• Ausgerechnet beim Heimspiel in Imola läuft bei Ferrari nichts zusammen, die Scuderia erlebt ein Debakel.
  • Vor allem Charles Leclerc muss für seinen Patzer herbe Kritik einstecken.
  • Die bange Frage, die sich die Tifosi stellen: Wird Ferrari jetzt wieder zur unberechenbaren Diva?

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Es gibt Dinge, die ändern sich nie, die gehören quasi zu den "Gesetzen" des Motorsports. Wie zum Beispiel das Mysterium, dass Ferrari gerne mal auf tragische Art und Weise scheitert. Der Rennstall zieht Fans auf der ganzen Welt in seinen Bann, als berühmt-berüchtigte Diva treibt er die Tifosi allerdings auch regelmäßig in den Wahnsinn. Wie jetzt beim vierten Saisonrennen in Imola. Das Rennwochenende war eine eindringliche Erinnerung daran, dass sich die Scuderia gerne mal selbst im Weg steht. Es war ein Warnschuss, dass der Titelkampf kein Selbstläufer wird.

Ein Gradmesser, wie mies das Wochenende lief, ist die italienische Presse. Die ließ kein gutes Haar an Ferrari – vor allem Speerspitze Charles Leclerc bekam sein Fett weg. "Leclerc, die WM gewinnt man, indem man gewisse Fehler vermeidet", schrieb die Gazzetta dello Sport.

"Blamage für Teamchef Binotto"

Der zweimalige Saisonsieger sei "zusammengebrochen", wertete La Repubblica. Und Tuttosport meinte: "Zu vieles funktioniert nicht: der Start, der zweite Pilot, die Boxenstopps. Blamage für Teamchef Binotto, der vor den Tifosi auf eine bessere Leistung gehofft hatte."

In der Tat, denn die Startplätze zwei und vier waren verheißungsvoll, allerdings ging danach jede Menge schief. Zum einen die Starts von Leclerc und Carlos Sainz, der kurz danach von Daniel Ricciardo im McLaren ins vorzeitige Aus geschoben wurde. Den Spanier traf dabei keine Schuld, er hatte sich zuvor aber bereits im Qualifying gedreht. Bei ihm ist der Druck eines siegfähigen Autos schon länger zu spüren. Das i-Tüpfelchen war Leclercs Patzer in der Schlussphase, als er sich unbedrängt von der Strecke drehte, den dritten Platz und unter dem Strich sieben Punkte wegwarf. Er wurde nur Sechster.

"Der Dreher hätte nicht passieren dürfen. Ich war zu gierig und habe den Preis dafür bezahlt", sagte der Monegasse. Er weiß, dass es in der Formel 1 ein kurzer Weg vom "Hero to Zero" ist, bei Ferrari erst recht, es ist schließlich nicht sein erster Fehler. Der große Unterschied zu sonst: Bislang waren die Folgen im vorderen Mittelfeld überschaubar, doch jetzt befindet er sich im Titelkampf. Er weiß daher auch: "Das darf nicht wieder passieren!"

Der Schlüssel zu einer WM

Die Experten sind sich einig: Bereits dieser Fehler hätte Leclerc nicht unterlaufen dürfen. "Er will einfach zu viel - in einer Situation, die überhaupt nicht nötig ist. Er hätte akzeptieren müssen, den dritten Platz nach Hause zu nehmen. Das ist auch der Schlüssel zu einer WM", sagte Sky-Experte Ralf Schumacher, der glaubt, dass der Patzer bei Ferrari intern noch ein Nachspiel haben könnte: "Das wird diskutiert werden müssen." Denn Leclerc und Sainz seien beides erfahrene und gutbezahlte Rennfahrer, die es nicht geschafft hätten, über ein Rennwochenende fehlerfrei zu bleiben, so Schumacher: "Das ist frustrierend für das Team."

Auch der frühere Weltmeister Nico Rosberg ging bei Sky mit Leclerc hart ins Gericht. "So etwas darf ihm nicht passieren, gerade wenn du um eine WM gegen Max Verstappen kämpfst. Da darf er sich nicht von alleine so wegdrehen, auch weil kein Druck von hinten kam. Er hatte eigentlich nur Druck nach vorne, weil er Perez überholen wollte. Das darf nicht passieren, das war nicht gut", so der Deutsche.

Kann es Leclerc über eine ganze Saison?

Der frühere Ferrari-Pilot Gerhard Berger stellte ebenfalls klar, dass man sich solche Fehler in so einer harten Meisterschaft nicht leisten könne: "Er war ganz alleine unterwegs und hatte alle Zeit der Welt", sagte er bei ServusTV. Die spannende Frage, die sich nicht nur Berger stellt: "Leclerc ist ein schneller Pilot, keine Frage. Aber jetzt werden wir sehen, wie gut er über eine ganze Saison in einem Titelkampf ist."

Das ist der Knackpunkt: Sein beeindruckendes Können hat Leclerc in seinen bislang drei Ferrari-Jahren auf hohem Niveau immer wieder zeigen können. Den enormen Druck eines Titelkampfes, die exorbitant steigenden Erwartungen, die hochkochenden Emotionen rund um Ferrari, wenn es um den ersten Titelgewinn seit 2007 geht – das alles erlebt der 24-Jährige zum ersten Mal. Vor ihm sind schon ganz andere Piloten an dem Titeldruck in Maranello gescheitert, in den letzten zehn Jahren zum Beispiel Fernando Alonso und Sebastian Vettel.

Aus Fehlern lernen

"Es war schon immer meine Stärke, aus Fehlern zu lernen. Es wird nicht wieder passieren", betonte Leclerc. Klar ist: Weitere Patzer darf er sich nicht erlauben, sein Vorsprung nach vier Rennen auf Imola-Sieger Verstappen beträgt 27 Punkte. Das Momentum gehört allerdings Red Bull Racing.

Klar ist aber auch: Es liegt nicht nur an ihm. Wie geht der Rennstall mit dem Rückschlag um? Wie läuft die weitere Entwicklung des Ferrari? Wie verändert sich die Stimmung, wenn Red Bull die anfänglichen Zuverlässigkeitsprobleme dauerhaft abstellt und die Performance der Autos von Verstappen und Sergio Perez nach dem Doppelsieg immer besser wird? Es wäre nicht das erste Mal, dass bei Ferrari aus einer lässigen Leichtigkeit eine verkrampfte Verzweiflung wird.

Teamchef Mattia Binotto bleibt betont gelassen, erklärte, dass man immer noch ein Lächeln beibehalten könne, "denn die Saison ist noch lang und wir haben noch einige Entwicklungen vor uns. Und die Fahrer werden wieder Gelegenheiten haben, um es besser zu machen". Oder eben auch schlechter. Denn manche Dinge ändern sich bekanntlich nie.

Verwendete Quellen:

  • TV-Übertragungen von Sky und ServusTV
  • Pressekonferenzen
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