Gibt es in den Reihen der hessischen Polizei ein rechtes Netzwerk? Abfragen von persönlichen Daten von Frauen, die später Drohmails erhalten hatten, über einen Polizeicomputer legen diesen Verdacht nahe. Hessens Polizeipräsident hat nun Konsequenzen gezogen und um seine Versetzung in den Ruhestand gebeten.

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Hessens Landespolizeipräsident Udo Münch tritt wegen der Affäre um rechtsextreme Drohmails zurück. Münch habe um seine Versetzung in den einstweiligen Ruhestand gebeten, teilte Innenminister Peter Beuth (CDU) am Dienstag in Wiesbaden mit.

Münch übernehme damit als oberster Polizist Verantwortung für Versäumnisse, "die er nicht alleine zu vertreten hat".

Auslöser für die Affäre sind Drohmails mit der Unterschrift "NSU 2.0" an die Fraktionsvorsitzende der Linken im hessischen Landtag, Janine Wissler. Bevor die Vize-Bundesvorsitzende der Partei die Drohungen erhalten hatte, waren ihre persönlichen Daten über einen hessischen Polizeicomputer abgefragt worden.

Der Innenminister hatte nach Bekanntwerden der Vorgänge das zuständige Landeskriminalamt (LKA) scharf dafür kritisiert, dass ihm die Vernehmung eines Polizisten in dieser Angelegenheit nicht gemeldet worden sei.

Im Zuge der Aufklärung soll sich nach Berichten dann aber herausgestellt haben, dass das LKA dem Landespolizeipräsidium über die Vernehmung berichtet hatte. Diese Informationen seien aber nicht an das Innenministerium weitergegeben worden.

Wer für Abfrage der Daten verantwortlich ist, ist noch unklar

Die Datenabfrage soll im Polizeipräsidium Westhessen in Wiesbaden erfolgt sein. Der betroffene Polizist wird nach Angaben des Innenministers aber nicht beschuldigt, sondern als Zeuge geführt. Wer für diese Abfrage verantwortlich ist, ist noch immer unklar.

Die Unterschrift "NSU 2.0" trugen 2018 auch mehrere Drohschreiben an die Frankfurter Anwältin Seda Basay-Yildiz, die im Münchner Prozess um die Morde des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) Opferfamilien vertreten hatte.

Nach Bekanntwerden der neuen Fälle hatte der Innenminister gesagt, er schließe nicht mehr aus, dass es ein rechtes Netzwerk bei der Polizei in Hessen geben könnte.

Münch war als Landespolizeipräsident seit November 2010 im Amt. Er galt als sehr loyal und drängte sich nicht in den Vordergrund. Er war in das Amt als Chef der obersten Polizeibehörde in Hessen gerückt, nachdem sich sein Vorgänger Norbert Nedela mit dem damaligen Innenminister Boris Rhein (CDU) im Streit um Führungsfragen überworfen hatte.

Kabarettistin Baydar: "Muss vor der Polizei Angst haben"

Die ebenfalls bedrohte Kabarettistin Idil Baydar macht unterdessen der Polizei schwere Vorwürfe. Sie würde sich gerne wieder sicher fühlen, "und nicht das Gefühl haben, dass ich vor der Polizei Angst haben muss", sagte sie am Dienstag dem "ARD-Mittagsmagazin".

"Das ist eine obskure Situation. Und da wünsche ich mir schon, dass die Polizei von ihrem Standpunkt aus auch auf mich zukommt."

Sie habe davon erst durch einen Journalisten erfahren, sagte Baydar. Von der Polizei habe sie bis heute nichts gehört. "Das trägt auch nicht gerade zur Vertrauensbildung bei." Ihr Leben sei nicht mehr, wie es vorher einmal war, erklärte die in Berlin lebende Kabarettistin.

"Ich bin bedroht. Ich weiß nicht, aus welcher Ecke jetzt irgendjemand kommt, der mir irgendwas antun würde. Und des Weiteren wüsste ich nicht einmal, ob die Polizei das auch aufklärt, selbst wenn mir was passieren würde."

Innenminister Peter Beuth (CDU) hat keine Belege, aber den Verdacht, dass es ein rechtes Netzwerk in der hessischen Polizei geben könnte. (dpa/dh)

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