Seit einigen Jahren schaffen es immer mehr Deutsche in die National Football League (NFL). Einen ungewöhnlichen Weg hat Julius Welschof genommen. Er hat erst vor gut zehn Jahren mit dem Sport angefangen. Bei den Pittsburgh Steelers kämpft er in den kommenden Monaten um einen Platz im Kader.
Julius Welschof ist schon jetzt nervös. Der 27-Jährige lebt bei den Pittsburgh Steelers im Moment seinen Traum von der NFL, doch eine Rampensau ist er nicht. Im Sommer wartet allerdings die große Bühne: Als sogenannter Rookie, als Spieler im ersten Jahr, muss er vor versammelter Mannschaft zum Einstand ein Lied zum Besten geben. "Das bin nicht wirklich ich, aber da muss ich durch", sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion.
Ein befreundeter NFL-Spieler hat ihm dazu geraten, dass er ein Lied nehmen soll, das jeder gut mitsingen kann. "Er sagte, dass ich einfach machen und mich voll reinhauen soll, und wenn man gut ist, dann singt das Team auch irgendwann mit. Vielleicht mache ich eine langsamere Ballade", sagt Welschof. Oder etwas von
Ungewöhnlicher Weg in die NFL
Doch klar: So ein Auftritt ist für Welschof das geringste Problem. Auch dass er als Neuling die Trainingsgerätschaften mit aufbauen oder dafür sorgen muss, dass die Superstars der Steelers wie sein Positionskollege T.J. Watt immer genug Snacks im Meeting-Raum zur Verfügung haben, gehört dazu. Welschof will es in die NFL schaffen, in die beste Football-Liga der Welt. Und der Vertrag als sogenannter "Undrafted Free Agent" bei den Steelers ist eine große Chance für ihn. Der 27-Jährige, der einen ungewöhnlichen Weg in Richtung NFL genommen hat, kann sich seit ein paar Wochen im Training zeigen.
Und auch wenn das USA-Abenteuer vor rund zehn Jahren als Austauschschüler begann – kneifen muss sich Welschof auch heute noch hin und wieder. "Wenn man zurückblickt, als ich das erste Mal in den USA war vor zehn Jahren und wie schnell die Zeit jetzt vergangen ist – es ist definitiv eine Zeit, die ich nicht missen möchte. Das ist die beste Zeit meines Lebens bis jetzt", sagte er.
Verrückt ist: Als er nach seinem Realschul-Abschluss in Jacksonville bei seiner Gastfamilie war, brachte ihn sein Gastvater, zu dem er heute noch einen regelmäßigen Kontakt pflegt, bei einem Workout im Garten auf die Idee, es mit Football zu versuchen. Kurz vor der Volljährigkeit mit dem Sport anzufangen ist ungewöhnlich, vor allem aber ist es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit, es mit einem so späten Start in die NFL zu schaffen. Und eigentlich war Welschof sowieso leidenschaftlicher Skifahrer.
Von den Rosenheim Rebels zu den Charlotte 49ers
Doch zurück in Deutschland fing er bei den Rosenheim Rebels an, ging zu den Munich Cowboys, legte eine steile Lernkurve hin und konnte sich wenig später, zurück in den USA, über ein internationales Programm als Defensive End für Colleges empfehlen. Auf einer Position in der Defensive eines NFL-Teams, mit der er eine Schlüsselrolle spielt, weil er den Quarterback unter Druck setzen, dazu aber auch Läufe und Pässe abwehren soll.
Der Sprung klappte 2018 tatsächlich. Zunächst spielte er für die Michigan Wolverines und lernte dort unter dem NFL-erprobten Head-Coach Jim Harbaugh. Sein letztes Jahr am College verbrachte er 2023 bei den Charlotte 49ers. Auch wenn er dort vom Pech verfolgt war, sich verletzte und fast die gesamte Saison verpasste, stand er bei einigen Teams auf dem Zettel.
Beim Draft im April, wo die NFL-Teams aus den Talenten des Landes auswählen, wurde sein Name nicht aufgerufen, dafür wurde er aber unmittelbar danach von den Steelers verpflichtet. Die überzeugten mit Hartnäckigkeit und einem Anruf vom General Manager Omar Khan und Trainer Mike Tomlin. "Die Steelers haben sich sehr bemüht. Da hat man gemerkt, dass sie mich wirklich wollten und nicht als Notlösung", sagte Welschof.
Und schon stand er inmitten der absoluten Topstars wie T.J. Watt, Alex Highsmith oder Russell Wilson. "Da ist man schon ein bisschen aufgeregt, weil man sich von seiner besten Seite zeigen will", so Welschof. Als Neuling stellte er sich selbst vor. "Als Deutscher hat man immer gute Gesprächsthemen. Es war sehr positiv, jeder ist sehr nett und sehr offen. Highsmith zum Beispiel war auch in Charlotte, deshalb ist er gleich, als er mich gesehen hat, zu mir hin und hat sich vorgestellt. Und mit T.J. habe ich mal beim Mittagessen einfach ein bisschen gequatscht", sagt Welschof.
Euphorie und Aufregung treiben ihn an, es ist ein ziemlicher Sprung vom College in die NFL, keine komplett andere, aber eine neue Welt, wenn man so will. Das große Ganze ist vor allem ein Business, an dessen Regeln und Nebenwirkungen man sich erst einmal gewöhnen muss. Komplett ins kalte Wasser geworfen wurde er allerdings auch nicht. "Aber man muss schauen, dass man am Ball bleibt", sagt Welschof: "Der Druck ist ziemlich hoch, die Erwartungen sind es auch". Denn es wird am Ende knallhart ausgesiebt: "Auf dem College geben sie dir Zeit, vor allem, wenn man aus Deutschland kommt, um sich an alles zu gewöhnen. Aber in der NFL wartet schon der Nächste, wenn es nicht reicht."
Doch Welschof erhält von seinen Coaches positives Feedback, er lernt schnell, setzt die Vorgaben umgehend um. "Die Trainer legen auch viel Wert darauf, dass man körperlich topfit ist. Dass man einen großen Willen zeigt, um es in das Team zu schaffen", so Welschof. Den zeigt er.
Es wird nun vor allem darauf ankommen, das Playbook zu lernen, also die Spielzüge. Und an der Technik zu feilen. "In der NFL ist jeder groß und stark und schnell, da kommt es dann nochmal wirklich auf die Technik an. Auf den Feinschliff, um auf ganz hohem Niveau mithalten zu können", sagt Welschof: "Es war bislang sehr intensiv, und man merkt auch, dass es jeder schaffen und es den Coaches zeigen will."
Der "Trick" mit den Special Teams
Welschof hat deshalb vorgesorgt. Bereits auf dem College hat er viel Wert darauf gelegt, nicht nur Defensive End zu spielen, sondern auch in den Special Teams eingesetzt werden zu können. Diese Spieler-Gruppe kommt für Kickoffs, Kickoff Returns, Punts und Punt Returns sowie Field Goals und Extrapunkte zum Einsatz. In der NFL kann es entscheidend sein für einen Kaderplatz, ob man Special Teams spielen kann oder nicht. "Das wird ein großer Fokus von mir sein, Special Teams auf jeder Position spielen zu können, um es dann eventuell in den aktiven Kader zu schaffen. Special Teams ist etwas, das am Ende ausschlaggebend sein kann", betont Welschof.
Hinzu kommt, dass er als internationaler Spieler den Steelers im sogenannten Practice Squad – einer Trainingsgruppe neben dem Hauptkader – keinen Platz wegnehmen würde. Ein Umstand, der ihm in die Karten spielt. So wäre er weiter nah dran und könnte während der Saison um eine Chance kämpfen. Das mache es einfacher, räumt er ein: "Ich weiß nicht, ob man sagen kann, dass deshalb ein bisschen Druck weg ist, aber es ist schon ein großer Vorteil, mit diesem Extra-Spot im Practice Squad."
So geht Welschof das Abenteuer NFL an
Einen Plan B, falls der Traum dann doch platzen sollte, hat er trotzdem schon einmal angeleiert. Da diente seine Verletzung auf dem College als Realitätscheck, wie schnell es in dem körperbetonten Sport vorbei sein kann. Man wolle nicht den Fokus auf Plan A verlieren oder schlechtes Karma auslösen, wenn man sich für einen Job bewerbe, sagte er. "Aber ich habe in den USA gelernt, dass viel über Netzwerke und Beziehungen geht. Das Netzwerk habe ich mir schon aufgebaut. Und wenn dann der Tag kommt, weiß ich, an welche Leute ich mich wenden kann, um ins Berufsleben einzusteigen."
Doch das Hauptziel, der große Traum, ist die NFL. Wie geht er das Abenteuer in den kommenden Monaten an? Schließlich geht es vor allem im Hochsommer rund, mit dem finalen Trainingslager, den Vorbereitungsspielen und der wegweisenden Zukunfts-Entscheidung, wenn die Tickets für den Kader vergeben werden.
"Ich schaue, dass ich die Zeit, die ich jetzt habe, nutze, um meinen Körper fit zu halten. Es hängt von mir ab, was ich dafür tue, um mich aufs Camp vorzubereiten", so Welschof, der auch mental an sich arbeiten will, dazu ist der Fokus auch auf das Playbook gerichtet. "Ich gehe es professionell an, Football ist der Fokus Nummer eins für mich. Es geht darum, dass die Vorbereitungen, die von meiner Seite getroffen werden können, zu 100 Prozent passen", sagte er.
Dazu gehört dann aber auch, noch das passende Lied zu finden. Da muss er durch. Ob er will oder nicht.
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