Im ersten TV-Duell des US-Präsidentschaftswahlkampfes zwischen dem republikanischen Amtsinhaber Donald Trump und seinem demokratischen Widersacher Joe Biden gab es keinen Sieger. Statt um die besten Inhalte zu ringen, verlor sich das Duo in persönlichen Angriffen. Sogar Moderator Chris Wallace geriet unter Beschuss.
Beleidigungen, persönliche Angriffe und ständiges Ins-Wort-Fallen: Es war ein teilweise unwürdiges Spektakel, das sich Amtsinhaber
Während sich Trump in der 90-minütigen Debatte in Cleveland/Ohio aggressiver präsentierte, sogar vor Attacken auf Bidens Familie nicht zurück schreckte und ihn häufig nicht ausreden ließ, nannte der 77-Jährige seinen Konkurrenten (74) unter anderem "Lügner", "Clown", "Rassisten", "Putins Welpen" und "den schlechtesten Präsidenten, den Amerika je hatte". Moderator Chris Wallace hatte alle Mühe, die Diskussion in geordnete Bahnen zu lenken – und scheiterte häufig.
Trump greift Moderator Wallace an
Gleich die Anfangsminuten entwickelten sich zu einem wilden Wortgefecht mit thematischen Sprüngen. Trump wurde nach der Besetzung des vakanten Sitzes am Supreme Court befragt.
"Wir haben die Wahl gewonnen, wir haben das Weiße Haus. Wir haben das Recht, das zu tun. Wir haben eine fantastische Nominierte", sagte er.
Biden plädierte dagegen für eine Verschiebung der Besetzung nach der Wahl, da er die Abschaffung von "Obamacare" durch eine konservative Richtermehrheit befürchtet. Warum er nach fast vier Jahren keinen Plan für eine Krankenversicherung habe, wollte Wallace daraufhin von Trump wissen.
"Ich glaube, ich debattiere mit Ihnen, nicht mit ihm", sagte der Amtsinhaber genervt zum Fox-News-Moderator. "Ich bin nicht überrascht." Wallace reagierte mit einem sarkastischen Lachen.
Biden nutzte die Sequenz zu einem Frontalangriff auf Trump: "Jeder weiß, dass er ein Lügner ist." Trump habe keinen Plan für eine Krankenversicherung. "Wie für alles, über das er spricht".
Wieder und wieder fiel Trump seinem Gegner ins Wort. Eigentlich war vereinbart, dass je zwei ununterbrochene Minuten für Antworten zur Verfügung stehen.
"Es ist hart, überhaupt zum Punkt zu kommen bei diesem Clown", sagte Biden. Als ihm eine Antwort nicht gefiel, machte er eine "Blabla"-Geste Richtung Trump.
Das war das Niveau an diesem Abend.
Biden verteidigt seinen Sohn gegen Trumps Angriff
Während Biden sich zumindest bemühte auf Fragen inhaltlich fundiert zu antworten (wenn er ausreden durfte), wich Trump konkreten Antworten immer wieder aus. Es war offenbar vor allem seine Strategie, den Demokraten persönlich zu diskreditieren.
So bezichtigte er Bidens Sohn Hunter der Korruption und versuchte Biden mit Hunters frühere Kokainproblemen aus der Fassung zu bringen.
"Mein Sohn hatte ein Drogenproblem wie viele andere Leute. Er hat es überwunden. Er hat daran gearbeitet. Ich bin stolz auf ihn", entgegnete Biden.
Zu Trumps haltlosen Vorwurf, unter einem Präsidenten Biden hätte es in den USA Millionen Tote durch die Corona-Pandemie gegeben, sagte Biden: "Das ist nicht wahr!".
Es war der mit Abstand häufigste Satz, den der 77-Jährige von sich gab. Die Worte fielen auch, nachdem Trump behauptet hatte, Biden sei im College "Schwächster seiner Klasse" gewesen. Biden konterte wenig später, der Präsident spiele die ganze Zeit Golf, anstatt sich um die Probleme des Landes zu kümmern.
Und von denen gibt es aktuell mehr als genug: Rassismus und Polizeigewalt, die Wirtschaftskrise, Waldbrände in Kalifornien – um nur einige zu nennen. Umso trauriger ist es, dass die Widersacher nicht versuchen, sich gegenseitig mit den besseren Argumenten zu besiegen. Stattdessen geht es zu wie im Kindergarten: "Du bist so unfähig!" - "Nein! Du bist so unfähig!"
Trump weicht Frage nach Steuererklärung aus
Eine der spannendsten Fragen war, ob Trump 2016 und 2017 tatsächlich nur 750 Dollar Einkommensteuer bezahlt habe, wie die "New York Times" kürzlich enthüllte. Nein, behauptete der Präsident. Es seien "Millionen von Dollar" gewesen.
Auf Bidens Forderung, er solle wie er selbst seine Steuererklärung offen legen, erklärte Trump, die Behörden hätten sie noch nicht freigegeben. Trump redete sich raus – wieder einmal.
Wirklich gruselig wurde es, als Trump die Wahl am 3. November schon im Vorfeld als riesigen "Betrug", "Desaster" und "Schande" beschrieb.
Er gehe davon aus, dass die große Zahl an Briefwahlstimmen zu Manipulationen führen wird.
Biden versprach, unabhängig vom Sieger den Ausgang der Wahl zu akzeptieren. Und im Falle eines Sieges ein Präsident für alle Amerikaner zu sein: "Demokraten und Republikaner".
Es war einer der wenigen präsidialen Momente der Debatte.
Fazit: Biden menschelt mehr, Biden verhaspelt sich mehr
Nach eineinhalb Stunden war das unwürdige Spektakel zu Ende.
Unentschiedene Wähler dürfte weder Biden, noch Trump mit diesem Auftritt überzeugt haben.
Von Trump konnte man wohl nichts anderes erwarten als Attacke, Attacke, Attacke – in Pöbelmanier. Aber dass sich Joe Biden – in dieser Häufigkeit – immer wieder zu herablassenden Gesten und Beleidigungen hinreißen ließ, überraschte. Auch wenn er Trump erst vor wenigen Tagen mit Nazi-Größe Joseph Goebbels verglichen hatte.
Dass Biden zwischendurch menschelte, indem er die Zuschauer direkt ansprach, ging da fast völlig unter.
Hinzu kam, dass Biden Zweifel an seiner geistigen Fitness nicht ausräumen konnte. Er wirkte verkrampft konzentriert, verhaspelte sich hin und wieder, verlor manchmal den Faden oder beantwortete Fragen, die so gar nicht gestellt wurden.
Einen Sieger gab es in dieser ersten TV-Debatte nicht. Bleibt allein die Hoffnung, dass das Niveau in den kommenden zwei Duellen nicht noch weiter sinkt.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.