- Die Olympia-Sponsoren bekommen im Zuge der Olympischen Winterspiele ihr Fett weg. Die Top-Geldgeber zahlen angeblich rund zwei Milliarden Dollar in vier Jahren.
- Sie sollen Stellung beziehen, wenn es zum Beispiel um Menschenrechtsverletzungen im Gastgeberland China geht. Doch die meisten Sponsoren ducken sich weg, so der Vorwurf.
- Augen zu und durch dürfte das Motto bei Allianz und Co. sein, in der Hoffnung, dass die positive Strahlkraft der künftigen Spiele die aktuelle Situation überstrahlt.
Eigentlich ist es eine Win-Win-Situation, ein "No-Brainer", wie man heute so schön sagt. Eine klare Sache also. Denn die Werte der Olympischen Spiele wie zum Beispiel Respekt, Freundschaft oder Leistung haben vom Grundsatz her eine positive Bedeutung.
Das Mega-Event Olympia verspricht Glamour, Prestige und sportliche Schlagzeilen. Also kleine und große Dramen, tolle Geschichten, Helden und Sieger – so die Idealvorstellung. Kein Wunder also, dass die 13 Top-Sponsoren der Spiele tief in die Tasche greifen, um sich im Licht des Großereignisses zu sonnen und sich für zwei Wochen auf der großen Bühne der Weltöffentlichkeit zu präsentieren.
Dazu gehören zum Beispiel Bridgestone, Coca-Cola, Intel oder Visa, aus Deutschland seit 2021 die Allianz. Eine dreistellige Millionensumme sollen die Top-Sponsoren auf den Tisch legen, bei dem deutschen Versicherer sollen es bis 2028 rund 400 Millionen Euro sein.
"Quartz", ein Portal für Wirtschaftsnachrichten, hat ausgerechnet, dass zwischen 2017 und 2020 durch die Top-Unterstützer angeblich rund zwei Milliarden Dollar in die Kassen des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gespült wurden. Für die vier Jahre von 2021 bis 2024 könnten es sogar drei Milliarden Dollar werden, schreibt das Portal.
Win-Win-Situation wird zur unangenehmen Lage
Viel Geld für einen aktuell allerdings etwas zweifelhaften Ertrag. Denn die Win-Win-Situation wird für die Sponsoren aufgrund der harschen Kritik an Gastgeber China zu einer unangenehmen Lage – denn auch Allianz und Co. stehen in der Kritik. Der Vorwurf: Sie würden sich wegducken, wenn es um ernste und kontroverse Themen wie die Menschenrechtslage im Gastgeberland gehe.
Sie könnten mit Aussagen, Statements oder Aktionen etwas bewirken oder bewegen, zumindest aber ein Zeichen setzen, ihren zweifellos vorhandenen Einfluss geltend machen. Stattdessen überwiegt das Schweigen, oder aber nichtssagende und schwammige Floskeln. In den USA beobachtet das Marktforschungsunternehmen Forrester laut CNN ein "auf den Kopf gestelltes Olympia". Es habe festgestellt, dass sich die Sponsoren "in ihr Schneckenhaus zurückgezogen haben". Wo sie früher damit geprahlt haben, Olympia-Sponsor zu sein, ist jetzt eher Zurückhaltung angesagt.
Olympia 2022: Kaum Antworten von den Top-Sponsoren
Der US-Sender CNN hat deshalb bei den Top-Sponsoren hinsichtlich der Kritik an China und der eigenen Rolle dabei nachgefragt. Viele haben gar nicht erst geantwortet. Atos, ein französisches IT-Unternehmen, erklärte, dass es sich "nicht zu Themen äußern" wird, die "über unsere Rolle als weltweiter IT-Partner hinausgehen", und dass es "zusätzlich zu unserem eigenen Ethik- und Compliance-Programm die IOC-Strategie zu den Menschenrechten in vollem Umfang einhält".
Der Schweizer Uhrenhersteller Omega antwortete, man wolle sich darauf konzentrieren, "sicherzustellen, dass jedes Ergebnis mit äußerster Präzision gemessen wird". Beim Chipkonzern Intel glaubt man nicht, "dass unser Sponsoring unser globales Engagement für Menschenrechte abwertet", sagte Intel-Manager Steve Rodgers.
Allianz antwortet - weicht aber aus
Die Allianz weicht laut "Tagesschau", angesprochen auf die Kritik, ebenfalls aus. "Für uns als IOC-Sponsor stehen die Werte der olympischen Bewegung - Exzellenz, Freundschaft und Respekt - sowie die Leistungen der Athleten an erster Stelle", heißt es in einer Mitteilung. "Deswegen stehen die Athleten im Mittelpunkt unserer Kampagnen und Programme."
Immerhin sollen sich laut CNN Allianz-Vertreter mit Aktivisten der von den Chinesen unterdrückten Minderheit der Uiguren getroffen haben. Der Konzern betonte in einem Statement, man erachte "den Dialog mit zivilgesellschaftlichen Organisationen als sehr wichtig". "Wir haben uns in den letzten Monaten mit [solchen Organisationen] über unser Sponsoring ausgetauscht und kennen ihre Erwartungen an Sponsoren". Ins Detail ging die Allianz nicht weiter.
Unangenehme Diskussionen und Fragen
Den Sponsoren gefallen diese Fragen und Diskussionen überhaupt nicht. "Sie wollen sich mit derlei im Grunde genommen nicht beschäftigen", sagte Dennis Trautwein, Managing Director der weltweit operierenden Agentur Octagon, bei n-tv. Als Sponsor müsse man sich bei so wichtigen Themen wie Menschenrechtsverletzungen "frühzeitig Gedanken machen, welche Position man beziehen will". Und diese dann "klar von Anfang bis Ende kommunizieren".
Die Diskussionen zu ignorieren, sei ein Fehler, sagte der Experte, der auf die Verantwortung verweist, die auch Sponsoren hätten: "Und dieser Verantwortung sollte man sich auch stellen als Sponsor, und klar Position beziehen."
Wirtschaftsethikerin: "Da herrscht immer eine extreme Kluft"
Die Wirtschaftsethikerin Alicia Hennig vom Internationalen Hochschulinstitut (IHI) Zittau ist von dem Verhalten der Sponsoren nicht überrascht. "Da herrscht immer eine extreme Kluft. Natürlich möchten sich Unternehmen immer gerne so darstellen, als seien sie alle super offen, divers et cetera, trallala", sagte sie der "Tagesschau".
Doch nur, weil sich ein Unternehmen nach außen offen darstelle, würde sie ihm das nicht hundertprozentig abnehmen, sagte sie: "Das Selbstbild und das Wunschbild, das nach außen getragen wird, muss nicht zwangsweise die Realität abbilden." Und wenn zu Menschenrechtsfragen bereits geschwiegen und abgeblockt wird, wie ist es dann um das gesamte soziale, gesellschaftliche und nachhaltige Engagement der Sponsoren bestellt? Kritiker stellen das schnell in Gänze in Frage. So oder so entsteht ein Schaden, sagt Guido Palazzo, Professor für Wirtschaftsethik an der Universität Lausanne, bei France24:
"Wenn sie sich zu den Menschenrechten in China äußern, riskieren sie, ihre chinesischen Kunden zu verärgern. Wenn sie es nicht tun, verärgern sie ihre europäischen und amerikanischen Kunden. Das wird ihrem Ruf auf die eine oder andere Weise schaden."
Hoffen auf die nächsten Spiele
Bei vielen Sponsoren dürfte wohl die Hoffnung mitspielen, dass die positiven Aspekte der langfristig angelegten Partnerschaft am Ende dann doch überwiegen. Nach dem Motto: Augen zu und durch. Denn die nächsten Sommerspiele finden 2024 in Paris statt, die nächsten Winterspiele 2026 in Mailand und Cortina d’Ampezzo, dann geht es 2028 zu den Sommerspielen nach Los Angeles. Kontroverse Diskussionen sind dann eher nicht zu erwarten. Dann schon eher die erhoffte Win-Win-Situation.
Verwendete Quellen:
- qz.com: Even under a dark cloud of Covid, brands can’t quit the Olympics
- cnn.com: Olympic sponsors paid big money for the Beijing Games. So where are all the ads?
- tagesschau.de: Olympia-Sponsoren in der Zwickmühle
- n-tv.de: Auch der deutsche Olympia-Geldgeber schweigt
- france24.com: Winter Olympics puts brands under pressure over rights abuses in China
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