Szenebeobachter weisen darauf schon seit Jahren hin, nun warnen auch Verfassungsschützer: Rechtsextremisten kaufen zunehmend Immobilien, gerade in Ostdeutschland. Thüringen versucht dagegen seit einigen Jahren offensiver vorzugehen.
Ein ehemaliges Rittergut in Guthmannshausen, ein Geschäft in Murnau oder eine Gaststätte in Kloster Veßra: Laut der aktuellsten Zählung der Bundesregierung vom Oktober 2018 wurden bundesweit 146 Immobilien "rechtsextremistisch genutzt".
Mittlerweile dürften es einige mehr sein. Verfassungsschützer warnen vor zunehmenden Immobilienkäufen durch Rechtsextremisten in einzelnen deutschen Regionen. Neonazis und andere extreme Rechte suchten gezielt in Sachsen und anderen ostdeutschen Bundesländern vor allem im ländlichen Raum nach Grundstücken und Gebäuden, sagte der Rechtsextremismus-Experte beim sächsischen Landesamt für Verfassungsschutz, Henry Krentz, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Thüringen bei rechtsextremer Szene beliebt
Neben Sachsen steht vor allem das Nachbarland Thüringen nicht nur aufgrund der geografischen Lage hoch im Kurs der rechtsextremen Szene: Laut Bundesregierung besitzt oder mietet sie dort insgesamt 16 Objekte – nur in Bayern (21) und Sachsen (22) waren es noch mehr.
"Thüringen ist nach wie vor einer der traurigen Hotspots rechtsextremistischer Aktivitäten. Da gibt es nichts schönzureden", sagte Thüringens Verfassungsschutzchef Stephan J. Kramer unserer Redaktion. Tatsächlich weist das ostdeutsche Bundesland im Herzen der Republik eine seit Jahrzehnten aktive Kernszene auf, deren Kader deutschland- und europaweit gut vernetzt sind.
Selbst Kritiker gestehen aber ein, dass Thüringen das Problem nicht nur erkannt hat, sondern auch vergleichsweise offensiv angeht. "Es ist uns in den letzten vier Jahren gelungen, das Schiff ein Stück weit herumzureißen", sagte Kramer. "Wir haben den Druck in Thüringen durch die Kolleginnen und Kollegen der Polizei, aber auch der Justiz sehr erhöht."
Verstärktes Vorgehen gegen rechte Szene
Das bestätigt Christoph Lammert von der Mobilen Beratung in Thüringen (Mobit). Der gemeinnützige Verein mit Sitz in Erfurt wurde im Jahr 2001 von der Jüdischen Landesgemeinde, dem Deutschen Gewerkschaftsbund und der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland gegründet und setzt sich für Demokratie und gegen Rechtsextremismus ein. Mobit erfasst unter anderem rechtsextreme Aktivitäten im Freistaat und klärt über die Szene auf.
"Die Behörden gehen nun mit mehr Nachdruck als noch vor ein paar Jahren gegen rechtsextreme Immobilienbesitzer vor und versuchen, Veranstaltungen zu unterbinden", erklärt Lammert im Gespräch mit unserer Redaktion. So entschied erst Mitte Juni ein Gericht, dass ein Erfurter Neonazi-Verein seine Immobilie, ein ehemaliges Einkaufszentrum, räumen muss.
Und auch gegen Tommy Frenck, einen der umtriebigsten Thüringer Neonazis, läuft derzeit ein Verfahren. Er betreibt die Gaststätte "Goldener Löwe" in Kloster Veßra und streitet sich mit der Gemeinde um das Vorkaufsrechts des Gebäudekomplexes. Thüringens Innenminister Georg Maier versuchte laut "Tagesspiegel" zudem "alles dafür tun, um zu verhindern", dass Frenck im Januar ein Schloss im Eisfelder Ortsteil Bockstadt kaufen konnte. Ob der ehemalige NPD-Politiker tatsächlich Interesse an dem Objekt hatte und hat, ist allerdings fraglich.
"Irreführen der Behörden gehört zur Strategie"
Lammert kritisiert, dass das Vorgehen der Behörden "nicht flächendeckend" und "nicht bei allen Immobilien gleich" sei. Neukäufe durch Rechtsextremisten zu verhindern ist alles andere als leicht. "Gerade Frenck kündigt immer mal wieder an, dass er Objekte kaufen will. Es ist zum Teil schwierig zu sagen, ob da was dran ist. Denn das Irreführen der Behörden gehört zur Strategie", sagt Lammert. Zuletzt habe Frenck etwa angekündigt, zeitnah ein neues Geschäft in Sonneberg zu eröffnen.
In anderen Fällen setzt die Szene Strohmänner ein, die versuchen, den Kauf möglichst ohne Aufsehen abzuwickeln. "Dies und der zumeist privatrechtliche Charakter eines Immobiliengeschäfts schränken sowohl die Aufklärungschancen im Vorfeld als auch die staatlichen Handlungsoptionen bei Bekanntwerden eines entsprechenden Kaufs stark ein", heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme des Thüringer Innenministeriums auf eine Anfrage unserer Redaktion.
Vor diesem Hintergrund sei "ein enges Zusammenwirken behördlicher Stellen erforderlich", so das Ministerium weiter. Auch deshalb hat die Behörde 2018 einen "Handlungsleitfaden für kommunale Entscheidungsträger zum Umgang mit Rechtsextremisten" erstellt. Mit Blick auf große Rechtsrock-Events richtete Innenminsiter Georg Maier (SPD) 2019 zudem eine Task-Force ein, um das "aktuelle Versammlungsgeschehen in Thüringen zu beobachten, auszuwerten und gerichtliche Verfahren zu begleiten".
Anzahl rechtsextremer Immobilien in Thüringen verdoppelt
Trotz allem sind in der Zeit die Szenelokalitäten mehr geworden. Vor drei Jahren habe Mobit landesweit 15 Immobilien gezählt, aktuell geht der Verein von doppelt so vielen aus. "Es gibt in Thüringen ein breites Netz rechter Immobilien, die für bundesweite Veranstaltungen, Kampfsport-Trainings, Rechtsrock-Konzerte oder Parteiversammlungen genutzt werden", sagt Lammert.
Ähnlich auch in Sachsen: Dort werden die Immobilien den Zeitungen der Funke Mediengruppe zufolge von den Rechtsextremisten für Szene-Stützpunkte und Schulungszentren genutzt. Nach Erkenntnissen des sächsischen Verfassungsschutzes seien im vergangenen Jahr in dem Bundesland 27 Gebäude im Besitz von rechtsextremen Gruppen gewesen, nach 22 im Jahr davor. Der Trend werde im laufenden Jahr weitergehen, sagte Frei.
Die Gründe dafür liegen sowohl laut Verfassungsschutzchef Kramer als auch Mobit-Sprecher Lammert auf der Hand: vergleichsweise günstige Immobilien im ländlichen Raum, wo Neonazis hoffen, ungestörter Veranstaltungen durchführen zu können. Das bestätigte auch das Thüringer Innenministerium.
Gerade in ländlichen Regionen gebe es Eigentümer, berichtet Lammert, "die teilweise keine Probleme damit haben, an Neonazis zu verkaufen oder zu verpachten". Kramer bezeichnete das als "positive Resonanzböden", die es in einigen Landstrichen gebe. "Das fängt damit an, dass man das Problem verharmlost, und endet bei offener Sympathie", bemerkte der Präsident des Amtes für Verfassungsschutz Thüringen.
Gefahr der Verankerung von Rechtsextremisten
Doch nicht nur in Sachsen und Thüringen, auch in einzelnen anderen Bundesländern zeige sich eine Zunahme rechtsextremer Immobilienkäufe, berichten die Funke-Blätter. So gebe Sachsen-Anhalt derzeit die Zahl von Gebäuden und Grundstücken in Hand von Neonazi-Gruppen mit 22 an, Anfang 2019 seien es laut einer Parlamentsanfrage noch neun gewesen.
Im Falle des erfolgreichen Erwerbs einer Immobilie ergebe sich "die Gefahr einer Verankerung von Rechtsextremisten in bestimmten Regionen", erklärte das Bundesamt für Verfassungsschutz auf Nachfrage der Funke-Zeitungen. Laut Mobit-Sprecher Lammert dürfe sich der Druck, den es derzeit punktuell in Thüringen gebe, nicht nur auf wenige Immobilien fokussieren. "In vielen Häusern gibt es stille, aber umso regelmäßigere Aktivitäten."
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