Fabian Hürzeler wird den Bundesliga-Aufsteiger höchstwahrscheinlich verlassen und bei Brighton & Hove Albion anheuern. Bei dem Klub, der einst Pascal Groß entdeckt und Deniz Undav groß gemacht hat. Dass der Premier-League-Verein ausgerechnet auf Hürzeler kommt, ist kein Zufall.

Pit Gottschalk
Eine Kolumne
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Fragt man zehn Fußballfans in Deutschland, wie man Brighton & Hove Albion buchstabiert, wird man höchstwahrscheinlich zehn verschiedene Schreibweisen erfahren. Der englische Erstligist mit der Möwe im Wappen ist hierzulande so unbekannt wie unbedeutend, dass man aus dem Kopf nicht mal die letzte Platzierung in der Premier League nennen könnte (es ist Platz 11).

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Wie kommt ein junger Trainer von der Reeperbahn auf die Idee, dort anzuheuern? Fabian Hürzeler, geboren in Houston, Texas, hat beim FC St. Pauli, was man mit 31 Jahren in diesem Beruf kaum zu erhoffen wagt. Rückendeckung im Verein, freie Hand in der Mannschaftsaufstellung, ein gutes Gehalt und vor allem: Erfolg. St. Pauli ist im Mai in die Bundesliga aufgestiegen.

Der Reiz der Premier League

Hürzeler will trotzdem weg. Brighton & Hove Albion lockt nicht nur mit dem Glamour, den die Premier League mit ihren Supervereinen FC Liverpool und Manchester City verströmt, sondern auch mit einer Stange Geld - nicht allein fürs eigene Konto. Ein Trainer ist auf der Insel ein Manager und darf den Kader maßgeblich gestalten. St. Pauli dagegen betreibt Resteverwertung.

Man könnte die Frage zu Hürzeler auch umgekehrt stellen: Wie kommt Brighton & Hove Albion ausgerechnet auf einen Trainer, der zuletzt die 2. Liga in Deutschland aufgemischt hat? Das Wort „ausgerechnet“ verdient hier eine Betonung: Der Klub aus dem Süden Englands betreibt sein Fußballgeschäft mit Methoden, die man aus dem Baseball-Film „Moneyball“ (mit Brad Pitt) kennt.

Mit Mathematik zum Erfolg

Zahlen, Statistiken, Wahrscheinlichkeitsberechnung: In „Moneyball“ wird jeder einzelne Spieler in Excel-Tabellen zerlegt und erst gekauft, wenn die entscheidenden Werte eine Verbesserung des Kaders ankündigen. Brighton & Hove Albion macht's nicht viel anders. Der Klub gehört Tony Bloom, der mit der Berechnung von Poker-Prognosen zum Multimillionär aufstieg.

Sein mathematischer Ansatz führte dazu, dass sein zweiter Klub Royale Union Saint-Gilloise (Belgien) den späteren Nationalspieler Deniz Undav im Nirgendwo des deutschen Fußballs (beim SV Meppen) entdeckte, als noch kein Bundesligist Interesse zeigte, und ihn anschließend zu Brighton durchreichte.

Oder Pascal Groß, der 2017 vom FC Ingolstadt kam und ebenfalls Nationalspieler wurde. Niemand sonst hatte die zwei auf dem Zettel. Aber Statistiken ignorieren Leumund und persönliche Einschätzungen, weil jede Ballberührung, jeder Sprint und jeder Zweikampf Niederschlag in einem Mix aus absoluten Werten und Prozenten finden.

Vorzeitige Vertragsauflösung beim FC St. Pauli

Neu ist die Herangehensweise nicht. So stieß Borussia Dortmund vor Jahren auf Shinji Kagawa in der zweiten japanischen Liga. „Fußball ist keine Mathematik“, sagte Bayern-Boss Rummenigge einmal. So kann man sich täuschen. Man muss das Bewertungsverfahren nur konsequent durchziehen. Wie bei Victor Boniface, heute Torjäger beim Deutschen Meister Bayer Leverkusen.

Er hatte gerade einen Kreuzbandriss überstanden und eine bescheidene Torquote beim FK Bodo/Glimt in Norwegen vorzuweisen, als das Brighton-System bei ihm anschlug. Aber nicht dort, sondern beim schon erwähnten Bloom-Klub Royale Union Saint-Gilloise. Er stieg dort zum Top-Torjäger der Europa League auf, bevor ihn Bayer holte.

So geht das ständig bei Tony Booms Klubs. Und irgendetwas Besonderes muss das System bei Fabian Hürzeler ausgespuckt haben. Laufwege, Raumordnung, Strafraumbeherrschung, irgendwas. Jedenfalls lässt sich der Klub die vorzeitige Vertragsauflösung beim FC St. Pauli ein hübsches Sümmchen kosten. Für Laptop-Trainer muss Brighton das Paradies bedeuten.

Über den Autor

  • Pit Gottschalk ist Journalist, Buchautor und ehemaliger Chefredakteur von SPORT1. Seinen kostenlosen Fußball-Newsletter Fever Pit'ch erhalten Sie hier.
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