Auf den Kanzler sind sie wütend, von den Parteichefs enttäuscht. Nach langem Stillhalten machen die Jusos ihrem Unmut Luft. Mit neuem Chef wollen sie ihre Partei wieder auf links drehen.

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Olaf Scholz ist zwar selbst nicht da, doch er blickt vom "Spiegel"-Cover auf den Juso-Bundeskongress in Braunschweig. Delegierte vorne im Saal halten das Titelblatt am Samstag anklagend in die Luft. Darauf das Zitat des Kanzlers: "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben." Das Wort "abschieben" haben sie durchgestrichen und durch Forderungen wie "den Klimawandel bekämpfen" und "neue Wohnungen bauen" ersetzt.

Die Aktion zeigt, was sich bereits mit der Wahl des neuen Vorsitzenden Philipp Türmer ankündigte: Die SPD-Jugend geht wieder auf Konfrontationskurs. Die Jusos sind wütend - auf den Kanzler, die Regierung, ihre eigene Partei.

Diesen Frust bekommt Parteichefin Saskia Esken zu spüren. In ihrer Rede verteidigt sie Scholz' Migrationspolitik. Das "Spiegel"-Cover habe sie auch erschreckt, sagt Esken. "Aber wenn man das ganze Interview des Kanzlers liest, dann kann man den ganzheitlichen Ansatz der Migrationspolitik der Ampel schon erkennen. Die Sprache, die Sprache ist unser Problem."

Jusos wollen humanere Asylpolitik

Die Jusos in Braunschweig sehen das anders. "Nein, nicht die Worte, sondern die Politik sind das Problem, Saskia", ruft einer. Die SPD spreche Schutzsuchenden durch ihre Abschiebungspolitik das Recht auf Asyl ab, entrüstet sich eine Delegierte aus NRW. Einer droht: "Wir sind bereit, weiter mit euch zu kämpfen, aber nur, wenn ihr euch an eure Versprechen haltet." Wie es sich anfühlt, die Jusos gegen sich zu haben, weiß der Kanzler schon von der "No GroKo"-Kampagne nach der Bundestagswahl 2017.

Nicht wenige Jusos sehnen sich nach dieser Zeit zurück, als ihr damaliger Chef Kevin Kühnert seine Partei in zwei Lager spaltete und die Top-Politiker kräftig unter Druck setzte. Der neue Juso-Chef Philipp Türmer hat sich vorgenommen, in diese Fußstapfen zu treten.

Unter der Bundestagsabgeordneten Jessica Rosenthal waren die Jusos zwischenzeitlich leise geworden, in den vergangenen zwei Jahren gab es kaum Kritik an Scholz und der Parteispitze. Doch zur Halbzeit der Koalition soll es vorbei sein mit dem Füße-Stillhalten.

Juso-Chef Türmer fordert Scholz zu Kurswechsel auf

Als Esken 2019 von den Jusos unterstützt zur Parteichefin gewählt wurde, da habe er so etwas wie Aufbruch gespürt, sagt der 27 Jahre alte Türmer. Doch jetzt? "Ich sehe nicht, wo da ein Ruck durch diese Partei geht." Deutschland habe zwar einen sozialdemokratischen Kanzler - doch das scheine Scholz selbst zu vergessen.

"Ändere deinen Kurs", hatte Türmer Scholz in seiner Bewerbungsrede am Freitag aufgefordert. Jetzt bekommen Esken und der in Braunschweig fehlende Parteichef Lars Klingbeil den Frust ab. "Im Moment habe ich das Gefühl, die SPD ist ganz häufig - und leider auch ihr beide als Parteivorsitzende - nur ein ganz kleiner Stachel im Fleisch des Bundeskanzleramts. Und meistens merken sie anscheinend nicht besonders viel davon."

Ihren eigenen Stachel wollen die Jusos jetzt wieder tiefer bohren. Esken reagiert zunächst gelassen: Kritische Solidarität sei eine gute Sache, sagt sie. "Wir müssen uns immer wieder auch auseinandersetzen, auch aneinander reiben. Daraus entstehen neue kreative Ideen und draus entsteht auch neue Stärke."

Scholz lehnt Einladung der Jusos ab

Scholz dagegen stellte sich der Auseinandersetzung zunächst nicht. Zum zweiten Mal in Folge lehnte er die Einladung der Jusos ab - aus terminlichen Gründen. Am Freitag hatte Scholz den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan empfangen - ein politischer Drahtseilakt ganz anderen Kalibers.

Doch dafür dürfte es beim Bundesparteitag Anfang Dezember in Berlin spannend werden. Die SPD-Jugend will einen Antrag zur Migrationspolitik einbringen und den Kanzler stellen. SPD-Influencerin Lilly Blaudszun kündigte nach Türmers Wahl bereits an: "Die Jusos sind wieder da!" (dpa/Kilian Genius, Theresa Münch und Christian Brahmann)

Wagenknecht

Wagenknecht will mit ihrem Bündnis gezielt um AfD-Wähler werben

Die frühere Linken-Politikerin Sahra Wagenknecht will mit ihrem neuen Bündnis gezielt um AfD-Wähler werben. Zugleich betonte sie, keine Rechtsextremisten aufnehmen zu wollen. (Photocredit: picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
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