Die Union fordert, Migrantinen und Migranten künftig an der Grenze zurückzuweisen. Die Ampel scheint den Worten von Innenministerin Faser zufolge auf diesen Kurs einzugehen. Doch Migrationsforscher halten das für rechtlich nicht haltbar und kritisieren die Debatte als populistisch.
Migrationsforscherinnen und -forscher wenden sich mit scharfen Worten gegen die Pläne, Geflüchtete direkt an der Grenze zurückzuweisen. "Die aktuell diskutierte Politik, schutzsuchende Personen an den Grenzen Deutschlands zurückzuweisen, stellt einen gefährlichen Populismus in der migrationspolitischen Debatte dar", erklärte der Rat für Migration am Dienstag. "Aus der geltenden Gesetzeslage ergibt sich unzweifelhaft, dass eine Zurückweisung von schutzsuchenden Personen rechtswidrig ist."
Der Rat wandte sich auch gegen die Idee, einen nationalen Notstand gemäß den europäischen Verträgen auszurufen, um die Zurückweisungen an der Grenze zu legitimieren. "Alle bisherigen Versuche, auf diesem Weg EU-Recht zu umgehen, sind vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) zurückgewiesen worden." Das Ausrufen eines Notstands wäre "eine brandgefährliche Strategie" und zudem "rein taktischer Natur".
"Die Folgen einer Politik der Zurückweisung von schutzsuchenden Personen an deutschen Grenzen sind unabsehbar", fügte der Rat hinzu. "Aus migrationswissenschaftlicher Perspektive sind nationale Alleingänge im System einer koordinierten europäischen Migrationspolitik kontraproduktiv. Sie führen zu unerwarteten Dynamiken im Migrationsgeschehen und blockieren die Weiterentwicklung europäischer Politik."
Migrationsforscher kritisieren populistische Debatte
Auch die von Bundesinnenministerin
Das europäische Asylsystem und das individuelle Grundrecht auf Asyl würden derzeit grundlegend in Frage gestellt - dabei handele es sich um eine populistische Debatte, beklagte der Rat. "Notwendig ist es nun vielmehr, eine evidenzbasierte Debatte zur Migrationspolitik in Europa zu beginnen." Im Rat für Migration haben sich mehr als 200 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterschiedlicher Disziplinen zusammengeschlossen.
Die Grenz-Zurückweisung von Menschen ohne Bleiberecht in Deutschland ist die zentrale Forderung der Unionsfraktion in Verhandlungen mit der Bundesregierung und den Ländern über die künftige Migrationspolitik. Die nächste Runde der Gespräche wurde für Dienstagnachmittag angesetzt.
Faeser hatte Montag parallel zur Anordnung der Grenzkontrollen erklärt, die Regierung habe ein "Modell für europarechtskonforme und effektive Zurückweisungen" von Geflüchteten an den Grenzen entwickelt, das über das bisherige Maß hinausgehe. Details wollte sie zunächst nicht nennen.
Bislang werden Asylsuchende von der Grenze in Aufnahmelager im Gebiet der Bundesrepublik gebracht. Danach wird geprüft, ob ein anderes EU-Land nach den so genannten Dublin-Regeln für das Asylgesuch zuständig ist und die Person dorthin zurückgeschickt werden kann. (afp/bearbeitet von thp)
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