- Deutschlands Sport-Begeisterung und -Erfolge befinden sich in einem Abwärtstrend.
- Der Sportausschuss im Bundestag steht vor drei großen Herausforderungen, um den Sport in Deutschland wieder zum Leben zu erwecken.
- Milliarden-Investitionen wären nötig, um die größten Probleme zu lösen.
Deutschlands Sportwelt befindet sich in einem schwierigen Zustand. Noch nie gab es bei Olympia so wenig Medaillen für das deutsche Team, wie 2021 in Tokio. Gleichzeitig enthüllen immer mehr Studien, dass die deutsche Bevölkerung immer träger wird und dadurch die Zahl der Menschen mit gesundheitlichen Problemen steigt.
Erst unlängst enthüllte eine Untersuchung der DKV und der Deutschen Sporthochschule in Köln, dass nur etwa jeder neunte Bürger Deutschlands einen "rundum gesunden" Lebensstil führt.
Ein Organ, dass dieser ungesunden Entwicklung teilweise entgegensteuern könnte, ist der Sportausschuss des Bundestages. Dieser muss sich in der neuen Legislaturperiode aber mit zahlreichen Themen befassen, darunter drei großen Herausforderungen.
Eine erfolgreiche Olympia-Bewerbung Deutschlands hätte sicher auch positive Auswirkungen auf die Sport-Begeisterung in der Bevölkerung, doch zuletzt gab es in dieser Angelegenheit für den deutschen Sport keine Erfolgserlebnisse. Berlins Bewerbung 2000 war ein Desaster, Leipzig war im Jahr 2012 komplett chancenlos und in München (Winter 2022) und Hamburg (Sommer 2024) stimmte die Bevölkerung dagegen. Zuletzt bewarb sich die Rhein-Ruhr-Region für die Spiele 2032, obwohl das IOC bereits das australische Brisbane als klaren Favoriten auserkoren hatte.
Olympia in Deutschland könnte Sport helfen
Die neue Olympia-Hoffnung aus deutscher Sicht ist jetzt 2036. Ausgerechnet 100 Jahre nach den Nazispielen von Berlin, möchte sich die deutsche Hauptstadt erneut für die Olympia-Ausrichtung bewerben. Innensenator Andreas Geisel schlug dafür sogar eine gemeinsame Ausrichtung mit Tel Aviv vor. Dies sei "ein starkes Zeichen für Frieden und Völkerverständigung", meinte Geisel. Doch inzwischen ist von diesem Plan nichts mehr zu hören, da wohl Israel nicht über den Plan informiert war.
Fest steht aber, dass eine erfolgreiche Olympia-Bewerbung dem deutschen Sport aus der, durch Corona verschärften, Krise helfen würde. Denn in sämtlichen Olympia-Ausrichterländern der vergangenen Jahre wurde der Sport im Vorfeld mit Millionensummen gefördert. Dieses Geld würde nicht nur dem Spitzen-, sondern auch dem Jugend- und Breitensport zugutekommen. Schließlich geht es neben der Gewinnung von neuen Talenten auch um die Steigerung der Sportbegeisterung in der Bevölkerung.
Damit dies aber gelingt, würde es zunächst aber auch einmal helfen, die deutschen Sportstätten, die teilweise arg in die Jahre gekommen sind, zu sanieren. Der Deutsche Olympische Sportbund bezifferte in einer Studie aus dem Jahr 2018 den Sanierungsbedarf für Sportstätten auf 31 Milliarden Euro. Vor allem Sporthallen und Bäder wurden dort als Problempunkte ausgemacht. Der Zustand der Anlagen sei "ein zentraler Engpassfaktor der Sportentwicklung und beeinträchtigt die Lebensqualität vor Ort und den Schulsport", heißt es in dem DOSB-Schreiben.
31 Milliarden Euro Sanierungsbedarf für Sportstätten
2020 wurde von Seiten der Politik der "Investitionspakt Sportstätten 2020" als Neuauflage des "Goldenen Plan" angekündigt. Der Bund soll 150 Millionen Euro Euro für die Stärkung der Sportstätteninfrastruktur bereitgestellt haben. Ein kleiner Tropfen angesichts der DOSB-Schätzung von 31 Milliarden Euro an Sanierungsbedarf.
Eine weitere Problematik hat der Deutschlandchef der Internationalen Vereinigung Sport- und Freizeiteinrichtungen (IAKS), Robin Kähler, im Gespräch mit dem "Spiegel" erklärt. Statt Arenen für alle anzulegen, habe man zuletzt nur "Inseln" für wenige Profis gebaut, verschlossen für die Bürger, meist nur einseitig nutzbar. Sie dienten mehr den Profilierungswünschen der Städte, so Kähler, als den Menschen.
Nun soll im Rahmen eines Projekts der Hochschule Koblenz an einem Sportstättenatlas gearbeitet werden, um den Sanierungsbedarf endgültig zu ermitteln, da die Werte des DOSB "auf teilweise sehr groben und veralteten Schätzungen" beruhe, meint die Sportausschussvorsitzende Dagmar Freitag (SPD) im "Spiegel".
Missbrauchsfälle: "Athleten Deutschland" fordert Zentrum für sicheren Sport
Doch das wohl drängendste Thema des neuen Sportausschusses wird die Aufarbeitung der Missbrauchsfälle im Boxen, Schwimmen, Fechten sowie der Vorfälle im Turnen, die von einer Turnerin enthüllt wurden.
Helfen dabei könnte ein Zentrum für sicheren Sport, das all jenen, die von psychischer, physischer oder sexueller Gewalt betroffen sind, als Anlaufstelle dient. Die Athletenvereinigung "Athleten Deutschland" fordert genau eine solche Einrichtung, um bei den Sportlerinnen und Sportlern mehr Vertrauen zu gewinnen. Die bisherigen Ansprechpartner wurden nicht immer als vertrauenswürdig und unabhängig wahrgenommen. So sei einigen Fällen aus der Vergangenheit nicht immer nachgegangen worden, heißt es aus dem Athleten-Verbund.
Auch einige Parteien hatten die Einrichtung eines solchen Zentrums in ihrem Wahlprogramm stehen. Einzig der DOSB äußert sich noch verhalten zu diesem Vorschlag. Ein unabhängiges bundesweites Zentrum sei nicht die beste Lösung. Verbände und Vereine müssten, wie bisher, die Verantwortung selbst übernehmen, teilt der Dachverband in einer Stellungnahme im "Spiegel" mit.
USA als Positiv-Beispiel
Dass ein solches Zentrum aber durchaus wichtig ist, zeigen die USA. Dort wurde nach dem Missbrauchsskandal im Turnen um den Ex-Teamarzt Larry Nassar 2017 das Center for Safe Sport gegründet. Dieses verhängte bereits eine lebenslange Sperre für den ehemaligen Leiter des "Nike Oregon Projects" Alberto Salazar.
Der deutsche Sportaussschuss kann also in den kommenden vier Jahren wichtige Weichen stellen, hat aber auch hochbrisante Aufgaben vor der Brust, um das Ansehen des Sports in Deutschland auch in der breiten Masse wieder zu steigern.
Verwendete Quellen:
- Spiegel.de: Das sind die größten Aufgaben für den neuen Sportausschuss im Bundestag
- DKV-Report 2021: Wie gesund lebt Deutschland
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