- Beim Sturm auf das Kapitol in Washington am 6. Januar – zwei Wochen vor Joe Bidens Vereidigung – haben Trump-Anhänger, Verschwörungstheoretiker und Rechtsextreme gemeinsam agiert.
- Viele von ihnen trugen besondere Zeichen auf Flaggen und Bekleidung, manche auch als Tätowierungen am Körper.
- Ein Experte meint: Die amerikanischen Ultra-Rechten sind stolz, dass sie ihre Symbole präsentieren konnten. Und er ist sich sicher: "Da kommt noch was!"
Wer sich die kurzen Videofilmchen ansieht, die Kapitol-Eindringlinge am 6. Januar auf der mittlerweile abgeschalteten Blogger-Plattform Parler gepostet haben, hört viele Schimpfworte, Flüche und "America First!"-Rufe aus kehligen, heiseren, hasserfüllten Stimmen. "We're in the fucking Capitol" ("wir sind im beschissenen Kapitol)", grölt einer, "It’s amazing!" ("das ist toll!"), jubelt eine Frauenstimme. Des Weiteren sieht man hilflose Wärter, die den Mob nicht daran hindern könne, drohend gegen Bürotüren zu poltern und Mobiliar zu zertrümmern – und viele Transparente und Fahnen. Um zu verstehen, was deren Aufschriften und Symbole bedeuten, braucht es Experten.
Ein Grundthema erkennt der Politikwissenschaftler Thomas Grumke: "Es ist vor allem Hass, der die Besetzer des Kapitols eint", sagt er im Gespräch mit unserem Portal. Zum Zweiten seien die Teilnehmer "außergewöhnlich egozentrisch". In ihren Argumentationen spiele das Wort "Ich" die Hauptrolle: "ICH will, ICH brauche, ICH werde betrogen, alle sind gegen MICH" – und wegen dieser Gemeinsamkeit im Charakter sei
Was nicht passt, wird passend gemacht
Zum Dritten sieht Grumke auch eine Gemeinsamkeit mit deutschen Anhängern von Verschwörungsmythen: "Sie sind sich einig, dass sich alle wichtigen Geschehnisse in ihr Weltbild einordnen lassen. Zu ihre Vorstellung gehört, dass dunkle Mächte die Welt beherrschen, dass ‚das Volk‘ von anderen kontrolliert und fremdgesteuert wird." Was in dieses Weltbild nicht passe, so Grumke, "das wird dann eben passend gemacht". Die Abschottung dieser Menschen von der Wirklichkeit habe "zum Teil pathologische Züge".
Wichtig für Gruppen, die sich umzingelt sehen vom "Bösen", von fremden, feindlichen Mächten, sind Zeichen und Symbole – an ihnen erkennen sich die "Eingeweihten". Das ist der Grund, warum Fahnen, Buttons und Tattoos auch bei der Erstürmung des Kapitols so wichtig waren. Gezeigt wurde dort, wie die "New York Times" schrieb, die Ikonographie des Rechtsaußen-Amerikas. Es enthülle, so die Zeitung, ein politisches Universum von "gewalttätigen Extremisten, offenen Rassisten, Anhängern von Verschwörungsmythen, Seite an Seite mit evangelikalen Christen und Trump-Fans aus den Vorstädten".
Im Kapitol wehte die Flagge der Sklaverei
Dass auffallend oft die Flagge der Konföderierten zu sehen war, wird von vielen amerikanischen Beobachtern als erschreckend empfunden. In den militärischen Einrichtungen des Pentagon ist sie verboten, gilt als Symbol des Rassismus. Sie war im amerikanischen Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 das Banner derer, die gegen Abraham Lincoln und für die Beibehaltung der Sklaverei kämpften. Der rechtsextreme und rassistische Ku-Klux-Klan nutzt die Flagge als Erkennungszeichen. Dylan Roof, der 2015 in einer Kirche neun schwarze Gläubige erschoss, posierte mit einer Konföderiertenflagge.
"Dass diese Flagge nun im Kapitol wehen durfte", sagt Experte Grumke, "ist ein Erfolg für die amerikanischen Rechtsextremen. Das ist, wie wenn jemand mit einer Hakenkreuzfahne durch den Bundestag läuft."
Die Gadsden-Flagge stammt aus der amerikanischen Revolution (zwischen 1763 und 1776) und war gegen England gerichtet. Sie zeigt eine sich ringelnde Klapperschlange auf gelbem Hintergrund, meistens mit dem Schriftzug "Don't tread on me" ("Tritt nicht auf mich"). Doch heute hat sich die Bedeutung völlig gewandelt von einem gegen die Kolonialherren gewandten Protest in die Leugnung fast jeder staatlichen Autorität. "Die Idee dahinter ist", so formuliert es Thomas Grumke: "Nur der lokale Sheriff hat mir was zu sagen". Die Warnung vor dem Biss der Klapperschlange gilt heute dem eigenen Staat. Und gefördert hat den Bedeutungswandel auch die "Tea-Party-Bewegung" vom rechten Flügel der republikanischen Partei. Auch sie benutzte das Symbol als Zeichen der Ablehnung von Befugnissen der Regierung in Washington.
Und schließlich haben sich auch noch die Verschwörungsgläubigen von der Q-Anon-Bewegung das Symbol zu eigen gemacht: Sie zeigen die Flagge gerne mit einer Schlange in Form des Q.
Von Q-Anon bis zu Pepe dem Frosch
Weiterhin beliebt ist auch nach dem Ende der Präsidentschaft von Donald Trump die zum Symbol gewordene Buchstabenkombination MAGA – die Abkürzung seines Wahlspruchs "Make America Great Again". Sie wird auf Fahnen, T-Shirts, Baseball-Mützen und anderen Kleidungsstücken gezeigt. Kruzifixe im Stil der Kreuzfahrer, aber auch heidnische Runensymbole lassen sich antisemitischen Organisationen zuordnen.
Auch völlig surreale Symbole haben sich zu Hass-Zeichen der Rechten entwickelt. Etwas Pepe der Frosch, eine populäre amerikanische Comicfigur. Dazu passend weht oft die grün-weiße Flagge von Kekistan, einem imaginären Fantasy-Staat, in dem "Kek" herrscht, eine Gottheit des Chaos und der Dunkelheit mit Frosch-Kopf.
Millionen gehören zum "harten Kern"
Was sich verrückt anhört, hat trotzdem Methode. Experte Thomas Grumke hat über den Rechtsextremismus in den USA promoviert, hat sich intensiv mit dem Terroranschlag in Oklahoma City beschäftigt, wo 1995 eine Bombe des rechtsextremen Timothy McVeigh 168 Todesopfer forderte.
Die Konföderiertenflagge im Kapitol war in Grumkes Augen eine wirksame Botschaft. Der Wissenschaftler ist sich sicher: "In den USA wird es noch knallen. Da kommt noch was." Unter den 45% der Wähler, die Donald Trump gewählt haben, gebe es einen "harten Kern" von vielen Millionen Menschen, die die neue Regierung für illegitim halten. Unter diesen werde sich immer jemand wie McVeigh finden, der die verrückten Botschaften ernst nimmt.
Verwendete Quellen:
- Videos der Kapitol-Besetzung am 6.1.2021
- Washington Post: Far-right symbols seen at the U.S. Capitol riot: What they mean and where they come from
- New York Times: Decoding the Far-Right Symbols at the Capitol Riot
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