- Sebastian Vettel kritisiert immer wieder die Formel 1 und vollzieht in der Außenwirkung einen erstaunlichen Imagewandel.
- Experten glauben, dass sich der Heppenheimer deshalb im Moment die Sinnfrage stellt: Will ich noch Formel 1 fahren?
- Aston Martin hat die Fahrerpaarung für 2022 noch nicht verkündet, Vettel selbst druckst bei Fragen zu seiner Zukunft herum.
Eine gewisse Altersmilde ist bei
Was wiederum dazu führt, dass es Spekulationen um seine sportliche Zukunft gibt. Die schien für 2022 bei Aston Martin zu liegen – so glasklar wie vor einigen Wochen ist das aber offenbar nicht mehr.
Dafür sorgt auch Vettel selbst, der zuletzt im Rahmen des 13. Saisonrennens in Zandvoort auf die Frage nach der kommenden Saison herumdruckste – und dabei eine seltsame Mischung aus Bestätigung inklusive Hintertürchen gab. "Ich denke schon …", sagte er auf die Frage, ob er 2022 für Aston Martin fahre. Hintergrund: Vettel soll einen sogenannten 1+1-Vertrag besitzen, bei dem beide Parteien bis zu einem bestimmten Datum eine Option für die kommende Saison ziehen können.
Teamchef: "Werden darüber sprechen, was wir nächstes Jahr machen"
Teamchef Otmar Szafnauer bestätigte, dass es Daten innerhalb des Vertrags gibt, zu denen eine Entscheidung gefällt werden muss. Diese Daten sind noch nicht erreicht. "Wir mögen Sebastian, er mag uns und wir werden jetzt darüber sprechen, was wir nächstes Jahr machen", sagte er.
"Was wir machen …" hört sich auch nicht danach an, als sei bereits alles in trockenen Tüchern. "Ich glaube, Sebastian ringt gerade mit sich selbst, diese Entscheidung zu treffen: wann mache ich was?", erklärte Sky-Experte
Kurz gesagt: Vettel stellt sich möglicherweise die Sinnfrage. "Ich glaube, er ist gerade in der Findung. Will er sich das noch antun oder will er das nicht?", mutmaßte Schumacher. "Er muss das für sich entscheiden. Ich glaube, deshalb zögert und hadert er ein bisschen. Das ist seine persönliche Entscheidung. Bin ich lieber bei den Kindern oder gebe ich nochmal Vollgas?"
Zwei wichtige Punkte für Vettel
Zwei wichtige Punkte kommen zusammen: Zum einen die sportliche Seite. 2021 fährt Vettel bis auf wenige Ausnahmen mit Aston Martin meist nur im Mittelfeld mit, die Ansprüche des Ex-Champions sind fraglos andere. Wie es 2022 mit dem neuen Reglement und den neuen Autos aussehen wird – offen. Die monetären Voraussetzungen sind mit dem Geld von Mitbesitzer Lawrence Stroll, immerhin Milliardär, allerdings vorhanden. Doch Geld alleine garantiert auch in der Formel 1 keine Siege – zumindest nicht kurzfristig.
Der zweite Punkt ist der angesprochene Wandel Vettels: Der 34-Jährige wird zu einem der größten Kritiker der Formel 1, hinterfragt und prangert an, legt den Finger in die Wunde, und das in diversen Bereichen.
Außerdem nutzt er die Rennserie auch als Bühne. So setzt er mit dem Kniefall vor jedem Rennen ein Zeichen gegen Rassismus, in Ungarn setzte er sich mit einem Regenbogen-Shirt mit dem Aufdruck "Same Love" für die Rechte der Homosexuellen ein. Für die Aktion hatte er von der Rennleitung eine Verwarnung kassiert.
Vettel: "Man kann sich nicht wegducken"
"Ich denke, es gibt Themen, da kann man sich nicht wegducken oder sagen: 'Das gehört hier nicht hin. Lasst uns nicht darüber sprechen.' Manche Themen sind so groß, dass sie buchstäblich überall hin gehören, und jeder muss sich dessen bewusst sein", sagte Vettel dem Sender BBC. Aber sollte man Sport und Politik tatsächlich vermischen? Vettel: "Sprechen wir über Politik, wenn wir über Menschenrechte reden? Ich denke nicht so."
Daneben macht er keinen Hehl aus seiner grünen Einstellung, verriet, dass er die gleichnamige Partei Ende September wählen wird. Er redet aber nicht nur, er geht auch praktisch voran: In Silverstone sammelte er nach dem Rennen mit den Fans Müll auf, er ist Botschafter für das Projekt "BioBienenApfel" und hatte auch ein Praktikum auf einem Bio-Bauernhof gemacht.
"Es geht darum, das eigene Handeln zu hinterfragen. Jeder hat seinen eigenen Zugang", sagte Vettel. "Ich finde es toll, dass wir ein bisschen was tun können. Jeder Einzelne kann mitmachen."
Vettel hinterfragt dabei nicht nur sich, sondern auch die Formel 1. Denn die Königsklasse macht zu wenig für Nachhaltigkeit und Umweltschutz, findet er. Und mit der Meinung hält er nicht hinterm Berg, er bezieht Position und eckt damit in der Formel 1 auch an.
Vettel: "Im Moment läuft zu viel schief"
"Die Frage ist, ob uns das reicht als Gesellschaft. Die Antwort ist: nein", sagte er bei Sky. "Im Moment läuft zu viel schief. Das Ärgerliche ist, dass manche Lösungen schon auf dem Tisch liegen. Vielleicht nicht ganz perfekt, aber sie sind schon da. Da ist es schade, dass wir uns dem Neuen so verschließen und uns dagegen sträuben", sagt Vettel und spielt damit auf nachhaltigen Kraftstoff an. Der soll erst in ein paar Jahren eingeführt werden – zu spät, findet Vettel.
Hinzu kommt unverhohlene Kritik an den Machern bei den Abläufen beim Regenrennen in Spa. Er legte sich mit der Rennleitung an, monierte, dass ein Fahren zu unsicher sei, kritisierte die Entscheidung, dass man nur wegen des Geldes die zwei Showrunden gefahren sei.
Dass er nach einem Crash von Lando Norris in der Eau Rouge als erster an der Unfallstelle hielt und erst weiterfuhr, als der McLaren-Pilot Entwarnung gegeben hatte, zeigte den neuen Vettel und seine veränderte Popularität formschön in einer einzigen Aktion.
Beeindruckender Wandel
Bemerkenswert dabei: Es ist noch nicht lange her, dass Vettel mit Patzern, Jähzorn und Dickköpfigkeit Fans gegen sich aufbrachte. Im Mai 2020 stellte das Fachportal "The Race" noch die Frage: "Warum hassen so viele Sebastian Vettel?" Doch dabei ging es um den Sportler Vettel. Der steht durch zwei schwache Saisons nicht mehr so im Fokus, dafür immer mehr der Mensch Vettel.
Der hat sich auch verändert, und mit ihm seine Sicht auf die Dinge. Eine Altersmilde, die seine Sinne für die wichtigen Dinge abseits des großen Milliarden-Zirkus noch einmal zusätzlich schärft? Möglich, doch bei allem Image-Wandel hatte Vettel schon immer einen Blick über den Tellerrand hinaus geworfen. Im Herbst seiner Karriere sehen ihn die Fans nun aber als "Old School", "Ehrenmann" und als "Elder Statesman" der Formel 1. Eine Rolle, die ihm steht.
Der neue Vettel wird von den Fans mehr und mehr gefeiert – er selbst scheint sich aber dabei auch zu fragen, ob die heutige Formel 1 das ist, was er tatsächlich noch machen will. Nicht nur, was den Umweltschutz betrifft. Denn bei aller Lockerheit und Altersmilde – für ein dauerhaftes Fahren im Mittelfeld ist Vettel dann doch noch zu ehrgeizig.
Verwendete Quellen
- sport.sky.de: "Ex-Weltmeister im Zwiespalt? Vettel lässt Zukunft offen"
- bbc.com: "Sebastian Vettel on speaking out as an LGBTQ+ ally: 'Everyone has the same right to love'"
- the-race.com: "Why do so many hate Sebastian Vettel?"
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.