Die Art der Niederlage gegen die USA im Halbfinale der Frauen-WM dürfte der deutschen Nationalmannschaft zu denken geben. Wie schon gegen Frankreich war die DFB-Auswahl deutlich unterlegen. Die Zeit der Siegesserien ist vorbei, dafür reicht das Spielniveau für die absolute Weltspitze nicht mehr aus.
"Beschissen" gehe es ihr und ihren Teamkolleginnen jetzt, sagte Stürmerin Celia Sasic. Die DFB-Elf war wenige Minuten zuvor im Halbfinale der WM an den USA mit 0:2 gescheitert und Sasic, den Tränen nahe, musste ihren fatalen Elfmeter-Fehlschuss und eine bemerkenswert matte Offensivleistung ihrer Mannschaft kommentieren.
Gegen den amerikanischen Wirbelsturm wirkte das deutsche Angriffsspiel im Olympic Stadium von Montreal wie ein laues Lüftchen. Es war eine verdiente Niederlage, auch wenn der deutschen Mannschaft in zwei entscheidenden Szenen das nötige Glück abhanden ging.
Sasic hatte nach gut einer Stunde die Chance zur Führung, vergab aber einen Foulelfmeter. Und nur ein paar Minuten später ahndete die ansonsten sehr souveräne Unparteiische ein Foulspiel Annike Krahns vor der Strafraumgrenze irrtümlich als Elfmeter. Dass die Plädoyers der Verliererinnen trotzdem nicht auf den Faktoren Glück und Pech fußten, ist zumindest ein positiver Aspekt der Niederlage.
Auch Frankreich war besser als Deutschland
Die Französinnen waren der deutschen Auswahl in spielerischer und taktischer Hinsicht eine Klasse voraus, die Amerikanerinnen hatten mehr Wucht, Energie und Willensstärke auf den Platz gebracht. Die Dominanz der Nuller-Jahre mit den beiden Titeln 2003 und 2007 ist nicht erst seit gestern vorbei. Während der deutsche Fußball nur noch in Nuancen vorankommt, haben Teile der Konkurrenz mächtig aufgeholt.
Das überalterte Team der USA rafft sich zu einem letzten Kraftakt auf, Frankreich spielt den technisch schönsten Fußball, Japan paart Athletik mit Disziplin und Reife. Diese drei Teams scheinen spielerisch derzeit eine Nummer zu groß für die Besten des DFB - auch wenn die Partie gegen die Französinnen glücklich gewonnen wurde.
Deutschland ist in die 1B-Kategorie abgerutscht: an guten Tagen in der Lage, jeden Gegner der Welt zu schlagen. Aber eben nicht mehr selbstverständlich so gut, dass die Fußball-Welt erzittert. Australien und England sind die Kontrahenten der deutschen Preisklasse, vielleicht bald auch wieder Brasilien oder Schweden, die bei der WM komplett enttäuschten und einen Umbruch benötigen.
Deutschland hat eine der jüngsten Mannschaften ins Turnier geschickt. Ein Team mit viel Potenzial - aber mittlerweile auch ohne Alleinstellungsmerkmal und einer herausragenden Spielerpersönlichkeit. Torhüterin Angerer ist die letzte ihrer Art. Sie war mit 36 Jahren die älteste einer durchaus erfahrenen Startelf gegen die Amerikanerinnen. Bei immerhin 27,4 Jahren lag der Altersschnitt zu Beginn der Partie.
Für Angerer wird es die letzte WM ihrer Karriere sein, für ein paar andere womöglich auch. Torjägerin Sasic denkt über eine Pause aus privaten Gründen nach, Saskia Bartusiak, Krahn oder Anja Mittag sind 30 Jahre oder älter.
Die Jungspunde wie Melanie Leupolz, Tabea Kemme, Lena Lotzen, Dzsenifer Maroszan, Lena Petermann oder Sara Däbritz haben jetzt immerhin schon mal WM-Luft geschnuppert. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: Jugendlichkeit allein wird auch in Zukunft nicht reichen. Gegen die USA war wie schon davor gegen Frankreich ersichtlich, dass der deutschen Mannschaft das Personal und eine konkrete Idee für ein wettbewerbsfähiges Offensivspiel fehlten.
Qualität für Spitzenniveau fehlt
Bei einer Europameisterschaft mit derzeit zwei Kontrahenten auf oder knapp über Augenhöhe ist das vielleicht noch zu kaschieren. Für den WM-Titel oder einen Erfolg bei Olympia fehlt auf absolutem Spitzenniveau die Qualität.
"Wir haben ein tolles Halbfinale zweier starker Mannschaften gesehen", formulierte Bundestrainerin Silvia Neid eine gewagte Aussage nach 90 fast ausschließlich von den USA dominierten Minuten - um dann im Folgesatz ihre These gewissermaßen selbst zu entkräften. "Wir waren nur zu unpräzise und nicht gefährlich ..." Nicht einen Schuss aufs Tor musste US-Keeperin Hope Solo parieren.
Das deutsche Spiel im Angriffsdrittel war langsam und unkreativ, es fehlten klare Abläufe und die dafür nötige körperliche Präsenz. Die deutsche Mannschaft spielte keineswegs stark an diesem Tag. Allenfalls in Teilabschnitten wurden ein aggressives Pressing und ein paar gescheite Spielverlagerungen sichtbar.
Nach den Olympischen Spielen in zwei Jahren hat Neid ihren Rückzug von der Trainerbank angekündigt, ebenso wie Horst Hrubesch, der mit seiner U 21 einen noch krachenderen Absturz hatte hinnehmen müssen. Und wie bei Hrubesch dürften in den kommenden Tagen und Wochen die Diskussionen um ein vorzeitiges Ende der Zusammenarbeit im Raum stehen.
Frankreich und England haben in den vergangenen Jahren enorme Fortschritte erzielt, vielleicht dank ihrer kompakten Lern- und Trainingsstätten in den Fußball-Zentren Clairefontaine bzw. St. George's Park. Hier entsteht der Treibstoff für die Weiterentwicklung aller Nationalteams bei den Männern und der A-Nationalmannschaften der Frauen.
Der Deutsche Fußballbund hat seinen Fußball-Campus erst vor zwei Wochen ins Rollen gebracht. In Frankfurt am Main. Das neue Leistungszentrum soll die Heimat für ein neues Denken werden.
Auf 15 Hektar entstehen unter anderem vier Trainingsplätze, eine Halle, ein Logistikzentrum, eine neue Verwaltung und ein öffentlicher Park. Knapp 90 Millionen Euro lässt sich der DFB sein Jahrhundertprojekt kosten. Das Problem: Der Spatenstich ist für Anfang 2017 geplant und erst in mehr als drei Jahren soll das Objekt fertiggestellt sein. Bis dahin muss die Weiterentwicklung der Mannschaft noch dezentral erfolgen.
Den Status als Nummer eins der Weltrangliste dürfte Deutschland schon bald an die USA verlieren. Platz zwei wird die Mannschaft vor Frankreich noch einmal verteidigen. Allerdings nur noch auf dem Papier. De facto stellt auch die Grande Nation derzeit eine bessere Landesauswahl.
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