José Mourinho steckt mit dem FC Chelsea in einer schweren Krise. Trotzdem mimt der Coach den Unangreifbaren. Das System Mourinho basiert auf Konfrontation, das war schon immer so und hat ihn weit gebracht. Jetzt wird es ihm wohl zum Verhängnis.

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Es ist ja schick in diesen Wochen, Trainer mit Etiketten zu versehen, jeden für sich. Stefan Effenberg etwa, der als "Tiger" den SC Paderborn zu zähmen versucht, betitelte sich als "The New One". Das sollte originell sein oder wenigstens eine Anspielung auf Spezielle oder Normalos, also auf José Mourinho und Jürgen Klopp. Und weil alles so herrlich plakativ ist, kreierte der "Mirror" die neueste Schöpfung: "The Gone One". Gemeint war Mourinho.

Das Blatt musste sich alsbald korrigieren, denn der Coach des FC Chelsea wurde doch nicht gegangen - auch nicht nach der 1:3-Niederlage gegen Liverpool. Schlimmer noch als der Spott der Presse dürfte Mourinho freilich Klopps gut gemeinte Verbalmassage getroffen haben. "Natürlich fühle ich mit José", sagte der Ex-Borusse, und hätte Mourinho das mitbekommen, wäre seine Antwort wahrscheinlich gewesen, nichts antworten zu wollen.

Zuletzt übertrumpfte sich der Meister der Psychotricks selbst, sein Stakkato offenbarte mehr als jedes Referat, es war ein bizarres Kapitel der Interview-Kunst: "I have nothing to say", brummte er fünfmal, ein simples "No" viermal, und dass die Fans "not stupid" seien, presste er zweimal heraus.

Wie Zlatan Ibrahimović denken nicht alle

Sechs Niederlagen in elf Premier-League-Partien hat Chelsea angehäuft, Platz 15, ein Desaster. Ist Mourinho am Ende? Oder gaukelt er bloß etwas vor? Das ist immer schwer zu beurteilen bei diesem unergründlichen Typen. Sein Habitus hat ihm - unter anderem - acht nationale Meistertitel und zweimal die Champions League eingebracht, den Beinamen des Besonderen sowie die Unterwürfigkeit anderer Egozentriker. Zlatan Ibrahimović bekannte einst, dass er "bereit wäre für Mourinho zu sterben".

Doch die Magie scheint verflogen. Erst im Sommer verlängerte der 52-Jährige bei Chelsea bis 2019, zwei Monate später türmen sich dunkle Wolken. Der "BBC"-Journalist Garry Richardon will erfahren haben, dass sich die Stars auflehnen. "Ein Stammspieler hat kürzlich gesagt: 'Ich verliere lieber, als dass ich für Mourinho gewinne'", enthüllte Richardon bei "BBC 5 Live".

Über derlei Petitessen lächelt Mourinho zynisch hinweg, der Portugiese riskiert auch in der Krise kesse Lippe. "Wenn der Klub mich feuern will, muss er das tun. Feuert mich doch", blaffte er nach dem 1:3 gegen Southampton - und verfiel in einen dieser Arroganz-Anfälle, die seine Karriere umsäumen: "Wenn sie mich entlassen, feuern sie den besten Teammanager, den der Verein jemals hatte!"

Das Prunkstück patzt

Niemand ist gefeit vor seinen Launen, am wenigsten die Schiedsrichter und der Fußballverband. Bei der Pleite gegen West Ham wurde Mourinho, trotzig wie ein Schuljunge, schon zur Halbzeit auf die Tribüne verwiesen. Ein andermal bezichtigte er die Unparteiischen der "Angst", pro Chelsea zu pfeifen. Es hagelte 67.500 Euro Geldstrafe und, natürlich, den rhetorischen Konter: "Zum Glück muss ich keine Fußfessel tragen ..."

Das System Mourinho ist ein Konstrukt der Provokation und Konfrontation. Dumm nur, dass es die sportliche Schieflage nicht zu kaschieren vermag. Chelseas Einkaufspolitik (Pedro, Abdul Rahman Baba, Radamel Falcao) schlug fehl, Führungsfiguren wie John Terry, Branislav Ivanović, Cesc Fàbregas, Oscar oder Nemanja Matic durchlaufen Talsohlen, mit Torwart Thibaut Courtois fehlt der Rückhalt verletzt. Das eigentlich Bemerkenswerte: Die Verteidigung, per se die geweihte Zone von Mourinho-Mannschaften, ist nun die Achillesferse des Teams; die "Blues" kassierten bereits 22 Gegentore. Und "Mou" wirkt tatsächlich ratlos, weil der Trend anhält, egal, wie viel oder wenig er schimpft und zürnt und zetert.

Eine Woche respektive zwei Spiele Bewährung soll er erhalten, in der Champions League gegen Dynamo Kiew und in der Liga gegen Stoke City. Werden diese verloren, droht Mourinho das vorzeitige Aus. Doch Mitleid bräuchte man kaum haben. Denn laut englischen Medienberichten läge die Abfindung bei rund 50 Millionen Euro.

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