Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hat entschieden, dass Hubert Aiwanger trotz Antisemitismusvorwürfen im Amt bleiben darf. Diese Entscheidung verteidigte er im ZDF-Sommerinterview. Dabei erklärt er, was ihn im persönlichen Gespräch überzeugt hat und wie er zur Entscheidung kam.
"Das ist kein ganz normales Sommerinterview", stieg Moderatorin
Tatsächlich drehte sich das komplette etwa 20-minütige Interview in Bernau am Chiemsee, wo Banerjee sich zwischen Wahlkampfterminen mit dem Ministerpräsidenten
Aiwanger darf bleiben
Söder sei in den letzten Tagen in über 110 Bierzelten gewesen, sagte die Moderatorin und wollte wissen: "Wenn ich Sie mal nach der Stimmung frage, was war diese Woche anders?" Söder wusste, worauf sie hinauswollte.
Im Bierzelt sei gar nichts anders gewesen, es seien tolle Veranstaltungen gewesen, meinte er, leitete dann aber über: "Natürlich haben sich die Menschen diese Woche mit der Causa Aiwanger beschäftigt, das war ganz klar. Aber die Grundstimmung zur CSU und zum Ministerpräsidenten war sehr positiv." Es habe aber nun eine Entscheidung gebraucht, "und die habe ich jetzt auch getroffen", so Söder.
Unglückliche Krisenkommunikation
Banerjee benannte die Entscheidung noch einmal: "Aiwanger darf bleiben, nach 25 Antworten und einem langen persönlichen Gespräch mit Ihnen. Was genau hat Sie überzeugt?" Söder antwortete: "Ich wollte ein faires und ein geordnetes Verfahren haben. Es ging ja um schwere Vorwürfe. Antisemitismus da gibt es keinen Platz für in Bayern, dafür stehe ich auch ganz persönlich."
Es habe es aber zunächst nur um Medienberichte gehandelt, sodass es ihm wichtig gewesen sei, sich ein eigenes Bild zu machen. "Nach einer anfänglichen, aus meiner Sicht unglücklichen Krisenkommunikation von ihm selbst, haben wir die 25 Fragen gestellt und haben dann auch ein langes persönliches Gespräch geführt", erklärte Söder und fasste zusammen: "Es sieht so aus, dass er in seiner Jugend wohl Fehler gemacht hat, die hat er zugegeben, er hat sie auch bereut."
Söder: "Kein handfester Beweis"
Es habe keinen handfesten Beweis gegeben, der die Vorwürfe zum Flugblatt bestätigt habe. Außerdem seien bereits 35 Jahre vergangen, seitdem sei nichts dazugekommen. "Deswegen schien es in der Gesamtabwägung unverhältnismäßig, eine Entlassung vorzunehmen", sagte Söder, räumte aber ein: "Ich gebe zu, es ist eine schwere Entscheidung gewesen."
Banerjee erinnerte ihn dann auch gleich daran, dass er eigentlich eine "zweifelsfreie Aufklärung" gefordert hatte, die Antworten seien nun aber nicht alle befriedigend. "Warum rücken Sie von Ihrem ursprünglichen Maßstab denn ab?", fragte sie.
Am Ende komme es darauf an, was beweisbar sei und was nicht, entgegnete Söder. Es gebe keinen Beweis für die schweren Vorwürfe. "Er hat in den Fragen gesagt, und das war für mich letztlich der entscheidende Punkt, dass dieser Prozess von damals etwas ausgelöst habe in ihm selber, seine Vorstellungen zu verändern", sagte Söder.
Söder: "Das war für mich glaubhaft"
Aiwanger sei im Gespräch sehr angefasst gewesen und habe betroffen gewirkt. Er habe Reue gezeigt und sich distanziert. "Das war für mich glaubhaft am Ende", so der Ministerpräsident. Banerjee meinte daraufhin, Söder habe aber noch eine zweite Messlatte eingezogen, nämlich, dass nichts mehr dazukommen darf.
Dann sei aber Aiwangers Umgang mit der ganzen Sache dazugekommen und eine schlechte Krisenkommunikation. "Auch das lassen Sie ihm durchgehen, das liegt ja nicht 35 Jahre zurück", kommentierte Banerjee.
Banerjee: Schlag ins Gesicht für Jüdinnen und Juden
"Er hat sich klar davon distanziert, er hat sich entschuldigt, wenn er Gefühle verletzt haben sollte. Das war spät, aber nicht zu spät", erklärte Söder erneut. Aiwanger sei in einer Ausnahmesituation, in der man nicht jedes Wort und jede Emotion auf die Goldwaage legen dürfe. "Für mich war wichtig, dass diese Entschuldigung erfolgt ist", wiederholte der CSU-Politiker.
Es gehe auch nicht nur um Hubert Aiwanger, es gebe auch andere Probleme im Land und er müsse das Land als Ministerpräsident zusammenhalten, argumentierte Söder weiter. Banerjee ließ nicht locker: "Sie halten jetzt einen Vize im Amt, der noch vor wenigen Tagen gesagt hat, in seinen Augen werde die Shoa zu parteipolitischen Zwecken gegen ihn und die Freien Wähler missbraucht", sagte sie. Das sei ein Schlag ins Gesicht für Jüdinnen und Juden und eine Zumutung für alle, die sich mit Erinnerungskultur auseinandersetzen.
Söder schoss um sich
"Wie kann jemand, der so spricht, als Vize weiter im Amt bleiben?", wollte sie wissen. Söder holte aus, er selbst habe Preise der europäischen Rabbinerkonferenz bekommen. "Es geht um Aiwangers Äußerungen, jüngste Äußerungen", bremste Banerjee ihn. Innenministerin
Söder äußerte sich zu Faesers Äußerung: "Das ist dem Wahlkampf geschuldet". Die Sache polarisiere und die Gefühlswelt gehe weit auseinander. Er sehe bei Aiwanger aber eine Distanzierung. "Sie sehen diese Distanzierung, anderen reicht das nicht", kommentierte Banerjee.
Söder schoss daraufhin in zwei weitere Richtungen um sich: Über den Kanzler Olaf Scholz sagte er: "Da müssen Fragen aufgeklärt werden, die sich an ihn auch an anderer Stelle gewaltig richten" und zu den Medien sagte er: "Ich glaube auch, dass es Bürger gibt, die kritisch sind, wie der Umgang des Journalismus mit vielen Themen ist."
Bleibt Aiwanger auch nach der Wahl?
Banerjee kommentierte: "Sie kommen jetzt sehr stark von der Frage weg." Söder blieb bei seinem Standpunkt: "Mir ging es einfach um Fairness." Frau Faeser sei nicht der Maßstab für Entscheidungen in Bayern. "Sie sollte sich mal lieber um Deutschland und zum Teil um Hessen kümmern", giftete er.
Banerjee wollte dann noch wissen: "Kann Herr Aiwanger nach der Wahl Mitglied in einem möglichen Kabinett Söder werden?" Eine klare Antwort gab Söder nicht. Ein Großteil der Bevölkerung solle verstehen, warum und wie er entscheide, meinte er.
"Wir in Bayern setzen klar weiter auf die Koalition mit den Freien Wählern. Wir haben fünf Jahre gut zusammengearbeitet", antwortete er. Er habe in dieser Zeit keinen Zweifel an Aiwangers Haltung gehabt. "Bei uns Schwarz-Grün in Bayern, das wollen wir nicht", ergänzte er.
Söder: "Arbeite rund um die Uhr für Bayern"
Am Ende blieb dann nur noch Zeit für ein wenig Bayern-Schwärmerei. Vorlage gab Banerjee mit der Frage, ob Söder sich keine absolute Mehrheit der CSU mehr in Bayern zutraue. Das sei "in der Phase, in der unser Land ist" überheblich, meinte Söder. Deutschland befinde sich in einer beginnenden schweren wirtschaftlichen Schwäche. "Noch nie hat eine Bundesregierung so wenig Vertrauen in der Bevölkerung gehabt", so Söder.
Er selbst arbeite rund um die Uhr für Bayern. "Bayern ist das erfolgreichste Land in Deutschland. Wir kommen auch besser durch die Krise als alle anderen. Wir haben ein hohes Maß an Stabilität", sagte er. In Bayern lebe es sich "einfach besser".
Er wolle nicht danach schauen, was für ihn das Beste sei, sondern was für das Land am besten sei. Banerjee wollte dann noch wissen, ob er das Erbe von Franz Josef Strauß verspiele, wenn 25 Prozent der Wähler rechts von der CSU wählen würden. "Das kann man so glaub ich nicht sagen", beschwerte sich Söder. Die Freien Wähler seien nicht unbedingt rechts von der CSU einzuordnen. "Ich muss in der Zeit, in der ich lebe, das Beste erreichen", schloss er.
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