Nach erster Enttäuschung blickt Alexandra Burghardt stolz auf ihre Leistung zurück. Zwar konnte sich die Sprinterin nicht für das Finale über 100 Meter qualifizieren, doch hat sie noch in der Staffel die Chance auf eine Medaille. Für unsere Redaktion schreibt die 27-Jährige exklusiv über ihre Erfahrung bei Olympia 2021. Dieses Mal unter anderem über das Leben im Olympischen Dorf und den Skandal um die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja.
Ich war im ersten Moment ein bisschen enttäuscht, im Halbfinale auszuscheiden, weil das Finale mein Ziel war. Doch mittlerweile bin ich sehr stolz auf meine Leistung. Denn ich denke, ich habe den besten Wettkampf meines Lebens abgeliefert. Es war zwar nicht meine persönliche Bestleistung, aber diese hatte ich auch mit recht viel Rückenwind aufgestellt.
Ich bin sehr stolz darauf, eine 11,07 gelaufen zu sein. Das ist deutschen Sprinterinnen bei Olympischen Spielen in der Vergangenheit nicht so oft gelungen. Und auch darauf, zu wissen, das internationale Sprint-Finals möglich sind für eine deutsche Sprinterin. Das wird für die nächsten Jahre mein Ziel bleiben.
Mir war im Vorfeld klar, dass ich für das Finale eine Zeit von unter 11 Sekunden brauche. Ich habe aber leider nicht das perfekte Rennen gehabt: Ich habe ein paar Fehler am Start gemacht. Da ist bestimmt noch eine Zehntelsekunde drin. Ich bin mir sicher, dass die 10 vor dem Komma bald kommen wird.
Ich habe mir hohe Ziele für die Olympischen Spiele gesteckt - ich finde es gut, dass man sich selbst nicht limitiert, nur um der Gefahr zu entgehen, anschließend sagen zu können, man habe seine Ziele erreicht.
Burghardt will mit der Staffel ins Finale - trotz prominenter Ausfälle
Ich kann aus meinem Sprint für die Staffel allerdings nicht so viel ableiten, da ich höchstwahrscheinlich nicht den Start laufe. Allerdings ist das noch nicht ganz sicher.
Der Start ist eigentlich meine Stärke, nur habe ich im Halbfinale meinen Oberkörper zu schnell aufgerichtet - und dann geht die Kraft nach oben und nicht nach vorne. In diesem Moment ist mir der Rest des Feldes einen Meter davon, das holt man dann auch nicht mehr ein. Man muss vom Start weg dabei sein im Feld. Hinten heraus habe ich mich aber gut geschlagen. Für die Staffel weiß ich aber nun, durchaus dazu in der Lage zu sein, einer Amerikanerin davonzulaufen. Dieses Wissen gibt mir Selbstbewusstsein.
Es ist zwar ultra-schade, dass Lisa Mayer und Lisa Nippgen so kurz vor dem Höhepunkt aus der Staffel ausgeschieden sind durch Verletzungen, allerdings muss man auch sagen, dass wir noch nie in so einer guten Breite aufgestellt waren. Wir hatten noch nie so viele Sprinterinnen, die so schnell waren wie in diesem Jahr. Wir haben tolle Ersatzläuferinnen, die fast genauso schnell laufen und auch Staffel-erfahren sind. Die Ausfälle wiegen deshalb gar nicht so schwer.
Unser Ziel, um die Medaillen mitzulaufen, ist gleich geblieben. Ich denke, die Chancen sind da, aber in der Staffel kann von Startverlust über Vorlaufausfall bis hin zur Goldmedaille alles passieren. Wir gehen es couragiert an, wissen, was wir können, wollen aber auch erst einmal die erste Runde überstehen und uns für das Finale qualifizieren. Dann werden die Karten wieder neu gemischt und dann sehen wir, wofür es reicht.
Tolle Stimmung im Olympischen Dorf
Unser Leben im Olympischen Dorf ist trotz der Corona-Pandemie sehr gut organisiert. Die Stimmung hier ist einfach cool. Man erfährt über die Sportartgrenzen hinaus Unterstützung und alle freuen sich für einen. Das "Team D" ist manchmal wie ein Finale. Wir haben zum Beispiel einen Empfang für die Medaillengewinner unten am Haus. Egal welche Medaillenfarbe ankommt: Es wird zusammen gefeiert.
Ich durfte mir auch die eine oder andere Medaille näher ansehen - die sind richtig schwer. Das ist einfach Gänsehaut. Der Traum wäre es, sich selbst auch eine umhängen zu dürfen.
Ich hätte sehr, sehr gerne Alexander Zverev bei seinem Goldmedaillengewinn gegen Novak Djokovic live im Stadion gesehen, doch war das nicht möglich, da wir bei anderen Sportarten nicht vor Ort dabei sein dürfen. Im Vorfeld der Olympischen Spiele wurde streng geregelt, in welchen Bereichen Japans wir uns aufhalten dürfen. Für uns Leichtathleten ist es nur das Olympische Dorf, das Stadion und das Wettkampfstadion der Leichtathleten. Deswegen konnte ich mir leider keine anderen Sportarten angucken, was ich gerne gemacht hätte.
Aber natürlich war ich bei jeder Gelegenheit im Stadion, wenn die leichtathletischen Kollegen an den Start gingen, um sie anzufeuern – unter anderem dann auch bei Malaika Mihambos Goldmedaillengewinn. Das hat mich riesig gefreut. Zwar sind keine Zuschauer erlaubt sind, was schade ist, doch merkt man, dass die Trainer, Betreuer und andere Athleten dafür in die Bresche sprengen. Es ist also trotzdem was los im Stadion, wir versuchen, uns gegenseitig alle zu unterstützen.
Burghardt: "Hoffe, Timanowskaja muss ihre Karriere nicht deswegen beenden"
Von dem Skandal um Kristina Timanowskaja habe ich auch mitbekommen. Wir erfahren von solchen Dinge meistens von anderen Team-Mitgliedern, die es irgendwo gelesen haben. Das verbreitet sich dann im Dorf. Explizit informiert wurden wir nicht. Ich hatte mich bereits gewundert, warum sie nicht bei den 200 Metern an den Start ging, aber dachte im ersten Moment, dass sie sich nicht dafür qualifiziert hat, wie ich zum Beispiel auch nicht. Aber relativ schnell habe ich dann erfahren, was ungefähr los ist.
Ich spreche allerdings kein russisch, kann Kyrillisch nicht lesen und weiß daher nicht genau, was sie in den sozialen Kanälen geschrieben hat, um welche Aussagen es genau geht. Aber es ist irre, dass sie jetzt vielleicht heimatlos wird. Ich hoffe, dass sie vorerst irgendwo unterkommt, wo sie sicher ist. Und womöglich auch gut trainieren kann, damit sie ihre Karriere deswegen nicht beenden muss. Ich hoffe, es geht gut aus für sie.
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