Die Regierung ist sich uneins, wie in Zukunft die Bundeswehr finanziert werden soll. Teile der SPD und Grünen sorgen sich vor Kürzungen im sozialen Bereich.

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Die Koalition debattiert heftig darüber, ob und wie die Bundeswehr ab 2028 allein aus dem allgemeinen Haushalt finanziert werden kann, so wie Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) es vorhat. Die FDP fordert, dafür die Sozialausgaben zumindest einzufrieren. SPD-Vorsitzende Saskia Esken und die grünen Fraktionschefinnen sehen darin einen Angriff auf die Sozialsysteme und weisen die Forderung strikt zurück. Esken bekräftigt stattdessen – abweichend von Scholz – die SPD-Idee, Reiche höher zu besteuern.

Was die SPD und die Grünen wollen

"Die Sozialdemokratie steht nicht dafür bereit, die soziale Sicherheit von Familien mit Kindern, Auszubildenden und Studierenden oder Rentnerinnen und Rentnern zu beschneiden, um die notwendigen Ausgaben für Sicherheit und Verteidigung zu finanzieren", sagte Esken den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Aber: "Deutschland ist ein reiches Land, in dem viele sehr reiche Menschen leben, die einen größeren Beitrag zum Gemeinwohl leisten können und zum Teil auch bereit dazu sind."

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Britta Haßelmann äußert sich zu Scholz' Positionierung eher skeptisch. "Die hohen Summen, die notwendig sind (für die Verteidigung), werden wir durch Einsparquoten für jedes Ressort nicht erreichen", sagte sie der "Süddeutschen Zeitung". "Es darf nicht heißen: Rüstung oder Rente."

Ähnlich argumentierte auch die Co-Fraktionsvorsitzende Katharina Dröge in der "Rheinischen Post". Haßelmann denkt daher an andere Finanzierungsmöglichkeiten: "Neben der Diskussion über eine Reform der Schuldenbremse müssen wir auch nach anderen Möglichkeiten suchen, was Sondervermögen oder Investitionsgesellschaften angeht, um langfristige Investitionen zu ermöglichen."

Was die FDP will

Der FDP-Chefhaushälter Otto Fricke pocht auf Einsparungen. "Wir müssen aufhören, immer nur von Prioritäten zu reden. Eine Stabilisierung des Haushaltes gelingt nur, wenn wir auch Nachrangigkeiten benennen. Das verlangt politisch aber mehr Mut", sagte Fricke der "Rheinischen Post". "Die Sozialleistungen stellen den mit Abstand größten Ausgabenblock im Bundeshaushalt dar, 2024 sind es rund 46 Prozent der Gesamtausgaben", erklärte er.

"Wichtig ist, dass ihr Anteil nicht weiter steigt und es auch keine neuen Leistungen gibt, um so genügend Spielraum für die dringend notwendige Wirtschaftswende zu haben." Nötig sei beides: dass Deutschland die Zwei-Prozent-Quote der Nato bei den Verteidigungsausgaben weiter erreicht und zugleich neue Impulse für mehr Wirtschaftswachstum gesetzt werden.

Das hat Olaf Scholz vor

Die Bundesregierung hatte nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine 2022 ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro aufgelegt, um die mangelhaft ausgestattete Bundeswehr verteidigungsfähig zu machen. Damit kann Deutschland in diesem Jahr erstmals seit Jahrzehnten seine Nato-Verpflichtung erfüllen, zwei Prozent der Wirtschaftsleistung in die Verteidigung zu investieren.

"Und dabei wird es auch in den kommenden Jahren und Jahrzehnten bleiben", versprach der Kanzler in einer zu diesem Wochenende veröffentlichten Videobotschaft. Das Sondervermögen läuft aber 2027 aus. Vor einer Woche hatte Scholz der "Süddeutschen" gesagt: "Von 2028 an wollen wir aus dem allgemeinen Haushalt bestreiten, was nötig ist, um das Zwei-Prozent-Ziel zu erreichen. Das ist nicht einfach, wir können das aber bewältigen."

Auch auf EU-Ebene wird über Verteidigung gestritten

Die Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB), Christine Lagarde, sagt, weitere 75 Milliarden Euro seien nötig, damit alle EU-Länder das Nato-Ziel erreichen könnten, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes (BIP) für Verteidigung auszugeben. Gleichzeitig seien allein zur Erfüllung der europäischen Klimaziele bis 2040 nach ihren Angaben absehbar 800 Milliarden Euro erforderlich.

Der EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sprach sich in Gent erneut für Gemeinschaftsschulden aus, um Verteidigungsprojekte zu finanzieren. Der Italiener verwies auf das Vorbild des europäischen Corona-Aufbaufonds, der mit 800 Milliarden Euro dotiert ist und den Mitgliedsländern Investitionen in grüne Zukunftstechnologien erlaubt.

Ähnliche Vorstellung hat EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton. Der Franzose hatte zu Jahresbeginn einen europäischen Verteidigungsfonds in Höhe von 100 Milliarden Euro ins Gespräch gebracht, um die Rüstungsproduktion anzukurbeln – auch zugunsten der Ukraine. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist ebenfalls für neue Gemeinschaftsschulden.

Lindner wies solche Ideen zurück. Verteidigungsausgaben zu vergemeinschaften, sei "kein ökonomisch sinnvoller Rat". Stattdessen plädierte er für erweiterte Kompetenzen der Europäischen Investitionsbank (EIB), damit diese künftig auch in Verteidigung und Rüstung investieren kann. Das sei im "sicherheitspolitischen Interesse" Deutschlands, betonte der Finanzminister. (dpa/afp/the)

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