Der Streit um ein staatliches Tierwohllabel geht in die nächste Runde: Während Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) an ihrem Vorschlag für eine freiwillig Kennzeichnung der Haltungsbedingungen von Schlachttieren festhält, lässt der Koalitionspartner SPD wissen, dass er dem nicht zustimmen wird. Und selbst in den eigenen Reihen brechen Klöckner die Unterstützer weg.

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Im Streit um die Haltungs- und Herkunftskennzeichnung für Fleisch wächst in der Koalition offenbar die Zustimmung zu einem verpflichtenden Tierwohllabel. Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner, die auf Freiwilligkeit setzt, steht hingegen zunehmend alleine da.

"Der vorliegende Entwurf der Landwirtschaftsministerin bekäme absehbar keine Mehrheit in den Koalitionsfraktionen", sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der Deutschen Presse-Agentur. Klöckner betreibe "öffentlichkeitswirksame Ankündigungspolitik ohne Substanz".

SPD nennt Klöckners Vorschlag "Alibiveranstaltung"

Die SPD fordert eine Pflicht zur Tierwohl-Kennzeichnung. Klöckner müsse endlich eine Strategie vorlegen, wie Nutztiere in den kommenden Jahrzehnten gehalten werden sollen, so Miersch. "Wir werden keine Alibiveranstaltung mitmachen, die weder Landwirten Planungssicherheit gibt noch dem Willen der Verbraucher nach mehr Tierwohl gerecht wird."

Der Vorschlag des CDU-geführte Bundeslandwirtschaftsministeriums bezieht sich auf die Haltung von Schweinen. Er sieht vor, dass Landwirte ihr Fleisch als besonders tierfreundlich kennzeichnen können, wenn die Haltungsbedingungen besser sind, als das Gesetz verlangt. Die Abstufung soll in drei Stufen erfolgen.

Das Ministerium ist ausdrücklich gegen ein verpflichtendes Tierwohllabel auf Fleischverpackungen. Es geht davon aus, dass Nachbarländer gegen eine Pflichtkennzeichnung von Fleischprodukten klagen könnten. Die Blockadehaltung der SPD werde "am Ende zulasten der Tiere gehen", sagte Ministerin Klöckner am Wochenende - musste sich aber prompt aus den eigenen Reihen widersprechen lassen.

CSU-Abgeordnete widerspricht CDU-Ministerin

So sagte die agrarpolitische Sprecherin der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Marlene Mortler, im Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (NOZ), die EU-Kommission habe ihr signalisiert, dass eine Pflicht-Kennzeichnung "grundsätzlich möglich ist". "Nur noch einzelne Stimmen im politischen Berlin" würden sich der Forderung nach einem verpflichtenden Label versperren, ließ Mortler, die demnächst vom Bundestag ins EU-Parlament wechselt, wissen. Sie forderte das Ministerium auf, die Sommerpause zu nutzen, um einen Vorschlag für eine verpflichtende Kennzeichnung zu erarbeiten.

Die rot-schwarze Landesregierung von Niedersachsen - deren Agrarministerium in CDU-Hand ist - hat indes eine Bundesratsinitiative für eine verpflichtende Kennzeichnung gestartet. Nach dem Willen des Landes soll der Bundesrat die Bundesregierung auffordern, ein solches Label möglichst bald einzuführen.

Auch die Umweltschutzorganisation Greenpeace und die Interessengemeinschaft der Schweinehalter Deutschlands (ISN) haben Klöckner zum Umdenken aufgefordert. "Wenn das Ministerium die jetzigen Pläne umsetzt, sehe ich schwarz für das Label", sagte der ISN-Vorsitzende Heinrich Dierkes der "NOZ". Eine freiwillige Kennzeichnung werde sich im Supermarkt nicht durchsetzen.

Greenpeace spricht von teurem "Irrweg"

Greenpeace-Agrarexperte Martin Hofstetter appellierte an das Landwirtschaftsministerium, sich an der Kennzeichnung von Eiern zu orientieren: Hier zeigt eine Ziffer an, wie das Huhn lebt. "Dieses Beispiel zeigt: Verbraucher sind bereit, für bessere Haltungsbedingungen von Tieren mehr Geld auszugeben", sagte Hofstetter der Zeitung.

Mehrere Handelskonzerne hätten längst selbst einen sogenannten Haltungskompass für Fleischverpackungen eingeführt. Die Wirtschaft sei viel weiter als die Bundesregierung, sagte der Greenpeace-Experte. "Es ist unverständlich, dass dennoch weiter der Irrweg eines freiwilligen Labels genommen wird und dafür Millionen an Steuergeldern draufgehen."

Ein Rechtsgutachten im Auftrag von Greenpeace kam zu dem Schluss, dass Klöckners Pläne "dem Begriff Tierwohl nicht ansatzweise gerecht" werde. Die Kriterien seien so schwach, dass auch Schweinefleisch aus gesetzeswidriger Tierhaltung das staatliche Gütesiegel erhalten könne, lautet das Fazit der Gutachter. (mcf/afp/dpa)

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