tag. Aber mit dem Slalom von Schladming kann man aber nichts vergleichen. Sportlich ist es hoch zu bewerten, aber emotional hält es sich gegenüber Schladming relativ in Grenzen. Das ist eine normale WM, Schladming war Ausnahme-Zustand."
Deutlich gerührter ging es da schon bei Neureuther zu, der in St. Moritz sein erstes WM-Rennen vor 14 Jahren gefahren war und am Sonntag sehr wahrscheinlich auch das letzte. Nach einem zurückhaltenden, eher ängstlichen ersten Lauf im zweiten Durchgang kletterte er sensationell nach vorne.
Probleme mit dem Rücken und der Bindung
Der Deutsche erwischte zum ersten Mal bei der WM einen relativ unbeschwerten Lauf, auch wenn der Rücken immer noch schmerzte und ihm im letzten Streckenabschnitt ein Stück von der Bindung beinahe um die Ohren flog.
Am Ende reichte es fast schon sensationell noch zum dritten Platz und der Bronzemedaille, was angesichts seiner Form und der Begleitumstände mit der Verletzung ein überragendes Ergebnis war - welches das deutsche Debakel bei dieser WM zumindest etwas abmilderte.
Ohne eine einzige Medaille war der DSV zuletzt vor 14 Jahren geblieben, übrigens auch in St. Moritz damals. Diesen GAU verhinderte Neureuthers starker zweiter Lauf. "Die Medaille von Felix wird nicht übertünchen, dass wir etwas ändern müssen", sagte DSV-Chef Wolfgang Maier selbstkritisch.
Kristoffersen erneut schwer geschlagen
Henrik Kristoffersen, der fünffache Slalom-Sieger in dieser Saison und der große Dominator, fuhr in beiden Läufen viel zu verkrampft und ordnete sich zum dritten Mal bei dieser WM auf dem vierten Rang ein. Auch die hoch gehandelten Norweger schlossen damit eine enttäuschende Weltmeisterschaft fast schon "standesgemäß" ab.
Die Schweiz blieb ohne Medaille und wurde sogar schwer geschlagen. Reto Schmidiger wurde als bester Schweizer 16., Sensations-Kombi-Weltmeister Luca Aerni landete auf Platz 19.
Damit entschied Österreich auch die Medaillenwertung am Ende klar für sich. Neun Mal holten die ÖSV-Asse Edelmetall, die Schweiz sieben Mal. Im Weltcup lief es bisher nicht immer nach Wunsch für Österreich. Aber beim Saison-Höhepunkt war das Team jetzt auf den Punkt voll da.
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