Christian Günter hat mit dem SC Freiburg den FC Bayern aus dem DFB-Pokal geschossen. Im Interview spricht der Kapitän über den sensationellen Sieg, die Freiburger Saisonziele sowie seine Erfahrungen aus der Nationalmannschaft.
Herr
Christian Günter: Immer noch sehr gut. Wir haben uns für eine richtig gute Leistung am Ende dann auch belohnt. Wir sind natürlich mit dem Bewusstsein nach München gefahren, dass es sehr schwierig werden wird - aber umso schöner, dass wir es geschafft haben. Jetzt freuen wir uns aufs Halbfinale.
Was hat in Ihren Augen am Ende den Ausschlag für den Sieg gegeben?
Wir hatten eine richtig gute Mischung aus sehr gutem Verteidigen und den Nadelstichen, die wir immer wieder gesetzt haben. Wir haben auch einige Standards rausgeholt, die immer wieder gefährlich wurden. So haben wir es geschafft, das Spiel bis zur letzten Minute offenzuhalten. Am Schluss war es dann der "Lucky Punch", da spielt dann natürlich auch das Glück eine gewisse Rolle. Wir freuen uns, dass wir uns für eine kämpferisch sehr gute Leistung belohnt haben.
Mal ehrlich, sind Sie wirklich mit der Zuversicht, dass Sie gewinnen, in das Spiel gegangen? Immerhin gab es zuvor keinen einzigen Sieg des SC Freiburg in München.
Bisher sind wir oft mit der Hoffnung hingefahren, dass wir alles auf den Platz bringen und den Bayern damit dann wehtun können. Seit ich dabei bin, haben wir das ein-, zweimal geschafft. Sonst waren es immer Spiele, die sehr schwierig waren wegen der enormen Qualität der Bayern.
Die Hoffnung war aber natürlich immer da und die war auch dieses Mal da. Diesmal war es aber auch durch den Trainerwechsel beim Gegner nicht ganz einfach. Da wussten wir, dass das nochmal Energie freisetzen kann. Nichtsdestotrotz haben wir während des Spiels immer daran geglaubt, dass wir weiterkommen können.
Im letzten Jahr stand Freiburg im DFB-Pokalfinale und unterlag dort RB Leipzig. Zählt in dieser Saison nur der Titel?
(lacht) Bis Berlin ist noch eine Partie zu spielen. Darüber brauchen wir jetzt eigentlich noch gar nicht zu sprechen. Es sind immer noch drei gute Mannschaften dabei mit Leipzig, Stuttgart und Frankfurt. Mal sehen, wen wir am Sonntag zugelost bekommen. Über das Finale können wir sprechen, wenn wir dann dort sind. Wenn man dann dort ist, will man natürlich auch gewinnen.
Günter über Freiburgs Saisonziele: Wollen "da vorne weiter mitmischen"
Nicht nur im Pokal, auch in der Bundesliga läuft es für Freiburg sehr gut. Aktuell stehen Sie auf Platz vier in der Tabelle. Mit welchen Zielen gehen Sie in den Saisonendspurt?
Das Ziel ist, dass wir da vorne weiter mitmischen und dass wir wieder die Chance haben, international zu spielen in der kommenden Saison. Dafür werden wir alles tun. Wir haben noch viele harte Spiele vor der Brust. Die Ausgangssituation für uns ist aber gut und wir wollen weiter dranbleiben.
Am kommenden Spieltag bekommen Sie es zu Hause ausgerechnet mit dem FC Bayern tun, zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage. Wie gehen Trainerteam und Mannschaft mit dieser besonderen Konstellation um?
Wir werden das Spiel in München analysieren und sehen, was wir noch besser machen müssen. Und dann ist es einfach wieder ein Bundesligaspiel, wie jedes andere auch. Gegen Bayern ist es aber natürlich besonders, weil die eine der besten Mannschaften Europas haben.
Wir wollen wieder versuchen, ihnen Paroli zu bieten und das Spiel lange offen zu halten und dann am Ende wieder was mitzunehmen. Wir wissen, dass - wie im vergangenen Spiel auch - vieles zusammenkommen muss. Dennoch gehen wir selbstbewusst in das Spiel.
In der Europa League sind Sie bis ins Achtelfinale gekommen, erst gegen Juventus Turin war Endstation. Wie haben Sie das Abenteuer Europa erlebt und wie die Spiele gegen diesen internationalen Top-Verein?
Das waren Erlebnisse, die man nicht mehr vergessen wird. Wir hatten immer viele Auswärtsfans dabei, das war dann immer eine ganz spezielle Stimmung. Es hat viel Spaß gemacht, in unterschiedlichen Ländern zu spielen gegen gute Vereine.
Juventus war natürlich das Highlight in dem Wettbewerb. Wir waren auch gar nicht so weit von einer Überraschung entfernt. Am Ende haben da Kleinigkeiten entschieden. Es war eine Wahnsinnserfahrung für den Verein insgesamt. Das gibt uns weiterhin die Motivation, in der Bundesliga Gas zu geben.
Lesen Sie auch: "Sehr schlecht gearbeitet": Kuranyi rechnet mit Bossen seiner beiden Ex-Klubs ab
Günter über seine Zukunftspläne: "Will mich da Stand jetzt auf nichts festlegen"
Seit Sie 13 Jahre alt sind, also seit fast 17 Jahren, sind Sie beim SC Freiburg. Haben Sie den Plan, in Zukunft auch nochmal bei einem anderen Verein zu spielen, oder bleiben Sie Ihre gesamte Karriere hier?
In den vielen Jahren habe ich einige Erfahrungen im Fußball gesammelt und ich weiß, wie schnelllebig das Geschäft ist. Ich will mich da Stand jetzt auf nichts festlegen. Ich bin schon so lange da, dass ich mir absolut vorstellen kann, meine Karriere hier zu beenden.
Aber im Fußball kann es schnell gehen. Vielleicht sagt auch der Verein in ein oder zwei Jahren, es wäre vielleicht besser, getrennte Wege zu gehen. Es kann einfach alles passieren, deswegen halte ich mir da alle Türen offen. Es wäre aber eine sehr schöne Sache, wenn ich hier meine Karriere beenden könnte.
Noch länger im Verein als Sie ist Christian Streich, seit Ende 2011 ist er der Cheftrainer. In der heutigen schnelllebigen Fußballwelt ist das eine Ausnahme. Warum passen der Trainer und der Verein so gut zusammen?
Weil sie die gleichen Dinge verkörpern, da zähle ich mich selbst auch dazu. Deswegen bin ich auch schon so lange da. Weil wir uns mit der Art und Weise, wie man miteinander umgeht und arbeitet, komplett identifizieren können. Der Trainer passt sehr gut hierher, ist menschlich herausragend und über seine sportliche Kompetenz muss man eigentlich gar nichts sagen. Da sprechen die Ergebnisse für sich.
Sie haben Ihr erstes Länderspiel für Deutschland am 13. Mai 2014 gegen Polen bestritten. Auf ihr zweites Länderspiel mussten Sie dann etwas über sieben Jahre warten. Haben Sie noch daran geglaubt, dass Sie nochmal eine Rolle im DFB-Team spielen werden?
Der Glaube war immer wieder da. Es geht darum, dass man konstant seine Leistung bringt. Das habe ich über zwei, drei Jahre hinweg auch immer wieder getan. Vor der EM 2021 wurde ich dann belohnt und durfte wieder dabei sein. Ab da war ich dann auch regelmäßig unter den Nominierten. Das war das Ergebnis von jahrelanger harter Arbeit. Ich habe mir nie den großen Druck gemacht, dass ich unbedingt dabei sein muss. Aber ich hatte es immer wieder im Hinterkopf, wenn die Leistung gestimmt hat.
Günter über das DFB-Team: "Der Kampf um die Plätze ist offen"
Wie sehen Sie Ihre aktuelle Rolle im Team?
Ich war jetzt bei den letzten beiden Malen dabei und habe dabei auch immer wieder meine Einsatzzeiten bekommen, wenn auch nicht bei der WM 2022. Es können nun mal nur elf Spieler von Anfang an spielen und nur fünf eingewechselt werden. Und dann gibt es natürlich Spieler, die keine oder wenig Einsatzzeit bekommen.
Im Verein sehe ich auch die andere Seite, da spiele ich sehr viel. Zu einer Mannschaft gehören einfach mehr Spieler, als die aus der Startaufstellung. So habe ich das auch akzeptiert. Der Kampf um die Plätze ist aber trotzdem ein Stück weit offen, würde ich sagen. Da muss man einfach Leistung bringen. Für mich ist es schon eine große Ehre, immer wieder dabei zu sein. Ich hoffe, dass wir uns als Mannschaft weiterentwickeln und verbessern. Das Ziel ist, dass wir wieder die Fans für die Nationalmannschaft begeistern.
Lesen Sie auch: Olaf Thon: "Das Debakel gegen Belgien bleibt haften"
Ist es nicht schwierig, sich nur alle paar Monate zu sehen und dann ein paar gemeinsame Trainingseinheiten und Spiele zu haben? Wie kann da eine funktionierende Mannschaft mit Teamgeist entstehen?
Ich finde, der Teamgeist war in den Jahren, in denen ich dabei bin, völlig in Ordnung. Die Stimmung war immer wieder gut. Das gute Ergebnis hat oft mal gefehlt. Dem Zuschauer ist wichtig, dass man viel Leidenschaft und Willen mit reinbringt und dass man sieht, dass wir die Spiele gewinnen wollen. Spielerische Qualität haben wir. Wir haben außergewöhnlich gute Spieler. Natürlich ist es nicht so einfach, wenn man sich nicht oft sieht, aber trotzdem ist das möglich. Das darf keine Ausrede sein.
Wie erklären Sie sich die in den letzten Jahren eher dürftigen Resultate der Nationalmannschaft? Muss man sich als Fan einfach daran gewöhnen, dass Deutschland derzeit nicht zu den Top-Nationen gehört?
Vom Personal her haben wir eine sehr gut besetzte Mannschaft und wir haben gegen gute Gegner auch schon gezeigt, dass wir mithalten können. Man kann, denke ich, nicht sagen, dass wir spielerisch komplett schlecht waren, es waren eher Kleinigkeiten, die über die Spiele entschieden haben.
Diese Dinge muss man analysieren und dann bin ich guter Dinge, dass wir auch bei den großen Turnieren immer wieder ein Wörtchen mitreden können. Es ist völlig normal, wie im Verein auch, dass es mal Zeiten gibt, in denen es nicht so gut läuft. Da geht es dann darum, zusammenzuhalten und diese Phase rumzubekommen.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.