Der Wahlkampf in der Türkei spitzt sich zu. Der Istanbuler Bürgermeister, Oppositionspolitiker Ekrem Imamoglu, ist bei einem Auftritt attackiert und mit Steinen beworfen worden. Mehrere Menschen wurden verletzt.

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Eine Woche vor den Wahlen in der Türkei ist der Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu von der größten Oppositionspartei CHP im Wahlkampf attackiert und zum Abbruch seines Auftritts gezwungen worden. Das Büro Imamoglus veröffentlichte Aufnahmen von dem Angriff in der osttürkischen Stadt Erzurum, wo der Politiker am Sonntag eine Wahlkampfrede hielt. Wütende Demonstranten schleuderten Steine gegen seinen Wahlkampfbus und zwangen Imamoglu, den Auftritt abzubrechen und den Ort zu verlassen.

Der Oppositionspolitiker sagte am Sonntagabend, eine Gruppe von Menschen habe am Nachmittag Steine auf ihn geworfen, als er von dem Dach seines Wahlkampfbusses aus eine Rede gehalten habe. Dabei seien mindestens neun Zuhörer verletzt worden, erklärte er in dem auf Twitter veröffentlichten Video. Die CHP verbreitete Bilder, auf denen Menschen mit Verletzungen am Kopf zu sehen war.

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Imamoglu schimpft über Provokation

Aufnahmen in Onlinenetzwerken zeigten, wie die Polizei die Demonstranten mit Wasserwerfern auseinander trieb und daran hinderte, den Bus weiter zu verfolgen. Laut türkischen Medienberichten wurden sieben Menschen leicht verletzt. Imamoglu warf den Sicherheitskräften vor, absichtlich nichts unternommen zu haben. Es handele sich um eine Provokation. Er betonte, dass der Vorfall nichts mit den Einwohnern in Erzurum zu tun habe, und verlangte eine Erklärung von den örtlichen Verantwortlichen. Die Provinz wird von der islamisch-konservativen Partei AKP von Staatschef Recep Tayyip Erdogan kontrolliert.

Innenminister Süleyman Soylu schrieb in einer ersten Reaktion auf Twitter: "Ekrem Imamoglu, der das Volk in Erzurum Provokateure nennt, ist selbst ein Provokateur."

Imamoglu machte sich am Abend noch auf den Weg zurück nach Istanbul. Zahlreiche Anhänger erwarteten ihn dort.

Enges Rennen zwischen Kilicdaroglu und Erdogan erwartet

Der Vorfall verdeutlicht, wie angespannt die Lage in der Türkei eine Woche vor der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ist. Imamoglu unterstützt in seinem Wahlkampf den Oppositionspolitiker Kemal Kilicdaroglu.

Kilicdaroglu verurteilte den Angriff auf Twitter und rief seine Anhänger dazu auf, ruhig zu bleiben. Er warf der Regierung vor, mit der Mafia und Militanten zusammenzuarbeiten und sagte: "Ihr Ziel ist, den Menschen Angst zu machen und sie von den Urnen fernzuhalten."

Der populäre Bürgermeister von Istanbul hat im Falle eines Wahlsieges der Opposition Aussicht auf den Posten eines Vizepräsidenten. In den Umfragen zeichnet sich ein enges Rennen zwischen Kilicdaroglu und dem seit 20 Jahren regierenden Erdogan ab.

Özdemir: Opposition in Türkei so nah an Sieg wie seit Jahren nicht

Nach Einschätzung des Grünen-Politikers Cem Özdemir ist die Opposition bei der bevorstehenden Türkei-Wahl einem Sieg so nahe wie seit Jahren nicht mehr. "Alle Umfragen sagen das voraus. Wer hätte gedacht, dass die Stimmen aus Deutschland mal so wichtig sein würden für Erdogan", sagte der Bundesagrarminister am Sonntagabend im ZDF-"Heute Journal".

Özdemir sagte, man müsse bei der Behauptung aufpassen, die Zustimmung in Deutschland sei für den Präsidenten Recep Tayyip Erdogan besonders hoch. Es gebe 3,5 Millionen "Türkei-Stämmige" in Deutschland, davon seien 1,5 Millionen in der Türkei wahlberechtigt.

Von ihnen hätten 45 Prozent bei der vergangenen Wahl ihre Stimme abgegeben, davon wiederum 65 Prozent für Erdogan, rechnete der Grünen-Politiker vor. "Das relativiert wieder ein bisschen das Bild, dass alle Türkei-Stämmigen pro Erdogan wären." Auch er selbst sei türkischer Herkunft, habe aber keinen türkischen Pass. (AFP/dpa/tas)

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