Immer weniger Menschen wollen Tierleid für ihr täglich Schnitzel in Kauf nehmen – sagen zumindest Umfragen. An der Supermarktkasse ist dann vom schlechten Gewissen oft nicht mehr viel übrig. Frank Plasberg diskutierte am Montagabend bei "Hart aber fair" über das Leben der Tiere vor dem Schlachthof und über den Sinn von Tierwohl-Labeln. Eine gute Diskussion mit Mut zur Wahrheit.

Christian Vock
Meine Meinung

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Die Zeiten ändern sich. Menschen, die sich für die Umwelt engagieren, gelten nicht mehr als Öko-Spinner, Jugendliche nicht mehr als unpolitisch und Vegetarier nicht mehr als Fanatiker.

Auch in den Medien werden Zukunftsthemen immer präsenter und so stellte Frank Plasberg am Montagabend nun "Die Fleisch-Frage: Mit hübschen Siegeln gegen schlechtes Gewissen?"

Diese Gäste diskutierten bei "Hart aber fair"

  • Sarah Wiener, Köchin, tritt für Österreichs Grüne bei der Europawahl an
  • Manfred Karremann, Dokumentarfilmer, unter anderem über Tiertransporte
  • Albert Stegemann (CDU), Landwirt und agrarpolitischer Sprecher der Unionsfraktion
  • Patrik Baboumian, Kraftsportler und Veganer
  • Sarah Dhem, Geschäftsführerin eines Wurstwarenunternehmens und Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen Fleischwarenindustrie

Darüber diskutierte die Runde bei "Hart aber fair"

Fakten:

Frank Plasberg schont seine Zuschauer nicht. Wo im Supermarkt auf der Schnitzelpackung Bauernhofidylle herrscht und Wurst in fröhlicher Bärchenform verkauft wird, blickt Frank Plasberg hinter die Kulissen.

In mehreren Einspielern zeigt er, wie die Wirklichkeit zum Teil aussieht. Beim Bild eines Jungbullen, der an einem Strick am Kopf zum Schlachten gezogen wird, weil er nicht mehr laufen kann, ist sogar Albert Stegemann schockiert: "Das sind ganz klar tierschutzrechtliche Verstöße, die geahndet werden müssen."

Neben den Einspielern sind es vor allem Sarah Wiener und Manfred Karremann, die der Runde und dem Zuschauer Einblick geben, wie das Leben von Tieren vor dem Schlachten aussieht: quälende Tiertransporte, betäubungsloses Kastrieren, Küken schreddern oder die Menge an Platz, die ein Schwein in der Massentierhaltung tatsächlich zur Verfügung hat.

Das Fazit von Karremann zum Bild des Bullen: "Auf jedem Schlachthof sieht man solche Sachen wie hier immer wieder."

Aus Karremanns Erfahrung spielt die Größe eines Betriebes bezüglich des Tierleids keine Rolle. Er kenne einen großen Schlachtbetrieb, der 20.000 Schweine pro Tag schlachte, aber immerhin kontrolliere, ob die geschlachteten Tiere auch wirklich tot sind.

"Das ist gar nicht so selbstverständlich, man mag's kaum glauben. […] Es gibt einen Prozentsatz, der rutscht einfach durch. Der wird betäubt, der wird schnell gestochen im Sekundentakt und wacht wieder auf und geht lebendig, das weiß man, ins Brühbad der Verarbeitung. Solche Zustände sind einfach unfassbar."

Label:

Plasberg stellt in einem Einspieler ein vierstufiges Siegel vor, das der Handel eingeführt hat. Bei Stufe eins hat ein Schwein beispielsweise die gesetzliche Mindestgröße an Platz von 0,75 Quadratmeter.

Für Sarah Wiener ein Unding: "Und das ein Leben lang. Und dann nicht einmal mit Wind, Sonne und Regen. Und dann auf Spaltböden, mit abgekniffenen Zähnen, mit einer Kastration ohne Betäubung. Und dann wird das als Standard bezeichnet, wenn man sagt: Eigentlich ist Kastration ohne Betäubung verboten, aber es wird trotzdem gemacht bis 2020."

Albert Stegemann verteidigt das Label: "Es geht im Gunde genommen darum, dass wir Stufe zwei und drei etablieren. Es geht darum, dass wir einen Kompromiss finden zwischen dem gesetzlichen Standard und Bio."

Tiere:

Auch wenn es nur an einer Stelle explizit zum Thema gemacht wurde, wurde alleine durch die gewählte Sprache sehr deutlich, wer welche Position und Haltung gegenüber Tieren einnimmt.

Für Stegemann und Dhem sind Tiere vor allem Geschäft. Sie sprechen von "Produkten", "Standbeinen", "Marken", "Highend-Produkt", "verarbeiten" oder "anfallenden Schweinezungen."

Insbesondere Patrik Baboumian und Sarah Wiener sehen hinter den "Produkten" die Tiere, sprechen lieber von "Mitgeschöpfen". Baboumian erklärt seine Haltung so: "Es geht nicht darum, dass ich Mensch und Tier auf eine Stufe stelle. Es geht darum, dass ein Tier in Bezug auf seine Biologie genauso ausgestattet ist wie ein Mensch, was Angstempfinden, Schmerzempfinden und emotionales Empfinden anbelangt."

Daher besteht für Baboumian auch kein Grund, warum man nicht auch Tiere nicht schützen solle. "Dafür haben wir das Tierschutzgesetz", fährt Dhem dazwischen, doch Baboumian hält dagegen: "Es wird aber nicht umgesetzt. Im Tierschutzgesetz heißt es, dass es einen vernünftigen Grund für Tierleid geben muss. Profit ist kein vernünftiger Grund, wenn Sie mich fragen."

Der Schlagabtausch des Abends

Wie sehr hier Ansichtswelten aufeinanderprallen, zeigt der Schlagabtausch zwischen Baboumian und Dhem über die Aussagekraft des staatlichen Labels, von dem Ministerin Klöckner sagt, man könne nun sehen, wie viel Tierwohl in einem Produkt stecke.

"Ich finde, es gehört zur Ehrlichkeit auch dazu, dass man nicht behauptet, dass in irgendwelchen Tierprodukten Tierwohl steckt, weil das nicht der Fall ist. Tierwohl haben Sie nur, wenn ein Tier frei lebt und ein selbstbestimmtes Leben führen kann", erklärt Baboumian.

Da geht Dhem nicht mit, will Baboumian sogar ein Mitspracherecht absprechen: "Sie ändern mit veganer Ernährung keine Tierhaltung. Sie ändern Tierhaltung, wenn Sie Label vier aus Bio, aus Aktivstallhaltung, aus irgendwas kaufen."

Wenig später springt Karremann der Auseinandersetzung bei: "Sie haben gesagt, Frau Dhem, er ändert gar nichts damit? Er ändert alles!", erklärt Karremann und verweist auf die Rolle der Viehhaltung beim Klimawandel und dass hier auch Tierwohllabel nichts ändern: "Diese Art der Ernährung funktioniert doch auch dann nicht."

Das Fazit der Sendung

Es war eine gute Runde ohne moralischen Zeigefinger, stattdessen mit vielen Fakten, die den Zuschauer nicht nur bei Umfragen, sondern auch an der Supermarktkasse zum Umdenken bewegen könnten.

Spätestens dort, das machte die Diskussion bei Plasberg auch deutlich, muss sich nämlich jeder über den Widerspruch jedes Tierwohl-Labels im Klaren sein, wie Baboumian erklärt: "Egal, wie toll sie das machen: Sie sperren immer noch ein Tier ein, das am Ende getötet wird."

Ein Fakt, dem auch Dhem nicht widerspricht: "Das ist die Grundlage, wo man sich irgendwo einig sein muss: Will man Tiere essen oder will man das nicht."

Spätestens nach dieser Sendung, weiß der Zuschauer aber, was alles hinter so einer Entscheidung steht.

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