- Ex-Welthandballer Daniel Stephan erklärt im Interview mit unserer Redaktion, warum der Viertelfinal-Einzug des DHB-Teams keine Überraschung ist.
- Zudem spricht er über die Leistungen von Juri Knorr und verrät, worauf es im Duell mit Frankreich ankommt.
Herr Stephan, die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat bislang fünf von sechs Spielen bei der Weltmeisterschaft gewonnen und trifft nun im Viertelfinale auf Frankreich. Wie bewerten Sie die bisherigen Leistungen?
Daniel Stephan: Die Mannschaft hat bislang sehr überzeugende Auftritte abgeliefert und wirkt auch gut eingestellt. Es macht mir große Freude, dem Team zuzuschauen und ich freue mich auf die Partie gegen Frankreich. Allerdings war das Viertelfinale bei dieser Auslosung fast Pflicht, denn lediglich Norwegen war Favorit gegen das deutsche Team. Ansonsten ging immer das DHB-Team als Favorit in die Partie. Daher ist es für mich keine Überraschung, dass sie die Runde der letzten Acht erreicht haben, auch wenn die spielerischen Auftritte der Mannschaft doch positiv überrascht haben. Das Team hält zusammen, wirkt eingespielt und es gibt eine mannschaftliche Geschlossenheit, die in der Vergangenheit nicht immer so gegeben war.
Welche Stärken zeichnen das deutsche Team bei der Weltmeisterschaft bislang aus?
Der deutsche Erfolg ist offensiv eng mit dem Namen Juri Knorr verknüpft, der mit seinen 22 Jahren schon extrem weit ist. Mit seiner Kaltschnäuzigkeit drückt er in der Offensive dem Spiel seinen Stempel auf. Es macht großen Spaß, ihm zuzuschauen. Er beherrscht das Spiel mit dem Kreisläufer, diktiert das Tempo, kann aber auch Würfe aus dem Nichts anbringen. Das ist alles sehr, sehr überzeugend. Und das Schöne ist, dass seine Entwicklung noch weitergehen wird. Insgesamt beeindruckt die mannschaftliche Geschlossenheit, die durch
Alfred Gislasson – der Erfolgscoach?
Wie sehen Sie den Hype um Knorr, der durch seine herausragenden Leistungen entstanden ist?
Natürlich sollte man ihn nicht dauerhaft in den Himmel loben, aber bei diesen Leistungen bleibt einem wenig anderes übrig, denn es ist schlichtweg eine Weltklasse-Leistung, die er abliefert. Natürlich wird bei ihm auch einmal ein schwächeres Spiel kommen, ich hoffe aber nicht, dass das ausgerechnet heute sein wird.
Welchen Anteil hat Bundestrainer Alfred Gislasson am Erfolg bei dieser WM?
Er hatte es seit seinem Amtsantritt durch Corona und zahlreiche Absagen für die Turniere sehr schwer gehabt. Punktuell gab es durch ihn einige Veränderungen, die schon gewirkt haben. Aber bei diesem Turnier funktioniert es als Gesamtpaket. Er hat die Mannschaft hervorragend auf die Spiele eingestellt, die Deckung stabilisiert und im Angriff neue Akzente gesetzt. Zudem hat Gislasson den Spielern Verantwortung übertragen. Die Mannschaft ist intakt und hat Spaß zusammen. Außerdem wirken sie sehr motiviert und fokussiert. An all diesen Faktoren hat der Bundestrainer einen großen Anteil.
Viertelfinale gegen Frankreich: Jetzt zählt's!
Worauf kommt es gegen Frankreich aus Ihrer Sicht an?
Die Abwehr hat sich im Laufe des Turniers bereits gesteigert und muss dieses Niveau auch heute Abend bringen. Dazu braucht es erneut eine starke Torhüterleistung. Bei den vergangenen Turnieren war auf diese in den Gruppenphasen Verlass, doch in den K.o.-Runden fiel das Niveau etwas ab. Das darf heute nicht passieren, um es nicht noch schwerer für das deutsche Team zu machen. Offensiv braucht es einfache Tore im Gegenstoß. Im Positionsspiel müssen die Spieler in die Tiefe gehen, wo es sicherlich auch schmerzhaft werden wird. Zudem braucht es Überzeugung, dass man Frankreich schlagen kann, die zwar als Favorit ins Spiel gehen; aber das deutsche Team ist in der Lage, solche Teams schlagen zu können.
Was zeichnet die Nationalmannschaft von Frankreich aus?
Sie haben eine der besten Abwehrreihen der Welt. Sie spielen dort sehr hart, am Rande des Erlaubten. In der Offensive haben sie einen vorzüglichen Gegenstoß und extrem starke Einzelkönner im Rückraum wie Dika Mem oder den 38-jährigen Nikola Karabatic. Zudem haben sie aufgrund ihrer zahlreichen Erfolge in den vergangenen Jahren mehr Erfahrung als die deutsche Mannschaft in solchen Spielen.
Wer ist Ihr Titel-Favorit unter den verbleibenden acht Teilnehmern?
Vor dem Turnier habe ich Dänemark, Frankreich und Schweden zu den Top-Anwärtern auf eine Medaille gezählt. Dänemark hat sich gegen Kroatien schwergetan, sonst aber sehr souverän gespielt. Daher sind sie gemeinsam mit Frankreich die Topfavoriten. Schweden traue ich aber aufgrund des Heimvorteils in der K.o.-Phase ebenfalls den Titel zu.
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