Seit dem Abstieg im Jahre 2018 kämpft der Hamburger SV um die Rückkehr in die Bundesliga – und ist immer wieder knapp gescheitert. Aktuell stehen sie auf Tabellenplatz drei und haben seit drei Spielen nicht gewonnen. Im Interview mit unserer Redaktion spricht HSV-Stammspieler Moritz Heyer über den Aufstiegskampf und die Unruhen im Verein, außerdem über seinen ungewöhnlichen Werdegang zum Fußballprofi.
Herr Heyer, wie sehr nervt Sie die Frage, ob der HSV in diesem Jahr erneut den Aufstieg verspielt?
Moritz Heyer: Natürlich bekommen wir mit, dass diese Frage immer wieder gestellt wird. Aber das beschäftigt uns nicht, weil wir in der Kabine eine andere Wahrnehmung haben. Wir haben das Gefühl, dass extrem viel zusammenpasst. Klar, die letzten Ergebnisse waren nicht so gut. Aber ich bin davon überzeugt, dass es in dieser Saison klappen wird.
Der HSV ist seit drei Spielen sieglos und hat nur eines der letzten fünf Spiele gewonnen. Worauf führen Sie das zurück?
In jeder Saison gibt es Phasen, in denen es nicht so gut läuft. Aber wir haben in der Rückrunde erst ein Spiel verloren. Es gab natürlich ein paar mehr Spiele, die wir mit einem Unentschieden beendet haben, obwohl wir hätten gewinnen können. Wir haben sicherlich ein paar Fehler zu viel gemacht und haben unsere Torchancen nicht immer genutzt. Ich hoffe, dass wir jetzt häufiger wieder zu null spielen. Das haben wir in den letzten beiden Heimspielen gut hinbekommen.
Der HSV "gehört eigentlich auch in die Bundesliga"
Welche Rolle spielt der Druck, unbedingt aufsteigen zu müssen?
Dieser Druck kommt eher von außen. Natürlich machen wir uns auch in der Mannschaft Gedanken. Man liest ab und zu etwas darüber. Dieser Verein gehört eigentlich auch in die Bundesliga. Aber wir können diesen Druck gut ausblenden. Das haben wir auch letzte Saison gezeigt, als wir zum Saisonende hin noch einmal ordentlich gepunktet und die Relegation erreicht haben.
Schauen Sie sich die Noten an, mit denen Zeitungen und Fachmagazine die Leistungen von Ihnen und Ihren Mannschaftskameraden bewerten?
Früher, als ich noch relativ jung war, habe ich mir die Noten noch angesehen. Heute mache ich mir meine eigene Meinung zum Spiel. Ich spreche auch mit dem Trainerteam und mit meinem Vater viel über meine Leistungen. Dadurch kann ich mein Spiel selber gut einschätzen. Ein Fachmagazin schaut von außen auf das Spiel, aber weiß vermutlich nicht, was der Plan und die Aufgaben der einzelnen Spieler waren. Manchmal passen die Noten auch nicht so gut – und zwar in beide Richtungen. Ich erinnere mich an meine Anfangszeit bei den Sportfreunden Lotte. Ich hatte eigentlich kein gutes Spiel gemacht, schoss aber ein Tor und bekam dadurch eine gute Note. Oft hängen die Noten von den spielentscheidenden Situationen ab.
Tim Kleindienst vom Tabellenzweiten 1. FC Heidenheim sagte in einem Interview, er würde Stand heute die Relegation unterschreiben. Würden Sie das auch machen?
Nein, wir wollen Heidenheim überholen und am besten auch noch Darmstadt. Wir wollen jedes Spiel gewinnen und das Maximale herausholen. Ich glaube, wenn wir jedes Spiel gewinnen, landen wir nicht in der Relegation.
Selbst wenn der HSV den Aufstieg in die Bundesliga schafft: Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass sich Ihr Verein in der 1. Liga etabliert und nicht nach ein oder zwei Jahren wieder absteigt?
Da ist sehr viel Konjunktiv und nichts, womit wir uns beschäftigen. Was ich dazu sagen kann, ist, dass wir schon gezeigt haben, dass wir gegen Bundesligisten mithalten können. Im DFB-Pokal und auch in der Relegation haben wir gegen Bundesligisten richtig gute Spiele gemacht und waren teilweise auf Augenhöhe. Natürlich ist in der Bundesliga alles noch ein bisschen schneller, die Qualität höher, die Spieler machen weniger Fehler. Aber es ist möglich, dass wir auch dort mithalten können. Erst einmal müssen wir jedoch den Aufstieg schaffen.
Der HSV hält zusammen
Rund um den HSV ist viel passiert. Es gab Unruhen im Vorstand. Der Doping-Fall um Mario Vuskovic ist noch immer nicht richtig geklärt. In der Vergangenheit gab es mehrmals angebliche Unklarheiten um die Identität von Bakery Jatta, dann kam auch noch der Autounfall von Jean-Luc Dompé hinzu. Was macht all das mit der Mannschaft?
Ich glaube, dass uns all das zusammengeschweißt hat. Wir haben eine klare Linie in der Kabine und halten zusammen. Wir unterstützen jeden Einzelnen von uns. Das ist jetzt bei Mario so und hat man auch bei Baka gesehen. Vielleicht ist dieser Zusammenhalt sogar der Push, der uns am Ende weiterhelfen wird. Natürlich bekommt man all das mit, was rund um den Verein geschieht, aber vieles liegt dabei nicht in unserem Einflussbereich. Wir wollen einfach einen schönen und erfolgreichen Fußball spielen.
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Ihr Werdegang ist für einen Fußballprofi ein wenig ungewöhnlich, weil Sie sich von der Regionalliga über die 3. Liga bis zur 2. Bundesliga Schritt für Schritt hochgearbeitet haben. Sind Sie ein Spätstarter?
Ja, ich denke, dass ich mich immer weiterentwickelt habe. Als ich aus der Jugend kam, hatte ich noch nicht das Niveau, um 3. oder 2. Liga zu spielen. Ich war körperlich und auch fußballerisch noch nicht so weit. Aber das hat sich mit der Erfahrung und durch die Trainingseinheiten und die Spiele entwickelt. Wenn man sich von Liga zu Liga hocharbeitet, ist der Schritt natürlich auch ein bisschen kleiner, als wenn man gleich von der A-Jugend den Sprung in die 2. Bundesliga macht. Ich hätte mit 19 Jahren auch nicht gedacht, dass ich einmal in der 2. Bundesliga oder beim HSV spielen würde. Als ich mein erstes Jahr in der Regionalliga bei den Sportfreunden Lotte spielte, lief es für mich anfangs gar nicht so gut. Damals habe ich mir Gedanken gemacht, was ich außer Fußball machen könnte. Ich hatte mich bereits bei der Polizei beworben und hatte ein Einstellungsgespräch. Aber ich habe mich dann doch für den Fußball entschieden.
Ist Fußballprofi ein echter Traumberuf?
Für mich ist es ein Privileg, diesen Beruf ausüben zu können. Als kleiner Junge träumt man davon. Natürlich gibt es bei jedem Beruf positive und negative Seiten. Aber ich würde trotzdem von einem Traumjob sprechen. Man hat zwar am Wochenende weniger Zeit und kann zum Beispiel oft nicht zu Geburtstagsfeiern kommen. Aber das ist in meiner Familie akzeptiert. Ich werde trotzdem weiterhin eingeladen – auch wenn jeder weiß, dass ich keine Zeit habe. (lacht)
Dafür haben Sie als Fußballprofi wahrscheinlich unter der Woche mehr Freizeit als normale Berufstätige, oder?
Heute stimmt das natürlich, denn nach dem Interview habe ich frei (schmunzelt, es war 12:45 Uhr, Anm. d. Red.). Aber es gibt auch Tage, die deutlich länger sind, an denen doppelt trainiert wird oder man noch viel Zeit im Kraftraum verbringt. Außerdem habe ich neben dem Fußball auch noch mit meinem Sportbusiness-Studium zu tun. Das hilft mir dabei, klar im Kopf zu bleiben.
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