Miroslav Klose hat einen neuen Trainerjob: Durch die Verpflichtung des 1. FC Nürnberg arbeitet er erstmals als Cheftrainer im deutschen Profifußball. Doch sein neuer Job ist risikobehaftet - für ihn und für den FCN.

Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Julian Münz sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Schon so oft hatte Miroslav Klose öffentlich angedeutet, dass er zurück ins Trainergeschäft will. Nachdem seine ersten Versuche als Cheftrainer beim SC Rheindorf Altach in der österreichischen Bundesliga im März 2023 eher unglücklich und frühzeitig geendet waren, erklärte der Rekordtorschütze der deutschen Nationalmannschaft immer wieder, Interesse an neuen Traineraufgaben zu haben - zuletzt soll er sogar mehrmals bei Lazio Rom im Gespräch gewesen sein.

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Nun hat Klose endlich einen neuen Klub gefunden - den Club, um genau zu sein. Der 1. FC Nürnberg hat sich mit Klose für eine interessante Wahl entschieden. Behilflich gewesen waren dabei vielleicht die guten Kontakte, die der neue Sportvorstand Joti Chatzialexiou zum DFB hat. Bereits in seinen ersten Tagen im neuen Job zeigte Chatzialexiou, dass er seine Verbindungen zur Nationalmannschaft auch zum Wohle des Clubs nutzen möchte. Nürnbergs Torwarttalent Jan Reichert etwa darf in der Vorbereitung für die EM im DFB-Kader mittrainieren.

Zumindest in Sachen Aufmerksamkeit kann man die Entscheidung des 1. FC Nürnberg, Miroslav Klose zu verpflichten, durchaus als Coup bezeichnen. Der FCN, der vielen jüngeren Fußballfans schon gar nicht mehr als Erstligateam in Erinnerung sein wird, ist jetzt wieder in aller Munde. Auch viele, die sich normalerweise nicht für mittelmäßigen Zweitligafußball interessieren, werden in der nächsten Saison genauer darauf gucken, wie sich der einst erfolgreichste Verein Deutschlands und der ehemalige Bundesliga-Stürmer zusammen schlagen. Der FCN bekommt einen Trainer, der Erstligaglanz versprüht, Klose einen Verein, der ganz natürlich immer in Richtung erste Liga schielt.

Bei aller Anfangseuphorie sollte aber auch klar sein, dass die Verpflichtung in erster Linie ein großes Wagnis ist - für den 1. FC Nürnberg, aber auch für Klose. Für den Bundesliga-Torschützenkönig von 2006 ist es vielleicht schon die letzte Chance zu beweisen, dass er auch als Trainer erfolgreich sein kann. Viel Eingewöhnungszeit wird ihm dabei nicht bleiben.

Klose trainiert emotionalen Traditionsverein

Denn mit dem 1. FC Nürnberg bekommt Klose es mit einem der emotionalsten Traditionsvereine in Deutschland zu tun. Der FCN spielt seit elf Jahren, mit kurzen Ausnahmen, konstant unter seinen Möglichkeiten. So sehr, dass sich selbst die betont leidensfähigen Fans der Franken nach jahrelangen Enttäuschungen endlich wieder nach einer kleinen Erfolgssträhne sehnen. Klose wird von Beginn an mehr Druck verspüren als beim eher ländlich-gemütlichen SC Rheindorf Altach.

Wieder mal befindet sich der FCN in einer Phase des Umbruchs. Drei Sportvorstände mussten seit 2019 gehen, zwei davon (unter anderem Dieter Hecking) brachten den FCN mit einer verfehlten Transferpolitik an den Rand des Abstiegs. Der neue Sportvorstand Chatzialexiou, der auf Vereinsebene ebenfalls kaum Erfahrung hat, wird nun vom Umfeld mit einer gesunden Skepsis betrachtet. Sollte der neue Trainer keinen guten Start erwischen, kann es schneller als an anderen Standorten unruhig werden.

Zudem wählten die enttäuschten Fans im vergangenen Jahr den langjährigen Aufsichtsratsvorsitzenden Thomas Grethlein ab, die diesjährige Neuaufstellung des FCN ist erstmals ein Werk seines Nachfolgers Peter Meier. Auch dessen Arbeit wird jetzt am Erfolg und Misserfolg von Klose gemessen werden.

Kloses Verpflichtung beruht auf Versprechungen

Für den 1. FC Nürnberg ist die Verpflichtung von Klose eine, die weniger auf sportlichen Meriten, sondern auf Versprechungen beruht. Denn so groß die sportlichen Erfolge sind, die der 46-Jährige als Spieler vorzuweisen hat, so traurig liest sich aktuell noch seine Karriere als Cheftrainer. Und anders als Xabi Alonso, dessen Gabe, eine Mannschaft zu leiten, schon während seiner Spielerkarriere zum Vorschein trat, blieb Klose als torgefährlicher Stürmer ansonsten eher im Hintergrund.

Dazu kommt: Wie fast immer in seiner modernen Geschichte ist die finanzielle Lage in Nürnberg angespannt. Den Gang in die dritte Liga wird sich der Verein nicht leisten können, der Klassenerhalt wird auch zunächst das Mindestziel von Klose sein. Und das ist schwieriger als gedacht: Seit Jahren zeigt die Formkurve der Nürnberger mehr und mehr in Richtung Abstieg, kein Trainer vor ihm schaffte es, den zusammengewürfelten Kader zu einer Einheit zu formen. Zudem muss Klose die Abgänge von Top-Torjäger Can Uzun und Nathaniel Brown verkraften, die mit den vorhandenen Mitteln quasi nicht gleichwertig ersetzt werden können.

Deshalb muss es Klose beim 1. FC Nürnberg auch gelingen, die zahlreichen vielversprechenden Talente des FCN in die Profi-Mannschaft zu integrieren. Der zu Hertha BSC abgewanderte Cristian Fiél schaffte das sehr gut und rettete damit eine schlechte Saison, mit Uzun stand der Shooting-Star der 2. Bundesliga 2023/24 im Kader des FCN. Dieses Jahr hoffen U17-Weltmeister Finn Jeltsch, der sich bereits in der Rückrunde als Stamm-Innenverteidiger etablierte und der bereits genannte Reichert darauf, in der 2. Bundesliga ihre Karriere voranzutreiben. Wie gut Klose mit den jungen Toptalenten umgehen kann, wird sich nun zeigen.

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