• Obwohl sich rechte Parteien und Gruppierungen auf den Nationalstaat besinnen, arbeiten sie international zusammen.
  • Welche Netzwerke gibt es in Europa und der Welt?
  • Und wieso sind die Bündnisse oftmals so fragil?
Eine Analyse
Dieser Text enthält eine Einordnung aktueller Ereignisse, in die neben Daten und Fakten auch die Einschätzungen von Adrian Arab sowie ggf. von Expertinnen oder Experten einfließen. Informieren Sie sich über die verschiedenen journalistischen Textarten.

Die Worte, die die Spitzenvertreter von 16 europäischen Rechtsparteien 2021 in ihrem Manifest wählten, trieften vor Europaskepsis: Die EU sei ein "Werkzeug radikaler Kräfte", die das Selbstbestimmungsrecht aushebelten und einen "europäischen Superstaat" anstrebten. Die Brüsseler Behörde müsse reformiert werden, wozu "legitimer Widerstand" nötig sei. National gesinnte Parteien müssten sich zusammentun, um die EU wieder zu einer "Gemeinschaft freier Völker" zu machen.

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Der Aufruf wurde damals unter anderem von der Fidesz-Partei des ungarischen Regierungschefs Viktor Orban, der polnischen Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) von Jaroslaw Kazcynski, der italienischen Lega von Ex-Innenminister Matteo Salvini und dem Rassemblement National von Marine Le Pen unterzeichnet und war der bislang letzte größere Versuch europäischer rechtsnationaler Parteien, ein supranationales Superbündnis zu schmieden.

Über einen symbolischen Akt hinaus ist von diesem Versuch wenig geblieben, die Rechte im EU-Parlament ist weiterhin in zwei Fraktionen gespalten. Und doch zeigt der Fall, dass, wenn die Themen stimmen, der nationalistische Internationalismus es zumindest versucht, eigene Vorhaben über die eigenen Grenzen hinaus voranzutreiben. Obwohl dies auf den ersten Blick widersprüchlich erscheinen mag.

Denn kaum ein Begriff ist den meisten Rechtspopulisten so zuwider wie das Wort "Internationalismus". Was Rechtsnationale eint, ist schließlich die Betonung der nationalen Identität, die Verteidigung der Souveränität und die Ablehnung des Multikulturalismus. Für die Idee, dass sich viele der drängendsten Probleme nur grenzüberschreitend lösen lassen, können sich hingegen nur wenige Rechtsnationale erwärmen.

Rechte Organisationen gibt es seit Jahrhunderten

Dabei hat es durchaus Tradition, dass sich nationalistische Parteien, Politiker und Splittergruppen in internationalen Formaten organisieren. Eine der ersten Formate in diese Richtung war die 1924 gegründete Genfer Internationale mit Vertretungen in 18 Ländern, von Lateinamerika bis nach Australien, die sich der weltweiten "Verteidigung des Prinzips der Ordnung, der Familie, des Eigentums und der Nationalität" verschrieben hatte. Teilnehmer waren etwa Spaniens Diktator Francisco Franco und Frankreichs Philippe Pétain. Auch wenn es darum ging, sich gegen Besatzer oder Kolonialmächte zu wehren, verbündeten sich Nationalisten schon vor Jahrhunderten über die eigenen Grenzen hinaus.

Heute arbeiten Rechtsnationale meistens dann zusammen, wenn es darum geht, gegen die Einwanderung, den Klimawandel oder die Toleranz gegenüber sexueller Vielfalt zu wettern. Auch Euro-Skepsis oder die Stärkung des Nationalstaats sind beliebte Themen, bei denen Rechtsnationale den Schulterschluss suchen. Das von neun rechten Parteien gegründete Bündnis 'Identität und Demokratie' etwa stellt heute immerhin die fünfstärkste Fraktion im EU-Parlament und kämpft qua Programm dafür, den europäischen Kontinent zu einer "Festung" auszubauen.

Parlamentswahlen in Schweden: Rechtspopulisten erstmals zweitstärkste Kraft

Am Sonntag hat Schweden seine Parlamentswahlen abgehalten – ein vorläufiges Ergebnis wird für Mittwoch erwartet. Die Schwedendemokraten erhielten 20,7 Prozent der Stimmen und sind damit erstmals zweitstärkste Kraft. Nur die regierenden Sozialdemokraten liegen mit 30,5 Prozent vor der rechtspopulistischen Partei.

Es sind jedoch nicht nur parlamentarische Zusammenschlüsse, in denen sich die internationale Rechte trifft, abspricht oder organisiert. "Auch über supranationale rechtsextreme und verschwörungstheoretische Bewegungen wie QAnon, die Atomwaffen-Division oder die Identitäre Bewegung sind die Rechten weltweit vernetzt", erklärt der Demokratie-Forscher Alexander Yendell von der Universität Leipzig. "Hinzu kommen rechte Think Tanks und Stiftungen, die von Parteien finanziert werden und zur Vernetzung über einzelne Länder hinaus beitragen."

Identitäre Bewegung: Erfolgreichstes außerparlamentarisches Netzwerk europäischer Rechtsextremer

Eines der bekanntesten Sammelbecken der internationalen Rechten ist die sogenannte Identitäre Bewegung, die mit Demonstrationen, Protesten oder Besetzungen immer wieder öffentlichkeitswirksam gegen Migration, Multikulturalismus und den Islam wettert. Sie konzentriert sich auf die Förderung einer ethnisch definierten europäischen Identität und verbreitet ihre Ideologie äußerst aggressiv und auch erfolgreich in den sozialen Netzwerken.

Ihren Ursprung hat die Gruppierung in Frankreich. Seit etwa 2012 ist sie auch in Europa aktiv, insbesondere in Ländern wie Österreich, Deutschland, Italien und Frankreich. Eine der bekanntesten Aktionen in Deutschland war die Besetzung des Brandenburger Tors 2016, bei der Aktivisten ein Transparent mit der Aufschrift "Sichere Grenzen – Sichere Zukunft" in rund 26 Metern Höhe befestigten. Für große Reichweite sorgten auch die Blockade der "Aquarius", eines Schiffes von Nichtregierungsorganisationen zur Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer, im Jahr 2017 oder die Besetzung der Universität Wien im Jahr 2018, bei der rechte Aktivisten ein Plakat mit der Aufschrift "Islamisierung tötet" aufhängten.

Zwar ist die Identitäre Bewegung keine Partei. Doch die Grenzen sind mitunter fließend. Zahlreiche Funktionäre großer europäischer rechter Parteien haben die Organisation in den letzten Jahren unterstützt oder mit ihr zusammengearbeitet. Dazu gehören die österreichische FPÖ oder der Rassemblement National (Frankreich). Auch in der AfD haben Mitglieder der Gruppe Eingang gefunden, sei es in der Jugendorganisation bis hin zum Landesvorsitzenden oder auch als Landtagskandidat.

Rechtsnationalisten haben ein Faible für Russland

Die Vernetzung der europäischen Rechten macht längst nicht vor den Grenzen Europas halt. In den letzten Jahren kam es zu einer immer engeren Verzahnung der europäischen Rechten mit kremltreuen Oligarchen. Das Forum von Jalta etwa, das auf der annektierten Krim-Insel stattfindet und offiziell als Wirtschaftsforum deklariert ist, war jahrelang ein Schaulaufen rechtsextremer Politiker von der AfD bis zur italienischen Lega Nord.

Jene Lega stand 2022 denn auch im Verdacht, Russland massiven Einfluss auf die italienische Politik gewährt zu haben. So soll sich kurz bevor die Regierungskoalition unter Ministerpräsident Mario Draghi zerbrach, ein Vertreter der russischen Botschaft mit einem Berater von Matteo Salvini – Chef der rechten Lega-Partei und erklärter Putin-Fan – getroffen haben. Salvini war zu diesem Zeitpunkt Innenminister. Kurz darauf zerbrach die Koalition. Auch von hohen Geldspenden aus Moskau an Salvinis Lega Nord war in diesem Zusammenhang die Rede.

Dass die europäische Rechte eng mit Russland verzahnt ist, dürfte mit ein Grund dafür sein, weshalb die Vernetzung zwischen europäischen und amerikanischen Rechtsnationalisten weitaus loser ist. Zwar bestehen Verbindungen etwa zwischen der Identitären Bewegung und der rechtsextremen Alt-Right-Bewegung in den USA. Die Idee von Steve Bannon, dem ehemaligen Chefstrategegen von Ex-Präsident Donald Trump, der EU eine Bewegung ("The Movement") europäischer Rechtsnationalisten entgegenzusetzen, scheiterte jedoch an einer Reihe von Skandalen, internen Konflikten und ideologischen Differenzen.

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Überhaupt, so erklärt es Demokratie-Forscher Yendell, seien es vor allem nationalistische Egoismen, die einen dauerhaften Erfolg der meisten internationalen Netzwerke verhinderten, sei es in Parlamenten oder im Rahmen informeller Zusammenschlüsse. "Rechtsnationalisten sind chauvinistisch eingestellt", sagt Yendell. "Sie halten die eigene Nation für die überlegene. Da versteht es sich von selbst, dass Bündnisse nicht gut gehen können und brüchig sind."

Mancher Zusammenschluss ging schon an Konflikten über die Höhe von Staatshaushaltsdefiziten oder der Verteilung von Asylbewerbern zu Bruch. Hinzu komme laut Yendell ein psychologisches Problem: das Denken in Freund-Feind-Kategorien. "In der rechtsextremen Wahnwelt muss es zur Stabilisierung des eigenen Selbstwertgefühls immer einen Feind geben, den man auch in den eigenen Reihen sucht, wenn es keine 'fremden' Sündenböcke mehr gibt." Diese Ideologie sei auf "Gewalt, Zerstörung und am Ende auch Selbstzerstörung" ausgerichtet.

Über den Experten: Dr. Alexander Yendell arbeitet als Soziologe an der Universität Leipzig. Seit vielen Jahren ist er als Mitarbeiter und Projektleiter an Forschungsprojekten zu verschiedenen soziologischen Forschungsthemen beteiligt. Ein Schwerpunkt seiner Tätigkeit liegt in der Erforschung von Rechtsextremismus und Autoritarismus.

Verwendete Quellen:

  • Website des Yalta-Forums
  • nytimes.comThe Far Right Says There’s Nothing Dirtier Than Internationalism, But They Depend on It
  • EU-Parlament – Zusammensetzung und Parteien im Europäischen Parlament
  • nzz.ch: Was wusste Italiens umstrittener Innenminister Salvini vom Deal im Moskauer Hotel?
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