Beim DFB-Bundestag überraschen die Delegierten womöglich sogar selbst damit, zu wie viel Änderung sie bereit sind. Nun müssen Worten verlässliche Taten folgen.
Vermutlich muss man den DFB-Bundestag von seinem Ende her erzählen, an dem feststeht: Rainer Koch ist nicht mehr Mitglied des Präsidiums. Diese Nachricht ist wohl überraschender als die Tatsache, wer dem Verband nun als neuer Präsident vorsteht: Bernd Neuendorf. Koch hat sich verzockt. Der Mann, der im DFB machtpolitisch alle um ihn herum Stürzenden immer wieder zu überleben schien, ist an der einen Person gescheitert, vor der er nicht entkommen kann – sich selbst.
Die Ansprache, mit der Koch den 44. DFB-Bundestag dazu aufforderte, jene, die nicht für ihn sind, sollten bestenfalls nicht mit abstimmen, war letztlich die eine Schleife zu viel. Das Raunen im Saal während seiner Rede war deutlich vernehmbar. Bei der Wahl um eine einfache Vizepräsidentschaft setzte sich Silke Sinning deutlich gegen Koch durch.
Lesen Sie auch: Der DFB und das "System Koch": Ex-Präsidenten fordern Abschied vom "Spaltpilz"
Insgesamt bestätigen die Wahlen die Sehnsucht auch der Delegierten nach einem Neuanfang. Natürlich ist der durch neue Köpfe alleine nicht garantiert, aber die Chance, dass der Verband sowohl nach innen als auch in der Außendarstellung wieder positiv an Kontur gewinnt, scheint mit den nun handelnden Personen wahrscheinlicher.
Bernd Neuendorf mit großer Mehrheit zum DFB-Präsidenten gewählt
In seiner Rede vor der Wahl hatte Bernd Neuendorf betont, er wolle dafür sorgen, dass der Verband zur Ruhe komme. Die Gelegenheit wurde ihm mit 193 Stimmen unerwartet deutlich gegeben, Gegenkandidat Peter Peters kam auf lediglich 50 Stimmen, ihm fehlte es also selbst im Profilager an Zustimmung.
Den Fußball wieder in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stellen, der gesellschaftlichen und politischen Bedeutung des Sports nachzukommen und ein Verband für alle zu sein, in dem Diversität gelebt wird, statt sie nur zu diskutieren, das sind zentrale Punkte dessen, was Bernd Neuendorf in seinem Amt angehen will. "Der DFB muss Kümmerer sein", betonte er.
In Sachen Diversität jedenfalls gewinnt das neue Präsidium schon mal gegenüber dem bisherigen, nicht nur, weil es endlich mehr als einen Daumen braucht, um die Frauen darin zu zählen. Zu ihnen gehören Célia Šašić als Vizepräsidentin für Diversität und Vielfalt und Sabine Mammitzsch als Vizepräsidentin für Frauen- und Mädchenfußball, beide aus dem "Team Neuendorf".
Stärkung der Frauen-Bundesliga
Angenommen wurde auch der Abänderungsantrag 54a, in welchem Leitplanken zur Stärkung der Frauen-Bundesliga formuliert sind und auf den sich der Ausschuss der Frauen-Bundesliga im Vorfeld geeinigt hatte. Somit ist vom Tisch, eine Deutsche Frauenfußball Liga zu gründen, stattdessen sollen erhöhte Wahrnehmung, finanzielle Kräftigung, die Stärkung der Marke und die Professionalisierung der Spielklassen innerhalb des DFB realisiert werden.
Der DFB steht vor großen Aufgaben, dabei muss er sich messen lassen an den wohlklingenden Worten im Vorfeld des Bundestages. Er muss ein Verband für alle werden und dafür in Sachen Diversität und Stärkung des Frauen- und Mädchenfußballs Worten verlässliche Taten folgen lassen.
Die Änderungen durch den 44. DFB-Bundestag sind lediglich ein Anfang, das immerhin sind sie aber. Es gibt einiges aufzuarbeiten, zugleich muss der Fokus nun in die Zukunft gehen. Es geht von dieser Plenarsitzung ein in der Deutlichkeit vielleicht überraschendes Signal zum Aufbruch aus. Diesen Schwung müssen die neuen Verantwortlichen nun mitnehmen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.