Nach der Niederlage gegen Werder Bremen muss der FC Schalke 04 auch noch eine nachträgliche Sperre für Ozan Kabak befürchten. Denn dieser hatte in die Richtung eines Bremers gespuckt – wahrscheinlich unbeobachtet vom Schiedsrichterteam einschließlich VAR. Ob Kabak gezielt oder unbeabsichtigt gehandelt hat, wird nun entscheidend sein.
Nach 26 Minuten trug sich im Spiel zwischen dem FC Schalke 04 und Werder Bremen (1:3) etwas zu, das auf und neben dem Platz keinerlei nennenswerte Reaktionen hervorrief, später jedoch zur meistdiskutierten Szene des zweiten Spieltags wurde.
Zunächst brachte der Schalker Ozan Kabak seinen Gegenspieler Ludwig Augustinsson an der Seitenlinie zu Fall, ganz in der Nähe der Trainerbänke. Schiedsrichter Markus Schmidt entschied auf Freistoß für die Gäste und lag damit richtig.
Die Bremer hätten es außerdem gerne gehabt, wenn Kabak verwarnt worden wäre, schließlich war er recht ungestüm eingestiegen. Einen wirklichen Diskussionsbedarf gab es aber nicht, die Sache war rasch erledigt.
Als die Partie längst wieder lief, zeigte der live übertragende Sender Sky allerdings, dass Kabak nach dem Foulspiel in die Richtung von Augustinsson gespuckt hatte, der auf dem Boden lag.
Gezielt oder ziellos?
Geschah das gezielt, hätte es also eine Rote Karte geben müssen, wie nicht nur die Bremer fanden, sondern auch neutrale Beobachter wie Sky-Experte
Kabak selbst versicherte auf Twitter: "Es war keine Absicht, die Sicht von außen täuscht. Ich habe so etwas noch nie gemacht und werde es auch niemals tun, da es einfach unsportlich ist. Dies war sehr unglücklich. In jedem Fall Entschuldigung an Ludwig."
Es fällt schwer, die Beteuerung des Schalkers zu glauben, wenn man die Bilder sieht. Auch deshalb, weil er Augustinsson im Blick hatte und seine Spucke allem Anschein nach sogar auf dessen Kopf landete.
Der Referee schien den Vorfall aber nicht wahrgenommen zu haben, und auch der Video-Assistent griff nicht ein. Weil er die Szene zwar mitbekommen, das Spucken aber nicht als gezielt und damit nicht als feldverweiswürdig bewertet hatte? Das ist denkbar.
Hätte der VAR auch später eingreifen können?
Oder weil der Vorgang auch ihm entgangen war? Das ist wahrscheinlicher, denn ein Anspucken kommt selten vor, und anscheinend hatten es nicht einmal Augustinsson selbst oder die Bremer Bank bemerkt. Dem VAR könnte deshalb einfach der Anfangsverdacht gefehlt haben.
Falls genau das der Fall gewesen sein sollte: Hätte der Video-Assistent dann auch noch intervenieren können, wenn er das Spucken später doch noch entdeckt und als eindeutig absichtlich bewertet hätte?
Die Antwort lautet: Grundsätzlich ja. Denn bei groben Unsportlichkeiten – etwa einer Tätlichkeit, Anspucken, Beißen oder beleidigenden Gesten – darf der VAR laut dem Protokoll auch dann noch eingreifen, wenn das Spiel bereits fortgeführt wurde und das Vergehen erst danach ans Tageslicht gekommen ist.
Nur in diesem Ausnahmefall könnte nachträglich ein Feldverweis ausgesprochen werden. Ansonsten ist die Korrektur einer Entscheidung nicht mehr möglich, sobald der Ball nach einer Unterbrechung wieder im Spiel ist.
DFB-Kontrollausschuss will den Vorfall untersuchen
DFB-Cheflehrwart Lutz Wagner merkt allerdings an, dass der zeitliche Abstand zwischen dem Verstoß und der Meldung an den Schiedsrichter nicht zu groß sein sollte, weil sich ansonsten nur schwer vermitteln lasse, dass kein unzulässiger externer Einfluss auf den Video-Assistenten vorlag.
Bleibt die Frage zu klären, ob Ozan Kabak, der wenige Minuten vor Schluss mit Gelb-Rot vom Platz gestellt musste, nun nachträglich länger gesperrt werden kann. Die Voraussetzung dafür wäre, dass das gesamte Schiedsrichtergespann inklusive VAR das Spucken tatsächlich nicht bemerkt und damit auch nicht bewertet hat.
Denn nur dann läge keine unanfechtbare Tatsachenentscheidung vor, und der Kontrollausschuss des DFB könnte Ermittlungen aufnehmen, wenn er den Verdacht haben sollte, dass es hier hinter dem Rücken der Unparteiischen zu einer grob unsportlichen und damit feldverweiswürdigen Handlung gekommen ist.
Am Sonntagabend kündigte das Rechtsorgan jedenfalls auf Nachfrage des Sport-Informations-Dienstes (SID) an, die Angelegenheit zu untersuchen.
Was sonst noch wichtig war:
- Korrekt ging es dagegen in der Partie des 1. FSV Mainz 05 gegen den VfB Stuttgart (1:4) beim ersten Tor für die Gäste zu. Der Vorlagengeber Gonzalo Castro hatte bei der Balleroberung an der Mittellinie die Kugel zwar kurz mit dem Arm berührt, trotzdem zählte der Treffer zu Recht. Zum einen war der Ball dem Stuttgarter im Zweikampf mit Jeremiah St. Juste aus nächster Nähe an den normal gehaltenen Arm gesprungen. Zum anderen hatte Castro noch rund 30 Meter zurückgelegt, bevor er den Ball zu Silas Wamangituka spielte, der ihn schließlich ins Tor beförderte. Dadurch, dass der Ballkontakt mit dem Arm weit abseits des Tores geschah und bis zum Pass auf den Torschützen mehrere Sekunden vergingen, bestand kein unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Handspiel und der Torerzielung. Nur wenn diese Unmittelbarkeit gegeben ist, wird ein Handspiel auch dann geahndet, wenn es eigentlich vollkommen unbeabsichtigt und unvermeidbar war. Somit gab es weder für Schiedsrichter Daniel Schlager noch für den VAR einen Anlass einzugreifen.
- Mit einer Intervention aus Köln haben dagegen viele in der 72. Minute der Begegnung Hertha BSC – Eintracht Frankfurt (1:3) gerechnet: Der Berliner Matheus Cunha kam an der Seitenlinie gegen Martin Hinteregger einen Moment zu spät und traf den Frankfurter mit der offenen Sohle auf Höhe des Knies. Der Österreicher wurde behandelt, doch Schiedsrichter Bastian Dankert beließ es bei einer Verwarnung, und die Video-Assistentin hatte keinen Einwand. Was Cunha die Rote Karte ersparte, war wahrscheinlich, dass es nur einen kurzen Kontakt gab, sein Bein nicht ganz durchgestreckt war und er zudem nicht das – in solchen Fällen stärker verletzungsgefährdete – Standbein von Hinteregger traf, sondern dessen Schwungbein. Trotzdem sprach in diesem Fall so viel mehr für einen Platzverweis, dass die Gelbe Karte als klarer Fehler erscheint, der einen Eingriff hätte nach sich ziehen sollen.
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