• Noch immer ist Homosexualität im Profifußball ein Tabuthema. In Deutschland wagte bislang kein aktiver Spieler ein Coming-out.
  • Im Rahmen einer Solidaritätskampagne ermuntern mehr als 800 Fußballerinnen und Fußballer ihre Kolleginnen und Kollegen, sich öffentlich zu ihrer sexuellen Orientierung zu bekennen.
  • Weltmeister Philipp Lahm aber äußert Bedenken.

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Mit einer öffentlichen Solidaritätsaktion haben mehr als 800 Fußballer und Fußballerinnen in Deutschland homosexuellen Spielern Unterstützung zugesichert und zum Coming-out ermuntert.

"Wir werden euch unterstützen und ermutigen und, falls notwendig, auch gegen Anfeindungen verteidigen. Denn ihr tut das Richtige, und wir sind auf eurer Seite", heißt es in dem Appell, den das Magazin "11 Freunde" in seiner jüngsten Ausgabe veröffentlicht.

Schwule Fußballer verstecken sich aus Angst vor Anfeindungen

"Auch im Jahr 2021 gibt es keinen einzigen offen homosexuellen Fußballer in den deutschen Profiligen der Männer", heißt es in der gemeinsamen Erklärung. "Die Angst, nach einem Coming-out angefeindet und ausgegrenzt zu werden und die Karriere als Profifußballer zu gefährden, ist offenbar immer noch so groß, dass schwule Fußballer glauben, ihre Sexualität verstecken zu müssen."

Zu den Unterzeichnern des Appells "Ihr könnt auf uns zählen!" gehören unter anderen Profis wie Max Kruse (1. FC Union Berlin), Niklas Stark (Hertha BSC), Jonas Hector (1. FC Köln), Bakery Jatta (Hamburger SV), die Nationalspielerinnen Almuth Schult und Alexandra Popp (VfL Wolfsburg) sowie ganze Mannschaften von Profiklubs.

Niemand solle zu einem Coming-out gedrängt werden, betonen die Unterzeichner. "Das ist die freie Entscheidung jedes Einzelnen. Aber wir wollen, dass sich jeder, der sich dafür entscheidet, unserer vollen Unterstützung und Solidarität sicher sein kann."

Als erster prominenter deutscher Fußballer hatte der frühere Nationalspieler Thomas Hitzlsperger sich 2014 nach Abschluss seiner aktiven Karriere dafür entschieden, öffentlich zu machen, dass er homosexuell ist.

Philipp Lahm: Thomas Hitzlsperger handelte "lebensklug"

Hitzlspergers einstiger Nationalmannschafts-Kollege Philipp Lahm hält es auch heute noch für die klügere Entscheidung, mit einem Coming-out bis nach dem Ende der Laufbahn zu warten. "Mir scheint es lebensklug, dass Thomas Hitzlsperger erst nach Beendigung seiner Laufbahn als aktiver Fußballprofi den Schritt gewagt und seine Homosexualität öffentlich gemacht hat", schreibt Lahm in seinem Buch "Das Spiel: Die Welt des Fußballs", aus dem die "Bild"-Zeitung (Mittwoch) vorab zitierte.

Lahms Meinung nach mag es Städte und Vereine geben, wo solch ein Coming-out eher möglich wäre als anderswo, zum Beispiel in Berlin, Freiburg oder beim Hamburger Stadtteilverein FC St. Pauli. "Aber gegenwärtig schienen mir die Chancen gering, so einen Versuch in der Bundesliga mit Erfolg zu wagen und nur halbwegs unbeschadet davonzukommen", schätzt Lahm die gesellschaftliche Gesamtsituation in Deutschland ein.

Lahm empfiehlt homosexuellen Fußballern, sich vor einem geplanten öffentlichen Coming-out mit engsten Vertrauten zu beraten, rät jedoch davon ab, sich über das Thema mit Mitspielern zu unterhalten.

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Grund für Lahms Ratschlag ist die nach seiner Meinung fehlende Akzeptanz sowohl im Fußball als auch im Umfeld. Der Sportler könne die nötige Reife für diesen Schritt haben und auf die nötige Toleranz in seinem unmittelbaren Umfeld stoßen. "Aber er wird nicht mit der gleichen Reife bei allen Gegnern im Sport und ganz sicher nicht in allen Stadien rechnen dürfen, in denen er antritt", schreibt Lahm.

Max Kruse mit Ansage an "Idioten da draußen"

Union Berlins Leistungsträger und Publikumsliebling Max Kruse vertritt diesbezüglich eine andere Meinung. "Wenn sich einer meiner Kollegen outen würde, würde ich ihn vor den Idioten draußen schützen", sagte der 32 Jahre alte Angreifer. Kruses Mannschaftskollege Christopher Trimmel unterstreicht dies: Wenn ein Mitspieler sich outen würde, "würde er von mir allen Support bekommen, den er benötigt".

Jonas Hector, Kapitän des 1. FC Köln, verwies auf die Charta des Kölner Bundesligisten, in der es heißt: "Herzlich willkommen in der schönsten Stadt Deutschlands - egal, woher du kommst, was du glaubst, was du hast oder bist, wie du lebst und wen du liebst." (dpa/hau)

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