Nico Hülkenberg gehörte zehn Jahre zur Formel 1. Die großen Erfolge in der Königsklasse des Motorsports konnte der 33-Jährige nicht feiern, aber ein Cockpit hatte er lange sicher. Nun kämpft er um seine Rückkehr - und indirekt auch darum, dass Deutschland weiterhin in der Formel 1 repräsentiert wird.
Seit Anfang der 1990er durften sich die deutschen Formel-1-Fans darüber freuen, dass wenigstens ein Landsmann um den Weltmeistertitel mitfuhr und ein paar weitere bei Mittelfeldteams unterwegs waren. Doch bald könnte Deutschland überhaupt nicht mehr in der Königsklasse des Motorsports vertreten sein.
Die Rennstrecken Nürburgring und Hockenheim wurden aufgrund der nicht realisierbaren finanziellen Anstrengungen bereits aus dem Rennkalender gestrichen. Der Nürburgring kehrt in diesem Jahr zwar zurück - allerdings nur aufgrund der Corona-Pandemie, die es dem Formel-1-Zirkus nicht erlaubt, nach Shanghai, Mexico City oder Singapur zu reisen.
Nico Hülkenberg liefert prompt
Ein ähnliches Schicksal widerfuhr auch
Zum Missfallen vieler Fans über die Landesgrenzen Deutschlands hinaus gelang es Hülkenberg nicht, einen Sitz in einem anderen Team zu erhalten – und das, obwohl die Rennleiter um sein Talent wissen. Das wurde in den vergangenen Wochen deutlich, als Racing Point für den an Corona erkrankten Sergio Perez kurzfristigen Ersatz suchte.
Der Rennstall kontaktierte umgehend Hülkenberg, der ohne jegliche Vorbereitung bei den zwei Grand Prix in Silverstone sehr gute Leistungen inklusive eines dritten Startplatzes am zweiten Wochenende ablieferte.
Konstanz statt Top-Speed
Mit dem Rennstall, der vormals Force India hieß, verbindet Hülkenberg eine lange Beziehung. Nach seinem Debüt für Williams im Jahr 2010 wurde er von diesem als Test- und Ersatzfahrer verpflichtet und stieg 2012 zum Einsatzfahrer auf.
Nach einem einjährigen Intermezzo bei Sauber kehrte Hülkenberg zu Force India zurück und fuhr dort bis 2016, bevor er drei Jahre für Renault tätig war.
Hülkenberg wurde immer eine gute Grundgeschwindigkeit und vor allem eine schonende Fahrweise nachgesagt. Dass er sich 2015 nahtlos in die Riege der Porsche-Langstreckenpiloten einreihte und das 24-Stunden-Rennen von Le Mans gewann, war ein eindeutiger Beleg, dass Hülkenberg über ein ausgeprägtes Verständnis darüber verfügt, wie ein Wagen nicht nur schnell, sondern auch konstant gesteuert wird.
In der Formel 1 zählt eine materialschonende Fahrweise mindestens genauso viel wie purer Speed, denn die limitierte Anzahl an Komponenten, die Teams einsetzen dürfen, verlangt nach Piloten mit einem Gefühl für die Maschine. Hülkenberg kann gerade als Veteran genau das leisten und mit seiner Erfahrung bei diversen Rennställen auch zur Entwicklung eines Boliden beitragen.
Hülkenberg genießt Kultstatus unter Fans
Was Hülkenberg immer ein wenig negativ nachhing, war der Umstand, dass er nie den großen Durchbruch feierte und stets im Mittelfeld festhing. Gegen schnelle Teamkollegen wie Daniel Ricciardo bei Renault hatte er das Nachsehen, wobei Hülkenberg nie komplett abgehängt wurde.
Ihm fehlten stets nur ein paar Zehntelsekunden. Genau wie es auch nie für ein Podium in seiner fast zehnjährigen Karriere reichte.
Unter den eingefleischten Formel-1-Fans genießt Hülkenberg einen gewissen Kultstatus. Viele drücken dem sympathischen Rheinländer die Daumen, dass er doch endlich mal bei einem Grand Prix auf dem Podium steht.
Online fordern sie nun lautstark ein Cockpit für Hülkenberg, der aus ihrer Sicht um einiges besser ist als so mancher Werksfahrer.
Alfa Romeo als nächste Destination?
Bei Racing Point scheint die Tür jedoch verschlossen. Sergio Perez fuhr nach überstandener Infektion wieder in Barcelona. Der Mexikaner hat auch einen Vertrag für die kommende Saison, in welcher Racing Point dann unter dem Namen Aston Martin firmieren wird.
Sein Teamkollege könnte einmal mehr Lance Stroll sein. Dieser stellte zuletzt seine Fähigkeiten zur Schau und hat den klitzekleinen Vorteil, dass sein Vater Lawrence Stroll Mitbesitzer von Racing Point und Aktionär bei Aston Martin ist.
Das ist die Krux in der Formel 1. Geschwindigkeit und technisches Verständnis sind nicht alles.
Kontakte und die finanzielle Unterstützung von Sponsoren erweisen sich als mindestens genauso wichtig. Wie schwer es ist, ein Cockpit zu finden, bekommt auch Sebastian Vettel aktuell zu spüren.
Natürlich würde sich der vierfache Weltmeister im Gegensatz zu Hülkenberg nicht mit einem Sitz in einem Mittelfeldteam zufriedengeben. Aber es ist schon verblüffend, dass Vettel eventuell seine Formel-1-Karriere unfreiwillig beenden muss.
Ersatzfahrer? Hülkenberg winkt ab
Hülkenberg gibt unterdessen die Hoffnung noch nicht auf. Er liebäugelt mit einem Engagement bei seinem ehemaligen Arbeitgeber Sauber, mittlerweile unter dem Namen Alfa Romeo unterwegs. Im Podcast "F1 Nation" bestätigte er Gespräche mit dem Rennstall aus dem schweizerischen Hinwil für 2021.
Zudem sagte Günther Steiner, der Leiter von Haas, dass Interesse an Hülkenberg besteht. Allerdings weiß er nicht, ob Hülkenberg sich vorstellen könnte, beim aktuell schwachen US-Team anzuheuern, "denn er ist ein sehr guter Fahrer."
Und dies ist auch ein Grund, warum sich der 33-Jährige nicht mit der Rolle als Test- und Ersatzfahrer zufriedengibt, wie er kürzlich in einem Interview im "AvD Motorsport Magazin" auf "Sport 1" sagte: "Ich habe zehn Jahre selber im Cockpit gesessen und an der Ampel gestanden. Dann den Rückschritt in Kauf zu nehmen, ohne große Aussichten, da hereinzukommen, macht für mich wenig Sinn. Das ist nicht der Weg, den ich gehen möchte."
Hülkenberg muss sich wohl auf ein Geduldsspiel in den kommenden Wochen einstellen, damit es mit der Rückkehr klappt. Zum Glück hat er in seiner Karriere gelernt, geduldig zu sein.
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