Der FC Sevilla trägt einen klangvollen Namen, in der Champions League sind die Andalusier aber eine kleine Nummer. Der FC Bayern kann sich im Viertelfinale eigentlich nur selbst im Weg stehen.

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Auf einmal wurde es richtig laut in der Kantine an der Säbener Straße. Dort, wo die Bediensteten der Geschäftsstelle und bisweilen auch die Spieler in ruhiger Atmosphäre ihren Mittagstisch einnehmen, brandete auf einmal Jubel auf.

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Der FC Bayern München konnte sich auf sein sprichwörtliches Glück verlassen, als im fernen Nyon die Lose für das Viertelfinale der Champions League gezogen wurden.

Real Madrid oder der FC Barcelona waren möglich Gegner, ebenso das in dieser Saison überragende Manchester City oder Jürgen Klopps unberechenbarer FC Liverpool.

Die Bayern bekamen stattdessen den FC Sevilla, neben der Roma das kleinste Los und angesichts der Tatsache, dass die Münchener als Gruppenzweiter in die K.-o.-Runde eingezogen sind und es vor Sevilla mit Besiktas zu tun bekamen, ist das eine beinahe unverschämt glückliche Fügung des Schicksals.

Es gab mal eine Zeit, da war den Bayern das Glück nicht immer hold und alsbald forderte der Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge eine Setzliste für die K.-o.-Runde der Champions League. Es könne schließlich nicht sein, dass die Schwergewichte schon in Achtel- oder Viertelfinals aufeinandertreffen.

Nun, da die Bayern erneut ein vermeintlich leichtes Los gezogen haben, während sich der Rest - Juventus spielt gegen Real das Finale der letzten Saison nach, bei ManCity gegen Liverpool bleibt ein starker Kontrahent auf der Strecke - ist davon nicht mehr die Rede.

Die übliche Diplomatie

Stattdessen werden die Bayern in bester diplomatischer Manier nicht müde, vor dem FC Sevilla zu warnen. Vor einer Mannschaft, die zum ersten Mal überhaupt die Runde der besten Acht in der Königsklasse erreicht hat.

"Das ist keine einfache Mannschaft, sie haben Manchester United ausgeschaltet. Spanische Mannschaften spielen immer guten Fußball. Sevilla ist international erfahren, da muss man aufpassen. Keiner kommt ins Viertelfinale, der nicht richtig gut ist. Wir werden das nicht auf die leichte Schulter nehmen", sagt Sportdirektor Hasan Salihamidzic und steht damit stellvertretend für das, was der ganze Rest der Bayern-Familie nach der Auslosung von sich gab.

Nur Torhüter Sven Ulreich traute sich, den Gegner zwar zu respektieren, ihn aber auch nicht größer zu machen als er tatsächlich ist. "Es ist vermeintlich ein leichterer Gegner. Es waren schwerere Lose im Topf. Es ist eine Aufgabe, die machbar ist."

Natürlich trägt der FC Sevilla im europäischen Fußball einen klangvollen Namen. Die Andalusier holten in den vergangenen zwölf Jahren sagenhafte fünf Mal den UEFA-Pokal beziehungsweise die Europa League, zwischen 2014 und 2016 sogar drei Mal in Folge.

Das haben selbst die größten Klubs des Kontinents noch nie geschafft. Im Umkehrschluss sind die großen Erfolge aber auch gleichzeitig Ausdruck dafür, dass Sevilla für den Sprung ganz nach oben in den engen Zirkel der Besten noch einiges fehlt.

Wer jede Saison im Frühjahr in der Europa League spielt, hat in den Monaten davor zumindest weniger richtig gemacht als die ganz Großen der Szene.

Bewegte Monate für Sevilla

Natürlich ist die Konkurrenz in der spanischen Meisterschaft mit Real, Barca, Atlético Madrid und dem erstarkten FC Valencia groß und es ist schwer, sich über die Liga direkt für die Königsklasse zu qualifizieren.

Als Europa-League-Sieger rutschte Sevilla aber auch schon in die Champions League, verpennte dann aber die Gruppenphase und war vor Weihnachten stets ausgeschieden.

In dieser Saison ist das etwas anders. Das Weiterkommen im Achtelfinale gegen Manchester United ließ aufhorchen - zuvor reichte es in der Gruppenphase nur zu zwei Siegen aus sechs Spielen bei satten zwölf Gegentoren.

Allerdings erwischte Sevilla im Achtelfinale auch ein uninspiriertes, langweiliges United, das es in beiden Spielen sogar beherrschen konnte.

Die Mannschaft hat aufregende Monate hinter sich. Erst musste sich Trainer Eduardo Berizzo einer Prostatakrebsoperation unterziehen und fiel einige Wochen aus. Dann wurde der Argentinier kurz vor Weihnachten gefeuert, für ihn übernahm Vincenzo Montella.

Die erneute Qualifikation für die Champions League über die Liga ist nach schwachen Ergebnissen und mittlerweile schon elf Punkten Rückstand auf Platz vier nahezu ausgeschlossen, der Umweg Europa-League-Gewinn nicht mehr möglich.

Bleibt nur noch die Chance, als Champions-League-Sieger auch in der kommenden Saison wieder in der Königsklasse mitzumischen. Die Chancen dafür dürften aber gen Null tendieren.

Typisch spanischer Fußball

Sevilla spielt typisch spanischen Fußball, mit vielen Kurzpässen und technisch versierten Spielern gerade im Mittelfeld. Dort spielen mit Steven N'Zonzi, Ever Banega, Joaquin Correa, Pablo Sarabia oder Guido Pizarro ein paar echte Juwelen, die im internationalen Ranking weit unter dem Radar fliegen - als Gruppe für Sevilla aber unersetzlich sind.

Die beiden ehemaligen Schalker Johannes Geis und Sergio Escudero könnten den deutschen Fans ebenso noch bekannt sein wie der Däne Simon Kjaer, der einst für den VfL Wolfsburg aktiv war.

Einen echten Star gibt es in Montellas Mannschaft nicht. Jesus Navas hat nach einem Abstecher zu Manchester City wieder zu seinem Heimatklub gefunden, der Franzose Wissam Ben Yedder schoss mit seinem Doppelpack United aus dem Wettbewerb und erlangte zumindest kurzzeitig ein bisschen Aufmerksamkeit.

Ben Yedder hat bereits acht Tore im laufenden Wettbewerb erzielt. Allerdings ist er damit auch gleichzeitig der einzige Angreifer Sevillas, der in dieser Champions-League-Saison bisher getroffen hat. Das macht die Mannschaft in der Offensive ein gutes Stück berechenbar.

Unberechenbar sind dagegen die Fans in Sevilla. Das Ramon Sanchez Pizjuan ist das lauteste Stadion Spaniens. 45.000 Fans passen rein, die Sevillistas hinter dem Tor sind frenetisch und heißblütig.

Allerdings dürfte die gestählten Bayern auch eine besonders hitzige Atmosphäre nicht schocken, schließlich betonten die Spieler vor wenigen Tagen erst, dass sie nach den Erlebnissen in Istanbul nun nichts mehr aus der Ruhe bringen könnte.

Die Bayern gehen als turmhoher Favorit in die Partien gegen Sevilla. Das punktet zwar mit Leidenschaft und Mentalität, dürfte mit dem deutschen Rekordmeister spielerisch aber kaum mithalten können.

Die Bayern können sich nur selbst im Weg stehen auf ihrer Reise ins Halbfinale. Der FC Sevilla darf da nicht zum Stolperstein werden.

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