Tore Aleksandersen ist Trainer des Volleyball-Bundesligisten Allianz MTV Stuttgart. Der Norweger hat Krebs im Endstadium. Trotzdem steht er weiterhin so oft es geht an der Bande. Am Wochenende gewann er mit seiner Mannschaft die Meisterschaft.

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Wie Tore Aleksandersen mit seinem Schicksal umgeht, ist beeindruckend. Der Norweger ist 55 Jahre alt und todkrank. Er hat Prostatakrebs im Endstadium. Doch aufgeben gilt nicht, verzagen erst recht nicht, geschweige denn in Selbstmitleid verfallen. Stattdessen ist er weiterhin Trainer der Volleyball-Frauen des Allianz MTV Stuttgart. "Man kann nichts ändern. Man kann sich hinsetzen und traurig sein oder nachdenken, was habe ich falsch gemacht, was hätte ich anders machen sollen. Aber das zählt nicht mehr. Man muss die Dinge annehmen, so wie sie sind, und dann versuchen, das Beste zu tun", sagte Aleksandersen dem SWR.

Er macht das Beste aus seiner Situation. Mit seiner Mannschaft die Meisterschaft gewinnen zum Beispiel. Am vergangenen Wochenende war das, mit ihm in der Halle, in der Kabine, an der Bande. "Wir haben die zweite Meisterschaft nacheinander gewonnen. Das bedeutet sehr viel", sagte er nach dem entscheidenden Sieg beim SC Potsdam. "Auf diese Leistung dürfen alle Spielerinnen, mein Trainer-Team, der Verein und die vielen Leute im Umfeld stolz sein", sagte er.

Ein emotionales Projekt

Die Tränen konnte er nicht zurückhalten. Warum sollte er auch? Alles an diesem Tag war emotional, genau wie das ganze Projekt in Stuttgart: Im Dezember 2020 hat er den Trainerposten übernommen. Da hatte er die Krebs-Diagnose bereits, doch die Stuttgarter wollten ihn trotzdem. Weil er der richtige Mann für den Job gewesen sei, sagt Sportdirektorin Kim Oszvald-Renkema. Auch Aleksandersen, der eigentlich dachte, seine Trainer-Karriere sei vorbei, wollte. Er spricht heute von einem "glücklichen Zufall".

Mit ihm holte Stuttgart bereits 2022 den Meistertitel, scheiterte zudem erst im Finale des europäischen CEV-Pokals. In dieser Saison war in der Champions League im Viertelfinale Schluss. "Er fordert sehr viel. Er ist sehr perfektionistisch. Das ist sicherlich der Grund, warum er viel Erfolg hat. Er kann eine Mannschaft gut führen. Er kann Ruhe bewahren in sehr hektischen Momenten, in großen Finals, wo wir alle unter Druck stehen und auch gestresst sind", sagte Oszvald-Renkema. Der Umgang Aleksandersens mit seiner Krankheit beeindruckt alle im Klub: "Er steht jeden Tag mit Freude in der Halle, er genießt das, was er macht. Das andere sieht man ihm nicht an. Das ist stark", so die Sportchefin.

"Zeigt, was er für ein Mensch ist"

Auch die Spielerinnen freuen sich mit ihrem Coach, genauso wie sie mit ihm leiden. "Ich finde es tatsächlich sehr beeindruckend, dass er immer noch so einen Ehrgeiz hat und immer noch auf alle Details achtet, die wir falsch machen, und er uns immer noch alles abverlangt", sagt Barbara Roxana Wezorke. Für Teamkollegin Marie Schölzel ist es "nicht selbstverständlich, in seiner Situation noch so weiterzumachen". Das "zeigt, was er für ein Mensch ist". Die Mannschaft hat einen Weg gefunden, mit der emotionalen Situation umzugehen. Für den Coach hat sie den finnischen Schlachtruf "Sisu" eingeführt, was Kraft oder Stärke bedeutet, oder auch Durchhaltevermögen. Was man auch nimmt, es passt auf den Trainer und sein Schicksal.

Aleksandersen lebt im Moment, genießt ihn, indem er so oft es geht bei der Mannschaft ist und mit ihr zusammenarbeitet. Ansonsten setzt er auf so viel Normalität wie möglich. "Ich versuche, meinen Kindern zu zeigen, dass ich krank, aber nicht krank bin. Irgendwann wird der Teufel kommen, aber bis dahin werde ich kämpfen und mich gegen ihn stellen", sagte der Norweger im Interview der "Süddeutschen Zeitung". "Klar könnte ich mir jeden Tag sagen, verdammt noch mal, wie schön wäre es, nur einen Monat meines alten Lebens zurückzuhaben. Einfach aufzuwachen mit dem Gefühl, voller Energie zu sein. Aber ich bin da sehr realistisch: Das ist jetzt mein Leben." Für ihn ist eines ganz wichtig: "Ich möchte nicht, dass die Leute Mitleid haben."

Mitleid haben sie in Stuttgart nicht, Team und Verantwortliche machen sich aber natürlich Sorgen. In den vergangenen Wochen ging es Aleksandersen schlechter, er hatte sich eine Lungenentzündung eingefangen, außerdem eine Immuntherapie begonnen. All das ist kräftezehrend, es macht müde. Das Coaching überließ er in den vergangenen Wochen seinem Co-Trainer Faruk Feray, auch auf die Reisen zu den Auswärtsspielen verzichtete er. Außerdem hat der Klub für die kommende Saison Konstantin Bitter von Schwarz-Weiß Erfurt verpflichtet. Der 33-Jährige ist als Chef- oder als Co-Trainer vorgesehen, abhängig von Aleksandersens Gesundheitszustand. "Ich glaube, man muss so ehrlich sein, dass wir momentan nicht planen können", sagt Oszvald-Renkema: "Seine Zukunft ist sehr unsicher. Wir hoffen mit ihm, dass die Therapie anschlägt."

Drei Jahre sind vorbei

Aleksandersen weiß, dass es nicht möglich ist, gesund zu werden, "aber man kann versuchen, die Krankheit so lange wie möglich in den Griff zu kriegen". Dafür lässt er sich regelmäßig an der Universität Tübingen von Spezialisten untersuchen. Dabei wurde zuletzt auch Darmkrebs bei ihm gefunden, dazu kommen Metastasen im Rückenmark und in den Lymphknoten. Er steckt das alles mit einer unglaublichen Ruhe weg, auch wenn die Realität schmerzhaft ist. "Der Krebs ist wie eine Schlange. Du weißt nie, wie es läuft", sagt er und verrät, dass die "durchschnittliche Lebenszeit" fünf Jahre betrage, "jetzt sind drei vorbei". Er wird wohl trotzdem weiter optimistisch und positiv bleiben. Denn sein Umgang mit der Krankheit war von Anfang an beeindruckend.

Verwendete Quellen:

  • SWR.de: Volleyball-Trainer Tore Aleksandersen: "Der Krebs ist wie eine Schlange"
  • Sueddeutsche.de: "So schnell werdet ihr mich nicht los"
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