Kevin Pannewitz galt einst als vielversprechendes Fußball-Talent. Trotz aller Möglichkeiten scheiterte er auf dem Weg in die Bundesliga unter anderem an Felix Magath und den eigenen Essgewohnheiten. Heute ist er mit sich im Reinen, will es mit 31 Jahren aber noch einmal wissen – im Mixed Martial Arts.

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Wenige Minuten dauert das Video nur, doch es ist alles drin. "Eye of the Tiger", die ikonische "Rocky"-Musik, zum Beispiel. Die ist in Sachen Kampfsport ja Pflicht. Motivation ist zudem zu spüren, der Wille, etwas Großes zu schaffen, ebenfalls. Ein bisschen Drama, ein bisschen Tamtam. Kevin Pannewitz kommt in dem Clip sofort auf den Punkt, stellt sich als das einst "größte Fußball-Talent Deutschlands" vor. "Ich sollte eigentlich im Nationalteam spielen. Leider ist dieser Traum zerplatzt, denn das Umfeld um mich herum hat mich sehr beeinflusst", fasst er seinen Werdegang kurz und knapp zusammen. Und treffend.

Denn Pannewitz ist ein perfektes Beispiel dafür, dass Talent allein dann doch nicht reicht, um es an die Spitze des Sports zu schaffen. Dabei standen ihm 2009 alle Türen offen, er hätte nur noch durchgehen müssen. Da hatte er mit 18 Jahren den Sprung in die erste Mannschaft von Hansa Rostock geschafft. 2. Bundesliga, das ersehnte Profi-Debüt, auf das er voll gesetzt hatte, nachdem er zuvor seine Ausbildung zum Sport- und Fitnesskaufmann abgebrochen hatte. Fußballerisch brachte er alles mit, was man benötigte. Doch er trat sein Talent in den Folgejahren buchstäblich mit Füßen.

Pannewitz: Die Disziplin fehlte

Denn was dem Defensiv-Allrounder fehlte, war Disziplin. In Nachtclubs war er ähnlich umtriebig unterwegs wie auf dem Platz. Die nächtlichen Eskapaden sorgten dafür, dass er in seiner zweiten Saison im Abstiegskampf beim Feiern fast von wütenden Fans verprügelt und vom Verein zwischenzeitlich sogar suspendiert wurde. Immer wieder hatte er auch mit Übergewicht zu kämpfen.

Dieser Kampf gegen den Kühlschrank, die Waage und sein Lieblingsgericht Kartoffelsuppe mit Würstchen bestimmte und prägte sein Leben, er entwickelte eine regelrechte Phobie gegen Waagen, aus Angst, nach einer Mahlzeit gleich mehrere Kilogramm zugelegt zu haben. "Ich war damals einfach zu unreif, um zu verstehen, dass ich mich als Profi so nicht benehmen kann", sagte Pannewitz in einem Interview mit Sport 1 rückblickend. "Ich kann heute damit leben und weiß, was ich falsch gemacht habe."

Wenn es so etwas wie einen Zeitpunkt gibt, den man nennen müsste, der dem Bundesliga-Traum den Stecker zog, war das wohl 2013. Im Sommer zuvor hatte ihn der VfL Wolfsburg verpflichtet, nachdem Pannewitz mit Hansa in die 3. Liga abgestiegen war. Wenn jemand das zu oft undisziplinierte Top-Talent in die Spur bekommt, dann wohl Felix Magath, der damalige "Wölfe"-Trainer. Dachten alle, auch Magath selbst. Doch weit gefehlt, "Quälix" erreichte bei dem faulen, aber auch sensiblen Pannewitz mit der ebenso alten wie harten und unerbittlichen Schule rund um Medizinbälle, Laufen und Schwitzen das Gegenteil.

"Magath war die Hölle in meinem Kopf"

"Felix Magath war die Hölle in meinem Kopf. Natürlich ist er Meister geworden und ist eine Persönlichkeit im Fußball, aber diese Zeit war eine psychische Belastung für mich", sagte Pannewitz. Es gab immer nur Training, Dauerläufe, Extrem-Belastung, Sondereinheiten, dafür aber null Spielpraxis und auch keine Gespräche. "Auf der psychologischen Ebene war es das Endlevel", so Pannewitz, der zwar fit wie nie, aber irgendwann "nur noch fertig" war "von seinen Methoden". Er ist davon überzeugt, dass er heute noch Profi wäre, hätte Magath ihn nur spielen lassen. "Aber das Leben ist so, wie es ist. Ich bin mit mir im Reinen", sagt er heute, räumt aber ein: "Ich bin unter Magath zerbrochen."

Eine Versetzung in die zweite Mannschaft half dem strauchelnden Talent auch nicht mehr, nach nur einem Jahr wurde sein Vertrag aufgelöst. Zu der Zeit verstarb seine Mutter mit nur 43 Jahren an Krebs. Für ihn ein größerer Schlag als alles, was er im Fußball erlebt hat. „Ich hätte jeden Moment als Profi liebend gern gegen das Leben meiner Mutter getauscht“, sagte er. Er selbst will das als Grund für sein Scheitern aber nicht gelten lassen. Er habe gegen sich selbst verloren, sagt er. Talent und Disziplin wollten einfach nicht zusammenkommen.

Hausmeister und Möbelpacker

Pannewitz tingelte fortan ein wenig ziellos umher, unterschrieb im Oktober 2013 beim Regionalligisten Goslarer SC 08, ehe er im Juli 2015 zur VSG Altglienicke nach Berlin in die 6. Liga wechselte. Im Juli 2016 ging es zum Oranienburger FC Eintracht in die Brandenburg Liga. Wenig schillernd, wenig glamourös, weit weg vom Profi-Fußball. Das Übergewicht war weiterhin der ständige Begleiter und die andauernde Erinnerung daran, was ihn daran hinderte, höher zu spielen. 125 Kilogramm brachte er inzwischen bei 1,85 Metern auf die Waage, arbeitete als Hausmeister und Möbelpacker, lebte mit Frau Jill und Sohn Milo in einer kleinen Wohnung.

Doch Pannewitz kam noch einmal zurück, quasi aus dem Nichts. Sein Schwager und Freund Timmy Thiele hatte ihm im Frühjahr 2017 ein Probetraining bei seinem damaligen Klub, dem Drittligisten Carl Zeiss Jena, verschafft. Pannewitz trainierte sich 30 Kilogramm runter und zurück in Profi-Form. Und schaffte tatsächlich noch einmal den Sprung. "Er hatte ein Sixpack - und zwar keines zum Tragen", sagte Thiele dem NDR.

Doch als Thiele zum 1. FC Kaiserslautern wechselte, ging wieder alles schief. "Ich war sein Anker", sagte Thiele, doch ohne den verlor Pannewitz den Fokus, leistete sich wieder Eskapaden, kam alkoholisiert zum Training und mit Übergewicht aus dem Urlaub zurück. Im Januar 2019 wurde er entlassen. Gegen den Klub erstritt er vor Gericht einen Vergleich, laut eigener Aussage waren die Türen durch die Art des Abgangs in Jena bis zur Regionalliga aber zu.

Weshalb es zurück in die Niederungen des deutschen Fußballs ging, zum Beispiel zum Kreisligisten FC Amed, mit dem er 2020 in die siebte Liga aufstieg. Als Reality-Star gewann er die RTL2-Show "Kampf der Realitystars - Schiffbruch am Traumstrand". Inzwischen ist er Bestandteil des Influencer-Projekts Delay Sports.

"Nicht schlimm, dass es so ist"

Auch wenn er seine zahlreichen Chancen im Profi-Sport nicht nutzte und viele Menschen enttäuschte, wie er selbst zugibt, habe er immer alles gegeben, betonte er: "Ich habe mich von niemandem kaputtmachen lassen." Seine Geschichte sorgte immer mal wieder für Schlagzeilen, noch heute wird sie gerne aufgegriffen, die Story vom schlampigen Genie, dem Skandal-Profi, dem verlorenen Talent, auch als Warnung für andere aufstrebende Jungstars. "Ich hätte mehrfacher Millionär sein können oder Nationalspieler, doch es ist nicht schlimm, dass es nicht so ist", sagte Pannewitz.

Doch auch wenn er mit sich im Reinen ist - eine Rechnung hat er immer noch offen, wie sein Video offenbart. "Jetzt möchte ich zeigen, wer ich wirklich bin und was ich kann, und das in der härtesten Sportart der Welt: MMA", kündigt er einen Kampf gegen Ex-Fußballprofi Martin Fenin im Rahmen von "Oktagon MMA", der größten Organisation von Mixed Martial Arts in Europa, an.

50 Kilogramm müssen runter

MMA wird in einem Käfig (Oktagon) ausgetragen, es ist eine Sportart bestehend unter anderem aus Boxen, Kickboxen, Ringen und Jiu Jitsu. Da kommen wirklich nur die Harten in den Garten, wie es so schön heißt. Pannewitz hat sich mal wieder sehr viel vorgenommen, seine Fans nimmt er auf seinem YouTube-Kanal mit. Auf dem Kanal von "Oktagon MMA" wo beide Kämpfer ebenfalls bei ihrer Vorbereitung begleitet werden, sagen ihm viele ein erneutes Scheitern voraus.

Doch er meint es offenbar so ernst wie nie, auch wenn es die x-te zweite Chance ist. Denn wenn er das Ganze abbrechen oder es nicht schaffen sollte, werde er sich dazu zwingen, das Tattoo von seiner Mutter wegmachen zu lassen, versprach er: "Bis September werde ich 50 Kilo verlieren und Martin Fenin im Käfig schlagen", kündigt Pannewitz an: "Ich werde allen und vor allem mir selbst zeigen, dass ich es schaffe, in acht Monaten 50 Kilo zu verlieren und ein Kämpfer zu werden." Wohl wissend, dass Talent allein auch diesmal ganz sicher nicht reichen wird.

Verwendte Quellen:

  • www.ndr.de: Kevin Pannewitz oder das Leben ist eine Achterbahnfahrt
  • www.sport1.de: Pannewitz: "Aktuell wiege ich 132 kg."
  • youtube.com: Kanal von Kevin Pannewitz
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