Sowohl 2022 als auch 2023 war die deutsche Nationalmannschaft für die höchste TV-Quote des Jahres im Sportbereich verantwortlich. Dabei ließen die DFB-Frauen zweimal ihre männlichen Kollegen hinter sich. Aber wo gibt es bei der TV-Übertragung der Frauenfußballspiele noch Verbesserungsbedarf?
10,374 Millionen im Jahr 2023, überragende 17,952 Millionen im Jahr 2022. In den vergangenen beiden Jahren sorgte das deutsche Fußball-Nationalteam der Frauen jeweils für die höchsten TV-Zuschauerzahlen im Sportbereich. 2023 war es das WM-Spiel in der Gruppenphase gegen Kolumbien, das Deutschland mit 1:2 verloren hat. 2022 lockte das EM-Finale Deutschlands gegen England (1:2) die Fußballfans massenweise vor die Bildschirme.
Die Spiele der Männer, die nur 2022 an einem Turnier – der WM in Katar – teilnahmen, konnten da nicht mithalten. War es das jetzt also mit der Vormachtstellung des Männerfußballs?
Bestimmt noch nicht. Aber die Zahlen zeigen, dass sich doch immerhin etwas tut beim allgemeinen Interesse an Fußballspielen der DFB-Frauen. Und auch bei der Qualität der TV-Übertragung geht es aufwärts.
Dahinter steckt ein Prozess, der langsam über die Jahre Gestalt angenommen hat. "Die letzten, die noch nicht im Frauenfußball-Fieber waren, wurden mit dem EM-Finale in England im Sommer 2022 abgeholt", sagt Lili Engels im Gespräch mit unserer Redaktion. Sie ist deutsche Fernsehmoderatorin und Sportjournalistin. Seit September 2023 moderiert sie die Frauen-Bundesliga beim TV-Sender SPORT1.
Auch Medienexperte Michael Schaffrath von der Technischen Universität München sieht einen Wandel: "Der Frauenfußball hat zurzeit die größte mediale Resonanz, die er je hatte. Und das liegt primär an der Verbreitung der Spiele im frei empfangbaren Fernsehen, insbesondere durch ARD und ZDF, die den Frauenfußball auch adäquat präsentieren", sagt er auf Anfrage unserer Redaktion.
Die Frauen profitierten auch vom zuletzt schwachen Abschneiden der Männer
Die Frauen haben laut Engels in den vergangenen Jahren auch davon profitiert, dass die deutschen Männer Probleme hatten, das Land hinter sich zu bekommen und zu begeistern. Sowohl bei der WM 2018 (Vorrundenaus) als auch bei der EM 2021 (Achtelfinalaus) und der WM 2022 (Vorrundenaus) enttäuschte die Nationalmannschaft der Herren auf ganzer Linie und fiel damit bei vielen Fans in Ungnade. Die Frauen rund um Kapitänin
Aber auch der Ebene der Frauen-Bundesliga gibt es Fortschritte. Seit der laufenden Saison zeigt Engels' Sender Sport1 eine Partie pro Spieltag live im Free-TV, immer am Montag. Damit soll den Frauen eine alleinige Bühne gegeben werden an einem Tag, an dem in den Profi-Spielklassen der Männer der Ball nicht rollt.
Neue Spieltagsansetzung hat sich für die Frauen-Bundesliga gelohnt
Dieser neue Spieltag hat sich für die Frauen-Bundesliga aus medialer Sicht auch gelohnt. Sport1 kam bei seinen Live-Übertragungen im vergangenen Jahr auf einen Durchschnittswert von mehr als 200.000 Zuschauern und einen Marktanteil von 0,9 Prozent. Bis zur vorherigen Saison hatten die Free-TV-Rechte noch bei Eurosport gelegen, gespielt wurde am Freitagabend. Die durchschnittliche Reichweite der Live-Übertragungen lag damals nach Angaben des Spartensenders bei 106.000 Zuschauern. Die Begegnungen kamen auf einen Marktanteil von 0,4 Prozent im Schnitt.
Um an die Reichweiten der Männer-Bundesliga zu kommen, wird es laut Schaffrath aber "noch ein langer Weg für den Frauenfußball sein". Aber: "Je mehr Zuschauer sehen und erleben, dass auch Frauen attraktiven und auch erfolgreichen Fußball spielen, umso leichter wird es, Akzeptanz zu bekommen", sagt der Forscher.
Insgesamt wird der Sport laut Engels bereits präsenter. Bei der Münchner Allianz Arena etwa lächle einem auf einem Plakat nicht mehr nur ein Thomas Müller an, sondern auch eine Lea Schüller. "Man begegnet dem Frauenfußball immer mehr, ob man will oder nicht", sagt sie schmunzelnd.
Noch kein gleicher Standard erreicht
Doch perfekt läuft es im Rahmen der Bundesliga noch lange nicht. Verbesserungsmöglichkeiten sieht Engels bei der Anzahl der TV-Kameras in den Stadien. "Das Ziel sollte idealerweise sein, dass zukünftig bei den Produktionen bei Männern und Frauen die gleichen Standards erfüllt werden", fordert sie. Ein weiterer relevanter Aspekt bei der Zahl der Kameras, neben einer größeren Bilder-Vielfalt bei den Fernsehzuschauern, ist der VAR. Diesen gibt es in der Frauen-Bundesliga nach wie vor nicht.
Und wie soll es für den Frauenfußball in Deutschland weitergehen? "Insgesamt ist viel möglich", sagt Engels. Bei der Weiterentwicklung sei es allerdings wichtig, mit Bedacht vorzugehen. Den Frauenfußball mache die Nahbarkeit der Spielerinnen und die Authentizität aus. "Das kommt daher, dass die Frauen nach einem Spiel zu jedem Fan gehen können, der ein Autogramm oder ein Foto haben möchte", erklärt Engels.
Das Schwierige bei der Entwicklung des Frauenfußballs sei aktuell: "Zu überlegen, wie man diese Nahbarkeit erhalten und trotzdem den Sport weiter professionalisieren kann. Die Frauen spielen auch Fußball, um irgendwann auf der ganz großen Bühne zu spielen."
Ein ähnliches Problem sieht auch Schaffrath: "Gefahren sehe ich, wenn die Protagonistinnen im Frauenfußball zu schnell an der Kommerzialisierungsschraube drehen wollen." Zwar sei er ein vehementer Befürworter des sogenannten "Equal Pay". "Aber sollten weibliche Top-Spielerinnen glauben, sie könnten in wenigen Jahren so viel Geld verdienen wie männliche Durchschnittskicker und dies auch bei Vertragsverhandlungen mit ihren Klubs entsprechend einfordern, dann würden sie ihre Vereine überfordern", sagt Schaffrath.
Die Gehälter, die im Männerfußball gezahlt werden, seien ein Reflex hoher öffentlicher Reichweiten und großer medialer Präsenz. Bis der Frauenfußball dieses Niveau an öffentlicher und veröffentlichter Aufmerksamkeit außerhalb eines sportlichen Großereignisses kontinuierlich generieren könne, werde es laut Schaffrath dauern.
Neuer TV-Vertrag bringt den Bundesliga-Klubs deutlich mehr Geld
Engels traut dem Frauenfußball insgesamt viel zu. "Der neue TV-Vertrag war ein erster großer Schritt. Wir haben da gute Möglichkeiten, auch in der Übertragung." Der angesprochene TV-Vertrag macht sich auch finanziell bemerkbar.
Die Lizenzeinnahmen erhöhen sich laut DFB im Vergleich zur abgelaufenen Rechteperiode um das 16-fache und liegen nun bei jährlich 5,17 Millionen Euro brutto. Von diesem Betrag schüttet der DFB 90 Prozent an die Vereine aus. Jeder Klub, anders als in der Männer-Bundesliga, erhält den gleichen Anteil und darf sich über 388.000 Euro freuen.
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Im Vergleich zur Männer-Bundesliga mit mehr als einer Milliarde Euro pro Saison aus dem TV-Vertrag sind die Summen bei den Frauen aber doch noch bescheiden. Laut Engels dürfe man bei aller positiven Entwicklung nicht vergessen, dass insgesamt der größte Platz in der Gesellschaft vom Männerfußball eingenommen werde. Das betreffe nicht nur den Frauenfußball, sondern auch jede einzelne andere Sportart.
Bei allem derzeit stattfindenden Wandel im Frauenfußball ist laut Schaffrath aber vor allem eine Sache entscheidend: der Erfolg. Die hohen TV-Zuschauerzahlen "dokumentieren die zunehmende und eventbezogen auch hohe gesellschaftliche Akzeptanz für Frauenfußball", sagt er. Er erwartet allerdings Grenzen im weiteren Wachstum, "wenn Erfolge ausbleiben, insbesondere Erfolge bei internationalen Wettbewerben, denn die sind eine Art 'Reichweiten- und Akzeptanz-Lokomotive' für den nationalen Frauenfußball und daher unverzichtbar".
Über die Gesprächspartner
- Lili Engels ist eine deutsche Fernsehmoderatorin und Sportjournalistin. Seit September 2023 moderiert sie die Frauen-Bundesliga bei TV-Sender SPORT1.
- Prof. Dr. Michael Schaffrath leitet den Arbeitsbereich für Medien und Kommunikation am Department Health and Sport Sciences der Technischen Universität München. Die Forschungsschwerpunkte des Kommunikationswissenschaftlers sind Sportjournalismus, Sport-PR, Sport im Radio, Sportkommentierung im Fernsehen sowie Journalismus und Doping.
Verwendete Quellen
- Telefon-Interview mit Lili Engels
- Schriftliche Anfrage an Prof. Dr. Michael Schaffrath
- dfb.de: "So läuft die Google Pixel Frauen-Bundesliga künftig im TV"
- Mit Material von dpa und SID
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