Dem BVB geht auf den letzten Metern vor der Winterpause immer noch die Souveränität einer Spitzenmannschaft ab. Ein Grund dafür ist das fragile Konstrukt der vermeintlichen Führungsspieler.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Stefan Rommel sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Seit dem halbwegs "goldenen Oktober" mit drei Siegen und zwei Remis befindet sich Borussia Dortmund in einem wilden Auf und Ab.

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Von den elf Pflichtspielen seit Anfang November hat der BVB nur vier gewonnen, allerdings auch nur eines davon in der Bundesliga. Im Dezember wartet die Borussia nach dem Remis in Augsburg weiter auf den ersten Dreier, die letzte Chance dafür bietet sich beim Heimspiel gegen Mainz am Dienstag.

Die Zwischenbilanz dürfte mit "durchwachsen" ziemlich treffend beschrieben sein, aus einem Punkt Vorsprung auf Rang fünf sind jedenfalls mittlerweile fünf Punkte Rückstand auf Platz vier geworden. Der Trend in der Bundesliga bleibt weiter bedenklich, der Druck vor dem letzten Spiel des Jahres und bei der Wiederauflage des Dramas vom letzten Spieltag der abgelaufenen Saison ist enorm.

Seit Wochen befindet sich der Klub in dieser dauerhaften Alarmbereitschaft, die auch der eine oder andere vermeintliche Befreiungsschlag nicht vertreiben konnte. Weil die Mannschaft immer noch wie auf der Suche nach sich selbst scheint und das dringend benötigte Rückgrat aus unterschiedlichen Gründen schwächelt.

BVB: Immer noch auf der Suche

Am Sonntagabend bekam der BVB noch einmal einen Anschauungsunterricht, wie man mit einem deutlich defensiver ausgelegten Konstrukt gegen eine Spitzenmannschaft nicht nur besteht, sondern diese komplett kalt stellt. Das Spiel der Bayern gegen den VfB - der die Borussia davor gleich doppelt geschlagen und dabei zwei Mal in höchstem Maße dominiert hatte - war eine Machtdemonstration.

Der Rekordmeister spielte derart, wie es sich Edin Terzic in den Spielen gegen die Bayern, in Leverkusen und in Stuttgart erhofft hatte. Seine Mannschaft hatte ihn dabei aber größtenteils im Stich gelassen. Weshalb die Marschroute mittlerweile auch wieder eine etwas andere ist: mutiger, aktiver, offensiver.

Das führt dann zu Spielen wie unter der Woche gegen Paris oder am Wochenende gegen Augsburg: mit vielen Chancen für den BVB, aber eben auch für den Gegner. Ein wilder Schlagabtausch kann eigentlich nicht im Sinne der Borussia sein wie gegen PSG, wo dem BVB ja ein Remis genügt hatte zum Gruppensieg. Oder gegen den FCA, der mit seinem Kader dem der Borussia qualitativ doch deutlich unterlegen ist.

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Dortmunds Achse wackelt

Es fehlt auch kurz vor dem Jahreswechsel noch an Souveränität und besonders Stabilität. An einer gewissen Ausgeglichenheit, der richtigen Balance. Dafür wären an sich genug erfahrene Spieler auf dem Platz - nur haben von den vermeintlichen Führungskräften aktuell ein paar zu viele ihre ganz eigenen Probleme.

Die Achse längs durch alle vier Mannschaftsteile wackelt, aktuell wird sie im Prinzip gehalten von den beiden Spielern an ihrem jeweiligen Ende: von Torhüter Gregor Kobel, der über alle Zweifel erhaben ist und der Mannschaft oft genug schon Punkte gerettet hat. Kobel ist der mit Abstand konstanteste aller Dortmunder Spieler, dahinter klafft dann aber schon eine bedenklich große Lücke.

Und von Niclas Füllkrug, der seinen Wert für die Mannschaft in den letzten Spielen zwar nicht unbedingt mit vielen Toren unterstreicht, sich aber als hervorragender Wandspieler entpuppt.

Can kann dem Team nicht wie erhofft helfen

Zwischen Torhüter und Stoßstürmer aber hat der BVB ein veritables Problem. Mats Hummels hat sich nach seinem Platzverweis gegen Leipzig zur Unzeit für die Partie in Augsburg selbst aus dem Spiel genommen. Die Ruhe und Abgeklärtheit des Routiniers hätten dem BVB sowohl gegen als auch mit dem Ball schon sehr gutgetan.

Emre Can hat schwierige Wochen hinter sich. Der Kapitän fand sich zeitweise auf der Ersatzbank wieder, dann kam noch eine Verletzung dazu. Fünf Spiele hat Can deshalb in der für seine Mannschaft so bedrohlichen Phasen verpasst, konnte in dieser Zeit nicht der dringend benötigte Anführer sein. Cans Probleme bleiben ein Thema und damit zumindest unterschwellig auch die Frage, ob seine Ernennung zum Kapitän im Nachhinein nicht doch eine falsche Entscheidung war.

Ex-Kapitän Marco Reus jedenfalls sahen die Verantwortlichen vor der Saison eher im Rang des Adjutanten. Auch deshalb gab der 34-Jährige das Kapitänsamt ab, wollte ein bisschen Platz schaffen für nachrückende Spieler wie Julian Brandt.

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Der sollte so ein wenig in Reus' Fußstapfen treten, als Spielgestalter und Antreiber - aber auch als Führungspersönlichkeit, an der sich die anderen orientieren und aufrichten können. Brandt hatte einen guten Saisonstart, seit einigen Wochen aber läuft auch er seiner Form und seinen Ansprüchen hinterher. Und steht damit stellvertretend für die gesamte Mannschaft.

"Die sollen mal Leistung bringen, dann können sie auch eine Meinung haben… Brandt ist der Prototyp des Problems von Borussia Dortmund", formulierte es "Sky"-Experte Didi Hamann am Wochenende gewohnt provokant.

"Wo hat der Brandt Leistung gebracht? Er hat mal drei gute Spiele, dann ist er mal wieder das verkante Genie und dann siehst du ihn wieder sechs Wochen nicht! Wenn es läuft, sind sie wunderbar und können alle Fußball spielen, aber das können wir alle. Wenn es nicht läuft, brauchst du die Typen, die vorangehen."

Und die gehen dem BVB in den letzten Wochen ein wenig ab.

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