Knallrote Lippen und ganz viel Ballgefühl: Brasiliens Fußball-Weltstar Marta hat die WM nach einem Krimi gegen Gastgeber Frankreich verlassen, ihren wahren Kampf aber wird sie fortführen: gegen eine von Männern dominierte Welt.

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Ihr Weg in die Politik scheint vorgezeichnet: In Frankreich hat Brasiliens Ausnahmefußballerin Marta noch vornehmlich mit dem Ball geglänzt, aufgrund eines Werbevertrags mit einem weltbekannten Hersteller von Kosmetikprodukten aber auch mit ihrem Lippenstift - und nicht zuletzt mit ihren verbalen Botschaften.

Was ihr über die Lippen kam, war nicht immer nett, vor allem nicht nach dem 2:3 gegen die Australierinnen im zweiten Gruppenspiel. Das hatte mit den Entscheidungen des deutschen Video-Schiedsrichters Bastian Dankert zu tun.

Marta und ihre Kolleginnen liefern einen großen Kampf

Trotz dieser schmerzhaften Niederlage schafften es Marta und ihre Kolleginnen ins Achtelfinale und lieferten den frenetisch angefeuerten Gastgeberinnen aus Frankreich beim 1:2 nach Verlängerung einen großen Kampf.

Als er verloren war, weinte Marta. Sechsmal Weltfußballerin des Jahres, wird die 33-Jährige voraussichtlich nie Weltmeisterin werden.

Marta fand aber schnell Worte. Und die hatten nichts mit dem bitteren Ausscheiden zu tun. Was Marta in diesem Moment über die Lippen kam, geht über den Rahmen eines Fußballspiels oder einer WM weit hinaus.

Marta wendet sich an Brasiliens Frauen und Mädchen

Marta setzt ihren Status und ihre Bekanntheit vor allem daheim in Brasilien dafür ein, ihre Geschlechtsgenossinnen, speziell die jüngeren, aufzurütteln. "Queram mais!" ruft sie ihnen zu, sie sollen "mehr wollen", "mehr verlangen".

"Mehr verlangen" von einer Welt, die nicht nur in Brasilien Männer dominieren und die Frauen und Mädchen, ob sie gegen einen Ball treten oder nicht, weit verbreitet viel weniger bietet, als ihnen qua Menschenrecht und -würde zusteht.

Erstmals in der Geschichte des fußballverrückten Brasiliens, dass bei den Männern Rekord-Weltmeister, bei den Frauen aber - trotz Marta - weiterhin ohne WM-Titel ist, wird eine Weltmeisterschaft im frei empfangbaren Fernsehen gezeigt. Diese maximal mögliche Reichweite spielt Martas Mitteilungsbedürfnis in die Karten.

Brasilien entflammt für die Frauen-WM

Deren Ausscheiden gegen Frankreich verfolgten vor dem Fernsehschirm ebenso viele Fans wie das 5:0 der brasilianischen Männer bei der Copa America gegen Peru. Der Marktanteil beider Übertragungen lag in beiden Fällen bei 30 Prozent. Für den Frauenfußball ein sensationeller Wert.

Um für die Rechte von Männern zu demonstrieren und sie einzufordern, braucht es keine Fußball-Weltmeisterschaft. Bezüglich der Frauen sieht das anders aus. Noch immer werden sie von vielen Männern belächelt, sobald sie ein Trikot überstreifen und gegen einen Ball treten.

Die Sehbeteiligung in Brasilien - aber auch in Deutschland - beweist während der WM in Frankreich, dass die Zahl der Skeptiker sinkt.

"Temos uma Marta e um morto" hieß es bereits 2016 in Brasilien. Auf deutsch: "Wir haben eine Marta und einen Toten." Das Wortspiel bezog sich auf Marta und deren männliches Pendant Neymar. Von dessen Hang zu Glamour und Selbstverliebtheit sind sogar Teile von dessen Landsleuten genervt.

Cacau unterstützt Marta

Cacau, der Integrationsbeauftragte des DFB, der es als gebürtiger Brasilianer zum Stürmer der deutschen Nationalmannschaft brachte, riet Marta "ihr Ansehen und ihre Strahlkraft" direkt in der Heimat einzubringen.

Cacau indes reduziert den Bogen, den Marta gerne bis zu den Rechten der Frauen schlägt, auf die Bedingungen für den Frauenfußball in Brasilien: "Es bräuchte einen professionellen Ligabetrieb dort im Frauenfußball. Vereine und Verbände müssten erkennen, dass sie mehr tun müssen."

Viele Talente und Spielerinnen fänden dort keine professionellen Bedingungen vor. Sie müssen mehr gefördert werden: "Nur dann lassen sich jene Martas finden, die jetzt noch versteckt sind. Ich habe das Gefühl, sie kommen gar nicht zum Vorschein. Insofern ist Frankreich verdient weitergekommen, weil dort sehr viel für den Frauenfußball getan wird", sagte der 38-Jährige.

Brasiliens Verband hört Cacaus Botschaft, Brasiliens Mädchen die von Marta. Der Frauenfußball hat viel Unterstützung nötig, kann jedoch auch viel unterstützen, auch nach dem Abpfiff.

Das beweisen Martas Worte in Frankreich, die mehr sind als nur Lippenbekenntnisse. Keine - und keiner - hat bei einer WM häufiger getroffen als Marta. 17-mal. "Ich teile den Rekord mit allen, die für die Gleichberechtigung kämpfen", kommentierte sie.

Mit Material der dpa
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