- Frank Ullrich war Biathlon-Olympiasieger und -Nationaltrainer, nun will er für die SPD in den Bundestag. Dabei tritt er in seinem Wahlkreis 196 in Südthüringen gegen den von der CDU nominierten Ex-Verfassungsschutzchef Hans-Georg Maaßen an.
- Eigentlich sollte für die hiesige CDU Mark Hauptmann kandidieren. Nach seiner Verwicklung in die Masken-Affäre hat er die Partei jedoch verlassen.
- Wir haben mit Frank Ullrich über die heiß diskutierte Personalie in der CDU und seine Ziele gesprochen.
Herr Ullrich, seit die CDU
Frank UIlrich: Mit so viel Aufmerksamkeit hatte ich natürlich nicht gerechnet, mein Telefon steht seit Tagen nicht mehr still. Für die Region ist das eine tolle Sache und eine große Chance. Die will ich mit meiner Kandidatur nutzen.
Was halten Sie von Ihrem CDU-Gegenkandidaten?
Ich habe ein bisschen das Gefühl, dass da jemand hierher gekarrt wird, der keinen Bezug zur Region hat und nun die Welt retten soll. Aber grundsätzlich ist es für mich unwichtig, wer für die CDU antritt. Gerechnet hatten wir ja mit Mark Hauptmann, der aber nun nach seinen Verwicklungen in die Masken- und Aserbaidschanaffäre die Partei verlassen hat. Nun höre ich auch aus Reihen der hiesigen CDU: "Wir haben das Problem mit Mark Hauptmann noch gar nicht aufgearbeitet, nun kommt mit Maaßen schon das nächste um die Ecke." Aber nochmal: Die CDU muss mit ihrer Personalentscheidung zurechtkommen, nicht ich.
Sie sind Ehrenbürger Ihrer Heimatgemeinde Trusetal, sitzen in Suhl im Stadtrat: Sie müssen doch eine klare Meinung dazu haben, dass die CDU einen gebürtigen Mönchengladbacher gegen Sie ins Rennen schickt.
Ich bin hier aufgewachsen und habe, ob auf Skiern oder dem Rad, jeden Fleck unserer schönen Natur kennengelernt. Persönlich hätte ich lieber mit jemandem konkurriert, der die Region, die Menschen und ihre Sorgen ebenso kennt, der hier verwurzelt ist. Aber ich will Herrn Maaßen nicht vorverurteilen. Vielleicht zieht er ja mit seiner Familie hierher und engagiert sich auch über die Bundestagswahl hinaus im Wahlkreis – und nutzt die Kandidatur nicht nur als Sprungbrett in die Bundespolitik.
Was sind die Sorgen der Menschen in Ihrem Wahlkreis?
Auch 30 Jahre nach der Wiedervereinigung spüren viele Menschen noch immer eine Ungleichbehandlung. Sie fühlen sich abgehängt, nicht zuletzt beim Einkommen. Im Lohn- und Gehaltsgefüge liegen wir zum Beispiel 21 Prozent hinter Baden-Württemberg, der Vergleich mit Hessen und Bayern sieht nicht besser aus. Kein Wunder also, dass gerade junge Menschen abwandern. Suhl ist in den letzten Jahrzehnten von etwa 60.000 auf 34.000 Einwohner geschrumpft. Auch eine meiner beiden Töchter ist weggezogen, weil ihr hier die beruflichen Möglichkeiten gefehlt haben. Das sind Themen, die die ostdeutsche Seele berühren und bei denen sich die Wählerinnen und Wähler wünschen, dass jemand in Berlin für sie kämpft.
Dieses Gefühl, abgehängt zu sein, hat die Wähler zuletzt häufig zur AfD getrieben. Sie sind bei der Landtagswahl 2019 dem AfD-Kandidaten um 0,9 Prozentpunkte unterlegen.
Das stimmt, aber: Von den Bürgerinnen und Bürgern in der Gegend höre ich ständig, dass sich ihr Landtagsabgeordneter René Aust, dem ich damals unterlegen bin, kaum blicken lässt und wenig für die Menschen durchgesetzt hat. Das finde ich sehr schade. Wenn mich der Bürgermeister meiner Heimatgemeinde anruft und erzählt, dass der Wasserfall – ein absolutes Highlight von Trusetal – wegen umgeknickter Bäume nicht angestellt werden kann, dann klemme ich mich dahinter, dass die Leute vor Ort Hilfe bekommen. Strukturell kommt von der AfD leider wenig bis nichts. Nur wenn es um ihr Lieblingsthema geht, da ist sie sehr deutlich zu hören.
Was meinen Sie?
In Suhl gibt es eine Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge. Dort hat es im Umkreis Vorfälle gegeben, wo die Einheimischen danach geklagt haben, dass sie sich nicht mehr sicher fühlen. Und für mich ist auch ganz klar: Wer zu uns kommt und sich nicht an die Gesetze hält, der muss zur Rechenschaft gezogen werden.
Das würde sicher auch die AfD so unterschreiben.
Die greift leider direkt zur großen Keule und will die Erstaufnahmeeinrichtung sofort schließen. Aber Generalisieren hilft uns nicht. Ich habe die Einrichtung und die Menschen dort besucht. Das sind viele Familien, die aus Gegenden geflohen sind, wo einem die Kugeln um die Ohren fliegen. Diese Menschen sind glücklich und dankbar, dass sie in Thüringen eine neue Heimat finden können. Wir brauchen in der Region für die Zukunft Menschen, die gerne hier leben und arbeiten wollen. Mit der Politik der AfD wird uns deren Integration sicher nicht gelingen. Solidarität, Kollegialität und besonders Respekt sind ostdeutsche Tugenden, die wir uns nicht nehmen lassen wollen.
Herr Maaßen hat sich in seiner Antrittsrede von der AfD abgegrenzt.
Das stimmt, aber unterstützt wird er in seinem Wahlkreis besonders von der Werteunion und von Teilen der CDU, die schon nach der letzten Landtagswahl dafür waren, mit der AfD Gespräche aufzunehmen. Es ist kein Zufall, dass sie ausgerechnet Maaßen hierher geholt haben, der in der Vergangenheit mehrfach mit rechtspopulistischen Äußerungen aufgefallen ist. Ich sage ganz klar: Herr Maaßen fischt am rechten Rand. Als SPD ist es nun unsere Aufgabe, den Wählerinnen und Wählern ein besseres Angebot zu machen.
Sie kandidieren in einer Wintersportregion mit dem Zentrum Oberhof. Könnte der Sport auch ein wichtiges Thema für Sie im Wahlkampf werden?
Mit Sicherheit. Eines meiner Ziele wäre, mich für den Sportausschuss im Bundestag zu bewerben, falls ich den Einzug schaffe. Durch die Weltcupveranstaltungen im Biathlon und Rennschlittenbereich in Oberhof hat unsere Region eine große Strahlkraft. Diese Erfahrung würde ich gerne einbringen. Und ich möchte meiner Heimat und den vielen Menschen hier, die zu meiner aktiven Zeit als Profisportler für mich da waren und mich unterstützt haben, etwas zurückgeben.
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