Er ist Doppel-Weltmeister und hat bei Olympischen Spielen schon zwei Silbermedaillen im Biathlon erringen können. Auch für Pyeongchang 2018 hat Erik Lesser große Ziele. Welche, hat er uns exklusiv im Interview verraten.

Ein Interview

Kommenden Freitag beginnen die Olympischen Winterspiele in Pyeongchang. Vor und während der Titelkämpfe wird Deutschlands Biathlon-Hoffnung Erik Lesser unserer Redaktion exklusiv seine Erfahrungen von vor Ort schildern.

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In einem ersten Gespräch erzählt der 29-Jährige von seinen Zielen in Südkorea, von der akuten Gefahr einer Computerspielsucht im olympischen Dorf - und er verrät, warum ihn der Austragungsort Pyeongchang "ein Stück weit traurig" macht.

Herr Lesser, das Warten hat bald ein Ende. Am Freitag beginnen die Olympischen Spiele in Pyeongchang. Was ist das Ungewöhnlichste, das Sie vor dem Flug nach Südkorea in Ihren Koffer gepackt haben?

Oh, da muss ich ganz kurz überlegen. Ich habe auf alle Fälle ziemlich viel Kram und Kleinzeug dabei. Eine Verlängerungsschnur könnte man vielleicht als ungewöhnlich bezeichnen. Und eine Verteilerdose.

Worauf freuen Sie sich bei Olympia besonders – von den Wettkämpfen mal abgesehen?

Wenn ich das mit Sotschi vergleiche – was ich da ein bisschen vermisst habe, war dieses große Ganze. Dass ganz viele Sportarten sich treffen und gemeinsam auf die Wettkämpfe warten. Das hatte ich davor immer gehört, dass das so etwas Tolles sein soll.

Ich glaube, das wird jetzt in Pyeongchang ganz cool. Weil ich auch durch meine Heimat Oberhof natürlich viele andere Athleten aus anderen Sportarten kenne. Das wird dann sicher ein anderes Miteinander, als es in Sotschi war.

Da hatten wir nur mit den Langläufern zu tun im olympischen Dorf. Jetzt haben wir neben den Langläufern auch die Kombinierer, Bobfahrer und Skispringer dabei.

Ich habe gelesen, dass Sie großen Wert auf Ernährung legen. Haben Sie Bedenken, was die lokale Küche angeht?

Eigentlich nicht. Ich lege zwar schon Wert darauf, dass es jetzt kein Fast Food oder Junk Food ist, aber sonst bin ich da sehr anpassungsfähig und esse gerne Reis – vielleicht mit irgendwelchen Currys. Sollte nicht allzu scharf sein, aber so wie das vergangenes Jahr zum Weltcup im Hotel gestaltet wurde, war das wirklich in Ordnung.

Ich glaube, es ist bestimmt auch eine Auflage vom IOC, dass man internationale Küche anbietet. Es gab zum Beispiel jeden Tag Pizza. Ich gehe mal davon aus, dass wir da gar nicht allzu sehr auf die koreanische Küche schielen müssen.

Auf Ihrer Homepage steht, dass …

Oh, die ist aber schon sehr veraltet.

Dann finden wir jetzt mal raus, ob diese Information noch aktuell ist.

Ok. Jetzt bin ich gespannt.

Sie haben geschrieben, dass Sie ein Quantum entfernt sind von einer Computerspielsucht.

(Lacht) Das stimmt tatsächlich. Also meine Nintendo Switch ist im Handgepäck mit dabei. Ich habe auch zwei Controller für FIFA-Spielchen, Mario Kart und so weiter.

Das heißt, ich gehe richtig in der Annahme, dass in den Zeiten zwischen den Wettkämpfen eigentlich hauptsächlich gezockt wird?

Ja. Das könnte man tatsächlich sagen. Viele würden sagen 'Wie unprofessionell ist das denn?' oder 'Der soll sich mal auf seinen Sport konzentrieren'. Aber für mich ist das ein guter Ausgleich neben den ganzen Trainingseinheiten und Wettkämpfen. Es gibt ja dann doch mal einige Stunden, wo man nichts macht und da hilft mir das ganz gut, runter zu kommen. Deshalb ist da die Switch auf alle Fälle immer ein guter Partner.

Mal ein ernsteres Thema: Hat Sie die konfliktgeladene Situation zwischen Nord- und Südkorea im Vorfeld belastet?

Wir haben uns im Team schon Gedanken gemacht. Und auch ich selber habe mir eine Meinung gebildet. Man war da schon ein Stück weit traurig, dass wir wieder in ein Krisengebiet fahren – wie schon Sotschi vor vier Jahren.

Eine richtige Angst gab es nie, aber es war schade, dass man nicht einfach mal zu Olympischen Spielen fahren kann, ohne sich über so ein Zeug Gedanken zu machen. In der Vorbereitung selber hat es mich aber nicht weiter gestört. Da muss man einfach so abgeklärt sein.

Olympische Spiele sind geplant. Ich kann daran sowieso nichts ändern. Ich muss es so nehmen, wie es kommt. Falls es in der Planung eine Änderung gegeben hätte, hätten IOC und DOSB sicher eine Meldung rausgegeben. Also muss ich mir da selber keine Gedanken machen, ob man da jetzt hinfährt oder nicht.

Ich bin natürlich froh, dass in den letzten zwei Monaten doch eine gehörige Portion Entspannung dazugekommen ist. Gerade, dass die Koreaner jetzt gemeinsam einlaufen, oder auch, dass sich Eishockeyspielerinnen aus Nord- und Südkorea zusammentun werden, entspannt die ganze Sache doch schon ein bisschen.

Schauen wir auf Sie persönlich. Im Gesamtweltcup "nur" Rang 16. Aber immer wieder Ausreißer nach oben – immerhin gab’s ja auch schon Podestplätze diesen Winter. Was haben Sie sich vorgenommen für Olympia?

Mein Ziel ist auf alle Fälle Staffel-Gold. Und in den Einzelrennen – vor Weihnachten war ich ja wirklich gut drauf. Laufen hat super gepasst. Und auch beim Schießen war ich trotz einiger Ausrutscher im Stehendanschlag mit meiner Performance ganz zufrieden.

Leider hat es mich dann zu Weihnachten mit einer Erkältung erwischt. Dann wieder in den Weltcup rein zu kommen, ist sehr schwierig. Das Vorbereitungscamp in Hochfilzen war aber wieder ganz gut.

Deshalb denke ich schon, dass ich in den Einzelwettbewerben konkurrenzfähig bin. Aber ob es dann wie vor vier Jahren zu einer Einzelmedaille reicht, ist schwierig zu sagen. Gerade auch, weil unser Feld bei den Männern extrem eng ist. Man darf sich an dem Tag, an dem es darauf ankommt, keine Fehler erlauben.

Letzte Frage: Wenn Sie sich eine Medaille aussuchen könnten … Gold mit der Staffel oder nach dem WM-Titel 2015 auch Olympia-Gold in der Verfolgung. Welche wäre Ihnen lieber und warum?

Hmm … (überlegt lange) Ich bin jetzt mal ein sozialer Mensch und sage, das Staffel-Gold würde mir mehr gefallen, weil das unserer Mannschaft das geben würde, was wir uns verdient haben.

In den fünf Jahren, seitdem ich dabei bin, waren wir immer irgendwie Gold-Aspirant, haben es aber abgesehen von Kontiolahti (Die deutsche Staffel holte dort 2015 WM-Gold, Anm. d. Red.) an den Tagen nie so richtig zusammengekriegt. Ich glaube, dass wir Gold jetzt einfach mal verdient haben.

Vor vier Jahren sind wir auf den letzten hundert Metern gescheitert. Ich hoffe, dass wir da ein bisschen Wiedergutmachung leisten können. Das komplette Team – auch inklusive Servicemännern und Trainern – ist in den letzten Jahren zusammengewachsen. Es wird jetzt Zeit, das auch mal mit Gold zu krönen.

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