Mitte März hat sich in Russland eine Vereinigung gegründet, die sich "Internationale Bewegung der Russophilen" nennt. Mit von der Partie sind ein Hollywood-Schauspieler, ein de-Gaulle-Enkel, eine italienische Prinzessin und ein Ex-AfD-Abgeordneter. Auf dem Propagandakongress wurde gegen den liberalen Westen gehetzt und Russland als "Arche" angepriesen. Experte Alexander Dubowy erklärt, was der Kreml damit bezweckt.
Es war ein bizarres Treffen: Mitte März fand das Gründungstreffen der "Internationalen Bewegung der Russophilen" statt. Im Moskauer Puschkin-Museum, als Tagungsstätte zur Verfügung gestellt vom russischen Staat. Zu Gast: Außenminister Sergej Lawrow, der eine Rede vor etwa 90 Delegierten hielt. Selbst Kreml-Chef Putin und Patriarch Kirill schickten Grußworte.
Die Gründung erfolgte auf Initiative von US-Schauspieler Steven Seagal und dem bulgarischen Politiker Nikolay Malinow. Der hatte bereits die "Nationale Bewegung der Russophilen" gegründet und ist wegen Spionage angeklagt. Aus seiner Sicht sind alle, die Russland als Aggressor bezeichnen, "Barbaren, Russophobe und moderne Faschisten".
Lawrow hielt Eröffnungsrede
Ziel der Bewegung: "Wahre Patrioten" aus verschiedenen Ländern, die durch Liebe zu Russland und seiner Kultur verbunden sind, zusammenbringen. Laut Medienberichten fordert die Bewegung beispielsweise die Aufhebung der EU-Sanktionen gegen Russland. Malinow zufolge soll Putin die Idee zur Bewegung bereits 2019 unterstützt haben. Er sagte zu Beginn der Veranstaltung , es sei an der Zeit, dass die "Kräfte des Lichts die Kräfte der Finsternis besiegen." Die Welt sei in Gut und Böse gespalten.
In seiner Eröffnungsrede sagte Lawrow: "Wir sehen nicht nur Neonazismus, wir sehen direkten Nazismus, der immer mehr europäische Länder erfasst." Die Geschichte und "heilige Denkmäler" würden "vor unseren Augen zerstört". Die Delegierten kamen aus über 40 Ländern und sollen in ihrer Heimat nationale Ableger der "russophilen" Bewegung aufbauen.
Wen Seagal um sich schart
Neben Lawrow, der der Veranstaltung offiziellen Charakter verlieh, ist die Bewegung vor allem geprägt von Verschwörungsanhängern und C-Prominenten. "Ich bin 100 Prozent russophil und eine Million Prozent russisch", sagte der 1,93 Meter große US-Schauspieler Steven Seagal, bekannt aus Filmen wie "Alarmstufe Rot" oder "Hard to Kill", bei dem Propagandakongress. Seagal lebt bereits seit Jahren in Russland und besitzt die russische Staatsbürgerschaft.
In der Vergangenheit war er als Lobbyist für russische Waffenimporte in die USA tätig und warb fleißig für Sturmgewehre vom Typ Kalaschnikow. Putin ernannte ihn 2018 zum Sondergesandten für die Beziehungen zu den USA und verlieh ihm im Februar den "Orden der Freundschaft" für seinen "großen Beitrag zur Entwicklung der internationalen kulturell-humanitären Zusammenarbeit".
Wen scharen Malinow und Seagal noch um sich? Zugegen waren neben Konstantin Malofejew, dem Chef der religiös-konservativen Mediengruppe Zargrad, auch ein Enkel von Charles de Gaulle und eine italienische Prinzessin.
Letzte Freunde Putins
"Ich bin hier, um für Frieden und Freundschaft zu werben", sagte Pierre de Gaulle laut Bericht des "Guardian". Der Krieg sei "von angelsächsischen Interessen provoziert und verursacht", erklärte er weiter. Sein älterer Bruder Yves hatte sich bereits Anfang des Jahres von ihm und seinen Ansichten distanziert.
Zu den letzten Freunden Putins zählt auch Prinzessin Vittoria Alliata di Villafranca. Die Italienerin mit den auffällig roten Haaren übersetzte als erste "Der Herr der Ringe" in ihre Landessprache. Russophobie sei eine "neue Formel der Kolonisierung", sagte sie. Putin sei "netter als Biden", sagte die Adelige in der Vergangenheit. Sie befürchtet, in Europa würden Jungen bald ermutigt, Kühe zu heiraten.
Ex-AfD-Abgeordneter vor Ort
Mit von der Partie war auch Waldemar Herdt, Ex-Bundestagsmitglied der AfD und ehemals an der Spitze der "Christen in der AfD". Herdt soll in seinem Büro einen Ex-KGB-Mann beschäftigt haben, der 2016 die Proteste wegen der angeblichen Vergewaltigung des russland-deutschen Mädchens Lisa durch einen Afghanen angeheizt hatte.
Herdt hetzte auf der Gründungsveranstaltung, der Regenbogen der Schwulenbewegung sei "die Flagge des Satanismus". Die Russophilen müssten in ihrer Heimat dafür sorgen, dass das verstanden werde, und Russland als Gegenentwurf darstellen.
Biblische Vergleiche und Bilder wurden beim Gründungstreffen immer wieder aufgemacht: Russland sei die "Arche" und die Russophilen eine "Weltbewegung des gesunden Menschenverstands", die "alle gesunden Kräfte der Welt um sich vereinen", berichtete der TV-Sender Zargrad.
Was Russland damit bezweckt
Wie schätzt ein Experte die Bedeutung der Bewegung ein? Außenminister Lawrow selbst gab den Russophilen ein freundliches Gesicht, als er sagte, alle seien daran interessiert: "Freunde zu sein und einfach gutnachbarliche Beziehungen zu pflegen, gemeinsame Projekte zum gegenseitigen Nutzen umzusetzen". Das klingt harmloser als ein gottloser Westen mit Russland als letzte Rettung.
Wohlwissend spekulierte Lawrow deshalb auch bereits über Reaktionen aus dem Westen: Er erwarte eine breit angelegte Kampagne gegen die Bewegung. Russland-Experte Alexander Dubowy hält die Bewegung für eine "innenpolitische Demonstration, dass Russlands Soft Power funktioniert und das Land ungeachtet der Sanktionen im Westen nicht isoliert ist und nach wie vor über viele Sympathisanten verfügt".
Wofür der Kreml die C-Promis braucht
Der Kreml halte damit das Narrativ aufrecht, dass ausschließlich die westlichen "Systemeliten" Russland gegenüber feindlich gesonnen seien, die sogenannten "Gegeneliten" sowie weite Teile der Bevölkerung im Westen stünden aber Moskau wohlwollend, sogar freundlich gegenüber.
"Um die Glaubwürdigkeit dieser These zu stützen, erfolgt die Vereinnahmung von willfährigen Unterstützern im Westen, unter anderem von europäischen oppositionellen und oftmals antiamerikanisch gesinnten Politikern aus dem radikalrechten und radikallinken Spektrum", beobachtet er.
C-Promis verschiedener Couleur, Angehörige der europäischen Adelshäuser sowie Träger von in Russland bekannten Namen wie Pierre De-Gaulle oder Seagal seien vom Kreml heiß begehrt.
"Dass es sich bei diesen Personen in den meisten Fällen um im Westen unbekannte, marginale und einflusslose Freaks handelt, stört Russlands Führung nicht", sagt der Experte. Schließlich gehe es Moskau nicht um einen offenen und ernsthaften Meinungsaustausch. "Für die russische Staatspropaganda zählt nicht die Wahrheit, sondern die Kreml’sche Erzählung von der Wahrheit", betont Dubowy.
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Experte: "Westen schrittweise untergraben"
Man könne davon ausgehen, dass die russischen Nachrichtendienste die westlichen Russlandfans für eigene Zwecke missbrauchen würden. "Durch das Verbreiten der russischen Desinformation und der Kreml’schen Mythen versucht Russlands Führung, den gesellschaftlichen Zusammenhalt im Westen schrittweise zu untergraben", analysiert er. Darin bestehe die Hauptgefahr derartiger Unterfangen.
"Der tatsächliche Nutzen solcher Veranstaltungen dürfte aber extrem begrenzt sein", betont Dubowy. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt bestehe in der extremen Korruptionsanfälligkeit des russischen Soft Power-Instrumentariums. "Diese Art der staatspropagandistischen Soft Power-Demonstration finanziert der Kreml gern und großzügig", sagt Dubowy. Solche Veranstaltungen würden den Organisatoren auf allen Ebenen durch fingierte Finanzdokumentation eine willkommene Bereicherungsmöglichkeit bescheren.
Verwendete Quellen:
- Euractiv: Steven Seagal gründet internationale Bewegung der "Russophilen"
- Spiegel: Putinfreunde treffen sich in Moskau zum ersten "Russophilen-Kongress"
- The Guardian: Italian princess, conspiracy theorists and Steven Seagal: meet Russia’s friends overseas
- Il Messagero: Vittoria Alliata di Francavilla, die Putin-freundliche italienische Prinzessin in Moskau: "Er ist netter als Biden"
- T-online: AfD-Politiker gründet mit Lawrow neue Russland-Bewegung
- TASS: Lavrov expects West to launch broad campaign against Russophile movement
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