Die Meisterschaft ist längst klar, in der Königsklasse schwinden die Reihen der ganz großen Gegner: Die Bayern steuern offenbar entschlossen dem Dreifachtriumph entgegen. Es spricht einiges für den ganz großen Wurf - es lauert aber auch noch mindestens ein Stolperstein.

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Schön war das nicht gerade, was die Bayern in den beiden Viertelfinalspielen gegen den FC Sevilla gezeigt haben. Aber wer will schon in Schönheit sterben? Sollen das doch die anderen machen, Manchester City, Barca, selbst Juventus. Aber doch nicht die Bayern. Die Viertelfinalspiele der Champions League haben zwei Dinge gezeigt: Auch die größten Teams des Planeten können in 90 Minuten gehörig eingehen.

Juventus im Hinspiel, Real Madrid im Rückspiel. ManCity ist beim 0:3 in Liverpool von einer Dampfwalze überrollt worden, die Roma hatte sich beim 1:4 im Camp Nou mit zwei Eigentoren quasi selbst geschlagen - um dann eine Woche später das größte Wunder seiner Vereinsgeschichte zu basteln. Es war ein Spektakel und ein Chaos auf Europas Plätzen. Nur in Sevilla und in München wurde vergleichsweise nüchterner Ergebnisfußball kredenzt.

"Wir haben Qualität und Biss"

"Dieses Champions-League-Zeugs hat viele Zutaten. Mal gucken, wer am Ende die Suppe kocht", sagte Thomas Müller nach dem 0:0 gegen Sevilla, das die Bayern sicher ins Halbfinale brachte.

Müller ist wie Arjen Robben, Franck Ribery und David Alaba der Spieler im Kader, der die glorreiche jüngere Champions-League-Vergangenheit der Bayern geprägt hat, vom Finaleinzug 2010 bis jetzt, wo die Bayern schon wieder dicht davor stehen, ins Endspiel des Wettbewerbs einzuziehen.

Müller könnte Parallelen ziehen zwischen diesen Mannschaften, den Van-Gaal-Bayern, die gegen Inter verloren oder den Heynckes-Bayern beim dramatischen Finale dahoam oder jenen Heynckes-Bayern von Wembley.

Die sind letztlich die Referenzgröße für alles, was da noch möglich ist in dieser Saison. Nicht nur, weil Jupp Heynckes wieder auf der Trainerbank sitzt. Sondern weil die Chancen auf ein erneutes Triple offenbar so günstig stehen wie noch nie.

"Wir wissen, was wir können. Und wir wissen auch, was die anderen können. Das sehe ich ganz nüchtern und realistisch. Wir haben die Qualität und auch den nötigen Biss, um ganz weit zu kommen", sagt Müller und spricht damit als einer der wenigen offen aus, was insgeheim alle denken.

Die Voraussetzungen scheinen wie gemalt für die Bayern. Die vermeintlich ganz großen Brocken haben sich in der Champions League verabschiedet, bis auf Real Madrid natürlich. Die sind als Titelverteidiger automatisch der Maßstab.

Der FC Liverpool ist brandgefährlich, aber in zwei Spielen absolut schlagbar. Und die Roma? Darf bei allem Respekt vor der großen Leistung der Mannschaft für die Bayern auf dem Weg in ein Finale kein Stolperstein sein.

Gute Mischung, volle Leistungsfähigkeit

Heynckes hat es tatsächlich geschafft, seine Mannschaft auf der einen Seite konzentriert und professionell ihr Pensum abspulen zu lassen, so dass der sportliche Erfolg nie gefährdet war.

Und auf der anderen Seite die Spieler jetzt in der entscheidenden Phase gesund und spielfit beieinander zu haben, sieht man mal von Manuel Neuer und Kingsley Coman ab, die beide in der Schlussphase der Saison noch wichtig werden könnten.

Das ist für die Top-Klubs in Europa Saison für Saison die große Herausforderung: Wenn im Frühjahr die Titel vergeben werden, schert sich niemand mehr um ein paar Spiele im Oktober oder November. Dann müssen die Teams auf der Höhe ihres Schaffens sein. Und das sind die Bayern offenbar.

Das Gros des Teams weiß, wie sich ein Champions-League-Sieg anfühlt. Der 2013er-Stamm ist noch groß genug, um dem Rest davon zu erzählen wie das ist, am Ende den Henkelpott in die Luft zu stemmen. Mats Hummels, Joshua Kimmich, Robert Lewandowski und natürlich Arturo Vidal kennen dieses Gefühl noch nicht. Vielleicht werden sie am Ende zu den entscheidenden Triebfedern. Die Mischung aus Erfahrung und dem unbedingten Antrieb, in dieser Saison Großes zu schaffen, ist bei den Bayern jedenfalls ziemlich beeindruckend.

Dazu kommen ein paar Spieler, die gerade in der Königsklasse noch gar nicht gezeigt haben, wie gefährlich sie sein können. Arjen Robben ist so einer. Immer dabei, immer gut, aber (noch) nicht der so genannte Gamechanger, also einer, der ein Spiel ganz alleine entscheiden kann.

Thiago fliegt noch ein wenig unterm Radar, James ist auf seine ganz spezielle Weise unberechenbar. Die Bayern sind schwer auszurechnen, insgesamt neun verschiedene Torschützen gab es in den bisher erst zehn Spielen in der Königsklasse, darunter gleich drei Verteidiger.

Bei Real spitzt sich vieles auf den übermächtigen Ronaldo zu, in Rom ist Edin Dzeko der Spieler für die besonderen Momente, Liverpool lebt in der Offensive fast ausschließlich von seinem Dreigestirn Firmino, Mane und Salah.

Vorsicht vor Leverkusen

Das Triple wird gerne als Bezugspunkt hergenommen und alles danach ausgerichtet und bewertet. Wie abenteuerlich diese Herangehensweise aber ist, zeigt allein schon die Geschichte: In gut 60 Jahren Europapokalgeschichte haben es selbst die großen Bayern nur ein einziges Mal geschafft, in einer Saison die drei wichtigsten Titel zu gewinnen. Das Triple ist also die äußerst seltene Ausnahme und schon gar nicht die Regel.

Umso bemerkenswerter ist es, dass sich dem Klub nun schon wieder die Möglichkeit dazu bietet. Im Herbst sah es sogar danach aus, als würde das Abonnement auf die Meisterschaft auslaufen, womöglich sogar dieser großen Mannschaft in ihren Endzügen die Luft ausgehen.

Spielern wie Robben oder Franck Ribery bietet sich vielleicht die letzte Chance, nochmals die Königsklasse zu gewinnen. "Zwei der drei verblieben Gegner müssen wir jetzt noch schlagen", sagt Joshua Kimmich über die Chancen in der Champions League.

Womöglich steht das schwerste der verbleibenden Spiele der Bayern in dieser Saison aber nicht im Bernabeu, im Olimpico oder an der Anfield Road bevor - sondern in der BayArena in Leverkusen.

Nicht nur die Reise nach Berlin, sondern auch der Gewinn im DFB-Pokal gilt allgemein schon als verbucht. Alles konzentriert sich auf die Kür in der Champions League. Dabei ist die Pflicht im nationalen Pokal noch längst nicht erfüllt.

Ein Auswärtsspiel in Leverkusen ist alles andere als eine leichte Aufgabe, Schalke oder Frankfurt in einem möglichen Finale ebenfalls.

Vor fünf Jahren bildete das Endspiel von Berlin den Abschluss der Saison, der das Triple erst möglich machte. Dieses Mal ist es genau umgekehrt: Das Finale von Berlin steigt vor dem in Kiew. Die Klimax könnte besser nicht sein. "Wir sind gierig, wir wollen das jetzt durchziehen", sagt Thomas Müller. Es klingt wie eine Drohung an die Konkurrenz.

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