• Wer hat das TV-Triell gewonnen? Wer schaltete auf Angriff? Wer war zu defensiv?
  • Der Körpersprache-Experte Michael Moesslang analysiert das letzte Triell der Kanzlerkandidaten vor der Bundestagswahl.

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Herr Moesslang, war das dritte und letzte TV-Triell vor der Bundestagswahl das Spannendste?

Michael Moesslang: Nein, ich fand es richtig langweilig, noch weniger lebhaft als das erste Triell. Ich habe langsam das Gefühl, dass die Luft einfach raus ist. Die Moderatoren haben die gleichen Themen durchgenudelt wie bei den letzten beiden Veranstaltungen, anstatt mal etwas Neues anzuschneiden.

Sie waren also unzufrieden mit den Moderatorinnen Linda Zervakis und Claudia von Brauchitsch?

Keineswegs. Ich fand die Journalisten deutlich besser als beim letzten Mal. Gerade bei ARD und ZDF habe ich mich richtig aufgeregt, wie schlecht die waren. Oliver Köhr, der das letzte Triell moderiert hat, war wirklich eine ganz große Katastrophe. Das haben Zervakis und von Brauchitsch relativ gut hingekriegt. Gut hat mir gefallen, dass das Moderatorinnen-Duo konsequent unterbrochen hat, wenn einer der Kandidaten zu lange redete, was ja immer schwierig ist, weil beide Seiten geschult sind und sich nicht einfach unterbrechen lassen. Interessant fand ich außerdem, dass alle gemeinsam – also auch die Journalisten – auf Armin Laschet losgegangen sind.

Das heißt, Armin Laschet war praktisch durchweg in der Defensive?

Ja, dieser Abend war die reinste Defensivshow von Armin Laschet, der zwar auch versucht hat, anzugreifen, aber oft nicht mehr durchgekommen ist, weil er von allen Seiten attackiert wurde. Es wurde ja während des Duells oft erwähnt, dass Laschet die höchste Redezeit hatte. Angesichts der Tatsache, dass er durchweg auf Angriffe reagieren musste, fand ich das absolut nachvollziehbar.

Wie parierte Laschet die Angriffe? Wirkte er vital oder müde?

Laschet wirkte vitaler als Scholz. Für mich hat er die größte Wandlung zwischen den drei Triellen durchgemacht. Beim ersten Triell wirkte er noch sehr freundlich, so, wie man ihn normalerweise kennt. Im zweiten Triell ist er dann in den Angriffsmodus übergegangen - wahrscheinlich haben ihm seine Berater dazu geraten - und hat Scholz ziemlich deutlich und wiederholt attackiert. Und beim letzten Triell hat er wieder Kampfeslust demonstriert, wurde aber gleichzeitig sehr hart angegriffen.

Laschet setzt bisher darauf, beim Publikum sympathisch zu wirken – konnte aber mit dieser Strategie keines der TV-Duelle gewinnen. Wieso?

Das frage ich mich auch. Laschet sendet mit seiner Körpersprache eigentlich viele positive Signale: Er hat eine lebendige Gestik, er betont sehr schön, er gewichtet seine Wörter gut und er hat eine aktive Mimik und ein freundliches Lächeln. Allerdings gibt es auch ein paar negative Dinge: Wenn Laschet eine Frage annimmt, dann geht er oft mit dem Kopf nach unten und erst wieder rauf, wenn er antwortet. Das ist ein natürliches Bewegungsmuster, wirkt aber so, als würde er etwas ablesen. Wenn er mal nicht im Mittelpunkt steht, dann hat er einen traurigen, zuweilen auch verzweifelt wirkenden Blick. Und gelegentlich stellt er sich schief hinter das Pult, und nicht aufrecht und gerade, was Scholz ja fast permanent macht. Diese Stehposition nimmt ihm die Wirkung als Staatsmann und als Anführer. Und das ist es ja, was wir als Wähler wollen.

Olaf Scholz liegt in den Umfragen vorne. Spielte er auf Platz oder auf Sieg?

Bei Scholz war vieles ähnlich zu dem, wie wir es bei den letzten beiden Triellen gesehen haben. Beim ersten Triell war er richtig langweilig drauf, da hatte er kaum Mimik im Gesicht. Beim zweiten Triell zeigte er etwas mehr Körpersprache, und nun war es so ein Zwischending. Scholz hatte Phasen, da war viel Mimik und Gestik zu sehen, zum Beispiel beim Thema Umwelt, wo er langweilig begonnen hatte und zum Schluss richtig passioniert wirkte. Auffällig war, dass Scholz am Sonntag stark gewankt hat, also sein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagerte. Das kann Unbehagen ausdrücken, weil wir immer dann zum Wanken neigen, wenn wir uns nicht wohlfühlen. Oder – und das halte ich für wahrscheinlicher – Scholz hat zum Ende hin keine Energie mehr gehabt. Letzteres wurde auch durch seine Körperhaltung bestätigt. Er ist zum Schluss eingesunken, hat sich am Rednerpult festgeklammert, lehnte sich vor und zurück.

Der unsichere Stand war bei Scholz allerdings auch besser wahrnehmbar: Er wurde von der Seite gefilmt.

Das ist tatsächlich etwas, das ich bei allen Triellen nicht gut fand: Die beiden Herren wurden immer schräg gefilmt, Frau Baerbock stand hingegen in der Mitte und wurde frontal aufgenommen. Das hat sie auch ausgenutzt, indem sie mehrfach direkt in die Kamera gesprochen hat, also die direkte Ansprache wählte, was ja durchaus sinnvoll ist, wenn man die Stimme der Wähler gewinnen will. Allerdings hat Baerbock am Anfang auch als einzige der Duellanten die Zuschauer gegrüßt, Scholz und Laschet haben lediglich genickt. Da haben die Männer eine Chance versäumt.

Scholz wirkte gelegentlich amüsiert, wenn sich Laschet und Baerbock fetzten. Ist Lächeln in so einem Moment gestattet?

Scholz hat sich natürlich gefreut, wenn Frau Baerbock Herrn Laschet angegriffen hat und umgekehrt – denn dann musste er es nicht tun. Insgesamt hatte ich aber eher den Eindruck, dass Scholz total gelangweilt und müde wirkte, wenn Laschet und Baerbock diskutierten, so als wäre bei ihm komplett die Luft raus.

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Wenn Scholz zu Wort kommen wollte, unterbrach er seine Gegner nicht – stattdessen gab er den Moderatorinnen dezent ein Zeichen. Ist das souverän oder eine Spur zu zurückhaltend?

Jedenfalls strahlt er mit so einem Verhalten nicht unbedingt Macht aus. Einige werden sich aber auch denken: "Ach, schau an, der ist höflich und fällt den anderen nicht ins Wort." Die Menschen sind bei der Frage, ob sich Politiker gegenseitig ins Wort fallen sollten, ohnehin sehr verschieden in der Wahrnehmung. Die einen kreiden es den Politikern an, vor allem Frauen, die sich aber selbst durchaus auch gerne mal ins Wort fallen. Die anderen finden es nicht schlimm und erkennen, wer sich durchsetzen kann.

Annalena Baerbock hat Armin Laschet mehrmals brüsk unterbrochen – und warf ihm vor, nicht bei den Fakten zu bleiben. War das klug?

Sie hat ein wenig die Rolle von Olaf Scholz übernommen, der beim letzten Triell Laschet andauernd unterbrach und ihm unterstellte, die Unwahrheit zu erzählen. Ich finde so etwas schwierig, denn wenn Frau Baerbock sagt, Laschet solle bei den Fakten bleiben, dann unterstellt sie ihm ja implizit, er würde lügen. Das kann bei einigen als zu offensiv wahrgenommen werden.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Wem gelang der "lucky punch"?

Frau Baerbock hat es immer wieder geschafft, einen einzelnen Begriff unterzubringen. Die Grünen sind bekannt dafür, dass sie gerne mit Verboten arbeiten. Frau Baerbock drehte den Spieß einfach um, und verwendete in einer Passage gleich fünf Mal das Wort "Freiheit". Das sind rhetorische Mittel, die sie sehr gut einsetzt, und die beim Zuseher hängen bleiben. Beim letzten Mal hat sie dasselbe übrigens mit dem Wort "wegducken" in Bezug auf die bisherige Koalition getan.

Wer hat Ihrer Meinung nach das letzte Triell gewonnen – und wer hat verloren?

Olaf Scholz ist am souveränsten rübergekommen, auch wenn er manchmal langweilig und wenig sympathisch wirkte. Frau Baerbock ist unsympathischer rübergekommen, was an ihrer Stimme, an ihrer schnellen Redeweise und an ihrer oft erhobenen Nase wirkt. Das wirkt arrogant. Scholz hat damit den Vorteil, dass er nicht der Unsympathischste in diesen Triellen ist und am Ende als der Staatsmann rüberkommt, dem man abkauft, dass er Bundeskanzler werden kann.

Michael Moesslang ist Experte für Präsentation, Körpersprache und Rhetorik. Er hat Erfahrung aus knapp 1500 Vorträgen. Als Lehrbeauftragter unterrichtet er unter anderem an der Universität Regensburg und der Zürich International Business School.
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