Borussia Dortmund und Mario Götze gehen bald getrennte Wege, das "Experiment Rückkehr" läuft nach vier Jahren aus. Aber warum konnten Götze und der BVB nie mehr so richtig zueinanderfinden?

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Es geht jetzt auf die Zielgeraden der Saison und in diesen letzten, womöglich sehr entscheidenden Spielen sind die Klubs gut beraten, sich von etwaigen Störfeuern und Nebenkriegsschauplätzen bereits im Vorfeld zu verabschieden. Die Bayern waren auch in dieser Disziplin zuletzt einsame Spitze, wie ein halbes Dutzend gefällter Personalentscheidungen beim Rekordmeister eindrucksvoll demonstrierten.

Borussia Dortmund hatte nicht ganz so viel zu erledigen, aber doch auch eine sehr brisante Debatte zu führen, jene um Mario Götze. Langsam, aber stetig verdichteten sich die Anzeichen, dass der BVB und einer seiner besten, schillerndsten und auch teuersten Spieler alsbald nicht mehr zusammenarbeiten würden.

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Wie aus dem Handbuch moderner Kommunikation baute also erst Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke noch während der Coronapause die Brücke ("Wir werden das Gespräch mit Mario, sobald wir wieder spielen, relativ schnell suchen."), die Trainer Lucien Favre am vergangenen Freitag verlängerte.

"Wir spielen momentan im 3-4-3-System. Und ich habe klar mit ihm gesprochen. Es ist nicht das ideale System für ihn - da muss man die Wahrheit sagen", erklärte Favre auf der Pressekonferenz vor Dortmunds Spiel in Wolfsburg und sagte damit - die Wahrheit.

Seine nachgeschobenen Sätze, Götze könne ja trotzdem immer noch halblinks oder halbrechts spielen und der BVB hätte viele Spieler "und wir zählen auf alle", waren eher pflichtschuldige Diplomatie des Schweizers - und sie gelten nur noch für diese Saison.

Nur 24 Stunden überschritt Sportdirektor Michael Zorc Favres Brücke, als er unmittelbar vor dem Wolfsburg-Spiel bei "Sky" die baldige Trennung von Götze ausplauderte. "Wir haben mit Mario ein ganz sauberes Gespräch geführt und sind übereingekommen, dass die Zusammenarbeit nicht fortgesetzt wird. Beide Seiten sind in einer Situation, die nicht unbedingt zufriedenstellend ist. Deshalb ist es normal, dass er sich eine neue Aufgabe sucht."

Dortmund und die vielen Trainer

Nach vier Jahren wird also das zweite Kapitel von Mario Götze bei Borussia Dortmund enden, für den immer noch Hochbegabten ist beim BVB kein Platz mehr. Das kommt nach den letzten Monaten kaum mehr überraschend.

Warum aber fanden ein Spieler von Götzes Extraklasse und ein Klub wie der BVB, "sein" Klub, in den letzten Jahren nach Götzes Rückkehr nie mehr so richtig zusammen? Dem Spieler ereilte auch in Dortmund jenes Schicksal, mit dem er bereits in seiner Zeit bei den Bayern zu kämpfen hatte: Pep Guardiola hätte lieber einen anderen Spieler nach München geholt als Götze, der Spanier wollte Neymar und bekam dessen angebliche "deutsche Ausgabe".

In Dortmund traf Götze auf Thomas Tuchel und am Anfang schien noch alles in Ordnung. Schon schnell aber kam Götze aus dem Tritt, war immer mal wieder verletzt und als die Mannschaft ins Schlingern kam, knirschte es immer öfter zwischen dem Trainer und einem seiner wichtigsten Spieler.

Mit Tuchels Nachfolger Peter Bosz fand Götze wieder zu alter Form, Bosz sei "ein toller Trainer", beschied Götze, als es für den BVB in den ersten Spielen im Herbst 2017 so richtig glattlief. Unter Bosz spielte der BVB Husarenfußball, mit totaler Offensive - und Götze als entscheidendem Teil mittendrin.

Die defensiven Probleme wurden aber schnell derart groß, dass sich Bosz nur ein paar Monate halten konnte und der BVB das Experiment wieder beenden musste. Peter Stöger war lediglich eine Übergangslösung, erst mit Lucien Favre sollte es für den BVB und auch für Götze wieder besser werden. Dem vierten Trainer in zwei Jahren in Dortmund.

Unter dem Schweizer spielte Götze tatsächlich eine starke, seine stärkste, Halbserie nach seiner Rückkehr. In der Rückrunde der letzten Saison wurde der Spieler so wichtig wie er es zuletzt unter Jürgen Klopp wurde.

Aber in die Aufbruchstimmung mischte sich schon damals eine gewisse Skepsis gegenüber Favre. Im letzten Herbst, Götze pendelte zwischen Startelf und Ersatzbank, ließ sich Favre auch auf Druck der sportlichen Leitung und, wie kolportiert wird, Teilen der Mannschaft auf eine Abkehr seiner gesetzten Spielphilosophie ein.

Favres Umstellung der Anfang vom Ende

Favre löste sein 4-2-3-1 auf und stellte auf eine Dreierkette mit zwei Flügelspielern davor um. Da Favre aber weiter an der Doppel-Sechs festhielt, blieben nur noch drei mögliche Spielpositionen für Götze übrig: Entweder als Flügelangreifer oder, wie in der Hinrunde, als zentrale Spitze.

Dort hatte er sich anderthalb Jahre lang mit Paco Alcacer abgewechselt und je nach Gegner und Spielausrichtung jene falsche Neun gegeben, die ihm angeblich auf den Leib geschneidert sei. Nur entschied sich die Borussia in der Winterpause auch dort für einen Paradigmenwechsel und holte Erling Haaland: Den Prototyp des klassischen Mittelstürmers, groß, bullig, eine echte Wuchtbrumme.

Und weil Favre auf den Flügeln Tempodribbler benötigt, die Tempo und Tiefe ins Spiel bringen, sind allerspätestens seit Haalands Ankunft Spieler wie Thorgan Hazard, Julian Brandt, Jadon Sancho und sogar der erst 17-jährige Gio Reina gesetzt. Und Götze schaut zu.

Dessen Jobprofil vom Spieler, der sich in engen Räumen behaupten kann, mit einem kleinen Schlenker oder einem kurzen Pass eine ganze Abwehr aufreißen kann, ist nicht mehr so gefragt. Das kann immer mal wieder noch eine Option oder eine Notwendigkeit sein im Dortmunder Spiel. Die Regel ist es aber nicht mehr.

Also sitzt Götze draußen - selbst jetzt, wo statt drei sogar fünf Wechsel erlaubt sind. Seit dem Re-Start hat er in zwei Spielen drei Minuten gespielt. Beim 4:0 gegen Schalke kam er auf ganze sechs Ballaktionen. Götzes Dienste sind bei Favre kaum noch gefragt.

Ellenlange Ausfallzeiten

Das ist in gewisser Hinsicht außerordentlich tragisch, ist Mario Götzes zweite Zeit in Dortmund doch eng verwoben mit einer traurigen Krankheits- und Verletzungsgeschichte. Muskelverhärtungen, Knieprobleme, Adduktorenbeschwerden, muskuläre und Rückenprobleme, ein Bänderriss, ein Rippenbruch und mehrere Ausfalltage wegen verschiedensten Krankheiten störten immer wieder den Rhythmus.

Dazu kam eine rätselhafte Stoffwechselkrankheit, die Götze fast ein halbes Jahr kostete. Nun wäre er fit, darf aber kaum noch spielen. Womöglich bedingt das eine auch das andere, ist Götze deshalb spielfit, weil er kaum noch spielen und sich damit auch nicht verletzten kann. Tragisch ist die Konstellation aber allemal.

Wie es nun weitergeht? Interessenten sollte es genug geben. Hertha BSC war offenbar bereits im letzten Jahr dran an Götze und dürfte auch jetzt eine Option sein.

Die Serie A wird immer mal wieder genannt. Vielleicht tut Götze, der sein fußballerisches Werk bisher ausschließlich in Deutschland geschaffen hat, ein Wechsel in ein anderes Land und eine andere Liga gut. Weg von den ewigen Stigmata.

Mit 27 Jahren ist er im sogenannten besten Fußballeralter. Und in dem, was er kann und was er macht, immer noch einer der Besten der Welt.

Verwendete Quellen:

  • Sky: Offiziell: Zorc bestätigt Götze-Abgang im Sommer
  • RTL: BVB-Chef Watzke kündigt zeitnahe Gespräche mit Götze an
  • Sport1: Favre erklärt: Darum hat Götze bei mir keine Chance
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