In Finnland ist der FC Kiffen aus der Hauptstadt Helsinki ein angesehener Traditionsverein. In Deutschland hat er seit kurzem eine Menge Fans in den sozialen Medien hinzugewonnen. Der offensichtliche Grund ist der Name.
Wenn es um die Frage nach der Legalisierung geht, hält sich Janne Wikman eher zurück. "Ich bin da neutral", antwortet er auf die Frage, wie er zu diesem Thema steht. Gut so, denn der Konsum von Cannabis ist in seinem Heimatland Finnland anders als in Deutschland weiterhin illegal. Auch wenn Wikman dabei betont, dass sein Verein schon immer ein alternativer Klub gewesen sei, offen und progressiv. Ein bisschen wie der FC St. Pauli von Finnland.
Dass Wikman als Vorsitzender eines Fußballvereins überhaupt solche Fragen beantworten muss, hat einen offensichtlichen Grund. Wikman ist Vorsitzender des FC Kiffen, einem Klub aus der finnischen Hauptstadt Helsinki. In den letzten Wochen hat der Verein im Internet zahlreiche Fans aus Deutschland hinzugewonnen. Das magische Schlüsselwort, wie Wikman sagt, ist dabei immer der Name.
Dass man in Deutschland bei ihrem Vereinsnamen nicht in erster Linie an das Gras des Fußballrasens denkt, ist beim FC Kiffen kein Geheimnis. "Wir wissen schon lange Zeit, was Kiffen auf Deutsch heißt", stellt Wikman klar und lacht dabei. Jedes Jahr verkaufte man um die zehn bis 15 Trikots nach Deutschland. Doch mehr wurde daraus bislang nie. "Wir wollten diese Verbindung nie herstellen, weil es in Deutschland illegal war und in Finnland immer noch ist", sagt Wikman. Doch in Deutschland änderte sich das in diesem Jahr - und damit auch ein bisschen die Haltung des Vereins.
Der Spruch, dass man sich seinen Namen nicht aussuchen kann, ist dabei im Fall des FC Kiffen eigentlich nicht ganz richtig. Denn eigentlich wurde der Klub im Jahr 1908 als Kronohagens IF gegründet, benannt nach Kronohagen, dem zentralen und ältesten Stadtteil der finnischen Hauptstadt Helsinki. Der Ursprungsname des Klubs ist schwedisch, nicht finnisch. Denn bis heute gibt es in Finnland eine bedeutende schwedischsprachige Minderheit, die zu jenen Zeiten noch größer und eigenständiger war.
FC Kiffen ist ein finnischer Traditionsverein
Der Kronohagens IF wollte als erster Klub der Stadt zu einer Heimat sowohl für finnischsprachige als auch schwedischsprachige Sportler werden - anders als die zuvor gegründeten HJK (finnisch) und HIFK (schwedisch). Die Fans des Vereins kürzten den Namen schnell zu KIF ab, bald war nur noch die Rede von "dem KIF" - oder übersetzt "KIF-en". Bis sich die Fußballabteilung auch offiziell den Namen FC Kiffen 08 gab.
Wikman weiß das alles, er kennt die Geschichte seines Klubs fast auswendig. Und die ist nicht gerade kurz: Der FC Kiffen zählt zu den großen Traditionsklubs Finnlands. In den 1910er-Jahren wurde KIF dreimal Fußballmeister, im Jahr 1955 folgte der vierte und letzte Titel. Auch die Heimstätte des Vereins riecht noch immer nach großer Fußballgeschichte: Im Schatten des Olympiastadions von Helsinki spielt der FC Kiffen im ältesten Fußballstadion des Landes und einem der wenigen echten Rasenplätze, die es in Finnland heute noch gibt.
Dazu konnten die Sportler von KIF in der Vergangenheit auch im Handball und Eishockey nationale Meisterschaften erringen. In den 1970er Jahren tauchten die Fußballer zum letzten Mal in der höchsten finnischen Liga auf, brachten mit einer bekannten finnischen Rockband als Edelfans Promiglanz in die Liga. Danach stürzte der Verein auch aus finanziellen Gründen ab. Heute spielt Kiffen in der vierten Liga, weiter als bis zum Aufstieg in die dritte Liga plant der Traditionsverein aktuell nicht. "Um weiter hochzukommen, brauchen wir einen Milliardär aus Abu Dhabi - oder einen aus Deutschland", lacht Wikman.
Klub sorgt in sozialen Medien für Furore
Ein guter Start ist da eine starke Fanbasis. So richtig gewachsen sei die ab dem 20. April 2024, erzählt der Vereinschef - am 4/20, wie er bei Cannabis-Konsumenten nach dem amerikanischen Datumsformat genannt wird. Es ist der Tag, den sich die Marihuana-Raucher weltweit zu ihrem Feiertag gemacht haben. In Deutschland stand er in diesem Jahr zum ersten Mal unter dem Zeichen der Legalisierung. Ein deutscher User stieß an diesem Tag auf den X-Account des Klubs und fragte unter einer Spielankündigung für den 20. April, was der Verein für den Tag geplant habe. Und der FC Kiffen antwortete auf Deutsch: "Kiffen und gewinnen."
Die Antwort wurde im Netz gefeiert, seitdem kommentieren zahlreiche deutsche Fans fleißig unter jedem der Social-Media-Beiträge des FC Kiffen. Und der Verein nimmt die ungewöhnlichen Fans gerne an. Denn sie bringen dem Verein Aufmerksamkeit und beträchtliche Merchandising-Einnahmen. "90 Prozent unserer Trikotverkäufe gehen nach Deutschland", sagt Wikman. Das Sondertrikot, das der FC Kiffen anbietet, ist dabei sogar so beliebt, dass der Verein beim Trikothersteller nachordern musste.
Dreistellige Trikotnummern finden großen Absatz
Wer dafür verantwortlich ist, weiß Wikman genau. Zwei Freiwillige sind es, die die Social-Media-Kanäle des Vereins betreuen und die Gunst der Stunde nutzten. "Unser Social-Media-Team ist sehr gut, sie sind ehrenamtlich aktiv, beide jung und lieben Fußball", sagt er. Er selbst hilft nur manchmal aus.
Mittlerweile postet der FC Kiffen die Spielberichte auch auf Deutsch, zur Wertschätzung der deutschsprachigen User, die sich unter jedem der Vereinsbeiträge in den Kommentaren tummeln. Besonders seine Kollegen legen Wert auf die perfekte Formulierung, er selbst gibt zu, dass es sprachlich nicht immer ganz korrekt sein könnte. "Ich hatte zwei Jahre deutsch in der Schule, aber das war vor 30 Jahren", sagt Wikman.
Aber nicht nur im Netz, auch drumherum ließ sich der Verein auf die neuen Fans ein. Der Vorsitzende sprach mit dem Trikotausrüster, weil viele Nutzer nach Trikots mit einer dreistelligen Rückennummer fragten. Jetzt kann man die Trikots auch mit der Nummer 420 auf dem Rücken kaufen.
Tausende von Followern sind in den letzten Wochen dazugekommen, zumindest im Internet kann der FC Kiffen längst mit größeren Vereinen aus Helsinki mithalten. "Unsere Posts hatten mehr Views als die von Erstligisten", erzählt Wikman stolz. Die Homepage zählte im Vergleich zum Vormonat das Zehnfache an Besuchern. Auch die finnischen Medien bemerkten bald, dass der FC Kiffen seine deutlich größeren Stadtrivalen im Netz in den Schatten stellte. Irgendwann rief der finnische Fernsehsender MTV beim Klub an und fragte nach, mehrere Tageszeitungen meldeten sich beim Klub. Wichtige Öffentlichkeit für einen Verein, der in der Liga normalerweise vor etwa 250 Zuschauern spielt.
FC Kiffen will sich nicht umbenennen
Dabei kam auch die Frage auf, wie man mit dem Namen in Zukunft umgehen sollte. "Ein schwedischsprachiges Medium fragte uns, ob wir unseren Namen ändern sollten, weil er jetzt mit Cannabis verbunden ist", erzählt Wikman, ohne zu verbergen, für wie unsinnig er den Vorschlag hält. "Ich habe geantwortet: Wir sind 116 Jahre alt. Als wir gegründet wurden, wusste in Deutschland niemand, was kiffen heißt, das Wort gab es im Deutschen noch gar nicht. Also warum sollten wir unseren traditionellen Namen ändern?" Nichtsdestotrotz weiß er auch, dass nicht jeder die Verbindung mit Cannabis-Konsum gutheißt. Auch bei Sponsorenverhandlungen ist der Name jetzt ein Thema.
Der FC Kiffen will aber weiterhin das neue Fanpotenzial nutzen, so gut es geht. Neue Fanartikel sind bereits geplant, auch Schals und Fischerhüte soll es bald geben. Insgeheim träumt Wikman sogar von einer Reise nach Deutschland, wie sie der Klub in seinen großen Zeiten in den 1950er Jahren tätigte und dort auf Werder Bremen traf. Am liebsten würde er seinen Klub dann auch gegen den FC St. Pauli spielen sehen. Ein Problem für die Reisepläne: Anders als in Deutschland wird in Finnland im Kalenderjahr gespielt, in der Sommerpause der deutschen Vereine muss Kiffen also zuhause in der Liga ran.
"Vielleicht will ja ein deutscher Verein im Sommer nach Helsinki reisen? Wir könnten dann im Oktober nach der Saison oder im Frühjahr kommen", schlägt Wikman deshalb vor. Dann gäbe es für die deutschen Fans des Vereins nur zwei wichtige Hinweise: Kiffen, das ist in Finnland weiterhin nur als Fußballverein erlaubt. Und im Stadion des Traditionsvereins herrscht auf den Tribünen eigentlich auch Rauchverbot.
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